zum Hauptinhalt
Kein Doppelpass für Nicht-EU-Bürger: Das schadet der Integration mehr, als es nützt, findet Gastautor Marc Young.

© dpa

Gastkommentar: Einwanderungspolitik: Ja zu Pierre, nein zu Mehmet

Was für EU-Bürger gilt, gilt nicht für andere Nationalitäten - Türken wie Amerikaner müssten bei einer Einbürgerung in Deutschland ihren heimischen Pass abgeben. Gastautor Marc Young findet, "das schadet den Menschen und dem Land".

Ganz unbescheiden gesagt, bin ich ein vorbildlich integrierter Ausländer. Ich spreche Deutsch ohne dicken Ami-Akzent, bin freiwillig gesetzlich krankenversichert und zahle brav meine GEZ-Gebühren. Ich habe eine deutsche Frau und werde bald ein halb deutsches Kind haben. Aber eins werde ich bis auf Weiteres nicht haben: einen deutschen Pass.

Nicht, weil ich den nicht will – ganz im Gegenteil. Nach fast 14 Jahren in Deutschland wäre ich gerne deutscher Staatsbürger. Ich wäre gern vergangene Woche in Berlin wählen gegangen. Aber ich sehe nicht ein, warum ich meinen amerikanischen Pass dafür opfern soll. Warum auch? Die USA, Kanada, Großbritannien, Frankreich, Schweden und viele andere Länder haben überhaupt nichts gegen den Doppelpass. Aber was das Konzept der Staatsangehörigkeit angeht, hinkt Deutschland leider elendig hinterher.

Unser Gastautor Marc Young lebt seit 14 Jahren in Deutschland, zahlt Steuern - nur seinen amerikanischen Pass will er für die deutsche Staatsbürgerschaft nicht opfern.
Unser Gastautor Marc Young lebt seit 14 Jahren in Deutschland, zahlt Steuern - nur seinen amerikanischen Pass will er für die deutsche Staatsbürgerschaft nicht opfern.

© privat

Manche deutschen Politiker – oft konservativ und bayerisch – glauben, dass ich und ein paar Millionen Deutschtürken der deutschen Staatsbürgerschaft schlichtweg nicht würdig sind, weil wir uns noch so an unsere alten Pässe klammern. Wäre ich Franzose, hätte ich dieses Dilemma nicht. Ich dürfte wählen und politisch teilhaben in diesem Land – und trotzdem meinen alten Pass behalten. Im Sinne der deutsch-französischen Freundschaft bewilligten 2003 die sonst so knauserigen Deutschen den Doppelpass für ihre Freunde westlich des Rheins. 2007 räumte Deutschland allen EU-Bürgern dieses Recht ein, die Ausnahme wäre vor der europäischen Justiz nicht zu verteidigen gewesen. Für Deutschtürken der dritten Generation (und gut integrierte Amerikaner) wird die Doppelmoral weiter akzeptiert. Unsere Herkunftsländer sind nicht in der EU. Doch das macht den deutschen Widerstand nicht weniger heuchlerisch.

Ich kenne einen Mexikaner in München, der mittlerweile beide Pässe hat, weil Mexiko sich schlicht weigert, Landsleute auszubürgern. Einmal Mexikaner, immer Mexikaner. Offensichtlich hält die CSU diesen Affront im Herzen Bayerns ganz gut aus. Der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer und viele andere konservative Politiker behaupten, mit einem zweiten Pass könne man nicht loyaler deutscher Staatsbürger sein. Man könne sich nicht vollständig integrieren und zu Deutschland bekennen. Aus meiner Erfahrung in Amerika und Europa bezweifle ich das.

Lesen Sie auf Seite 2 wie die deutsche Pass-Politik dem Land schadet.

Vielleicht sollte Seehofer sich fragen, ob sein Bundesratskollege David McAllister überhaupt geeignet ist, Niedersachsen zu regieren. Der Christdemokrat ist nämlich Halb-Schotte mit Doppelpass. Stellt ernsthaft jemand seine Loyalität infrage? Was für David, den Ministerpräsidenten, gilt, soll offenbar nicht für Mehmet, den Gemüsehändler, gelten. Deutschlands Einbürgerungspolitik erlaubt die klare Benachteiligung von Türken und anderen „ungewollten“ Fremden – aufgrund von Vorurteilen à la Sarrazin. Außerdem zwingt die sogenannte Optionspflicht seit elf Jahren sogar junge deutsche Staatsbürger, sich für oder gegen Deutschland zu entscheiden, nur weil sie ausländische Eltern haben.

Es ist fast, als ob sie sich gegen ihre Eltern entscheiden müssen, wenn sie nach dem 23. Lebensjahr Deutsche bleiben wollen. Deshalb will jetzt die grün-rote Landesregierung in Baden-Württemberg die Optionspflicht kippen. Die SPD-regierten Länder wollen mitziehen, aber die Union stemmt sich stur dagegen. Erlaubte man den Doppelpass, wäre spätestens mit der dritten Generation die Familie durch und durch Deutsch. Stattdessen wird die fremde Staatsangehörigkeit und Identität Generation für Generation weitergegeben. Das schadet den Menschen und dem Land. Es muss endlich aufhören.

Glücklicherweise muss mein Kind diese schreckliche Entscheidung nie treffen. Seine Mutter ist Deutsche. Sein Vater bleibt bis auf Weiteres amerikanischer Staatsbürger – und deutscher Steuerzahler.

Der Autor ist Chefredakteur der Internetzeitung „The Local“, die in englischer Sprache aus Deutschland berichtet.

Zur Startseite