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Der Bundespräsident spart. Schloss Bellevue im August 2022.

© Soeder/ dpa

Energie sparen mit Verdunkelungsgefahr: Berlin macht das Licht aus

Öffentliche Gebäude werden nachts nicht mehr beleuchtet. Ist diese Maßnahme das richtige Signal in der Krise?

Licht ist Leben. So steht es in der Schöpfungsgeschichte. Licht gibt Orientierung und Sicherheit. Licht produziert Bilder. Es war ein starkes Zeichen, als am 9. Mai das Brandenburger Tor in Blau und Gelb erstrahlte. Die Illumination des Freiheitssymbols in den Farben der Ukraine unterstreicht: Deutschland und die EU stehen auf der Seite der Nation, die von Russland mit einem brutalen Angriffskrieg überzogen wird.

Jetzt aber sendet der Berliner Senat eine völlig andere Botschaft. In der Hauptstadt werden Wahrzeichen nachts nicht mehr beleuchtet. Wir erleben eine schwere Krise, Putin droht mit Gaslieferstopp, da müsse die öffentliche Hand der Bevölkerung ein Beispiel geben und sichtbar sparen, erklärte die grüne Umweltsenatorin Bettina Jarasch. Schloss Bellevue, der Sitz des Bundespräsidenten, hat schon vor Wochen das Außenlicht auf das Notwendige beschränkt.

Kapituliert die Hauptstadt?

Lichter sind das Synonym der Großstadt. „Bright Lights, Big City“, so hieß ein New-York-Roman der hedonistischen, verschwenderischen 1980er Jahre. Wenn in einer Metropole wie Berlin die Lichter ausgehen, hat das hohen Symbolwert. 200 öffentliche Gebäude sind von der Umnachtung betroffen. Auch der Turm der Bahn am Potsdamer Platz bleibt dunkel. Die Frage ist: Was erreicht man mit der Abschaltung der Scheinwerfer an der Siegessäule, am Roten Rathaus, an der Gedächtniskirche?
So wie das Spektrum des Lichts in unterschiedliche Wellenlängen zerfällt, treffen hier widerstreitende Perspektiven zusammen. Man kann es eben so oder so sehen. Verdunkelung – das klingt nach Bombenalarm. Alltag für die Menschen in der Ukraine. Ihnen ist nicht geholfen, wenn der Berliner Dom vor sich hindämmert. Aber wie wirkt es auf die Kriegsherren im Kreml, dass Deutschlands Hauptstadt sich verfinstert? Wie eine moralische Kapitulation?
Putins Energieerpressung bedroht unser gesellschaftliches Gefüge. Die deutschen Verbraucher werden bald an ihrer astronomischen Gasrechnung erkennen, wie ernst die Lage ist. Die Industrie fürchtet die explodierenden Preise nicht weniger. Drosselung der Produktion, drohende Rezession: Dagegen sind ein paar dunkle Bauten ein zu vernachlässigendes Ärgernis. Und ein notwendiger Appell zu Sparsamkeit und Nachhaltigkeit.

Ohne Licht gibt es keine Kultur

Doch etwas stimmt nicht bei dieser Politik mit Symbolen. Erst einmal fallen die Ersparnisse in der Berliner Dunkelkammer sehr bescheiden aus. Über das „Festival of Lights“ im Oktober ist noch nicht entschieden. Die stadtweite Lichtschau zieht Touristen an, frisst Strom. Gewaltige Lichtinszenierungen sollen dieses Jahr für einen „gesunden Heimatplaneten mit einem Leben voller Vielfalt“ werben, schwärmen die privaten Veranstalter. Das trifft in die Seele. Zwar verschmutzt künstliches Licht auch die Atmosphäre und gefährdet die Natur, ähnlich wie Großstadtlärm, Lichtforschung ist ein wichtiges Wissenschaftsfeld. Aber die dunkle Jahreszeit macht hier ihrem Namen alle Ehre – lang und deprimierend. „Berlin, dein Winter ist kein Spaß“ sangen einst die Liedermacher Pannach & Kunert. Licht und Wärme bedeuten Wohlstand. Ohne Licht gibt es kein kulturelles Leben. Licht spendet Energie und verbraucht sie zugleich. Krieg musste nach Europa kommen, um solche existenziellen Dinge zu erhellen. Fiat Lux am Ende des Tunnels? Kann es Frieden geben? Niemand weiß, ob der Herbst hell oder dunkel wird. Es ist nicht einfach, etwas Optimismus zu entwickeln. Genießen wir die Sommernächte!

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