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Herbert Diess bleibt nach den Wolfsburger Chaostagen Vorstandsvorsitzender von Volkswagen - mit weniger Einfluss auf das operative Geschäft. Foto: Sven Hoppe/dpa

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Das große Ego-Kollektiv: Dem VW-Chef steht sein übergroßes Selbstbewusstsein im Weg

VW-Chef Herbert Diess bekommt seine letzte Chance als Treiber des Wandels. Doch sein Tatendrang kollidiert regelmäßig mit seinem übergroßen Ego. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Henrik Mortsiefer

Bei Volkswagen sind sie kurz vor Weihnachten zur Besinnung gekommen und haben (wieder einmal) Frieden geschlossen. Die zeitweise tief zerstrittenen Aufsichtsräte, Arbeitnehmervertreter, Eigentümerfamilien und das Land Niedersachsen geben Herbert Diess noch eine Chance. Es dürfte seine letzte sein.

Sein Planspiel über den Abbau von 30.000 Arbeitsplätzen am Standort Wolfsburg hatte den Konzern für Wochen blockiert. Eine solche Provokation mit anschließend eskalierendem Kräftemessen der VW-Mächtigen wird man dem Chef nicht vergessen. Dass Diess trotzdem Vorstandsvorsitzender bleibt, wenn auch mit beschnittenem Einflussbereich, heißt entsprechend auch nicht, dass beim Autohersteller nun Ruhe einkehrt. Das ist vielleicht auch gut so, denn Entspannung ist in der Branche, in der kein Stein auf dem anderen bleibt, nicht angebracht.

Der Übergang zur Elektromobilität, zu softwaregesteuerten und vernetzten Fahrzeugen fordert maximale Beweglichkeit und Tempo. So ist Herbert Diess auch weit davon entfernt, sich zurückzulehnen. Der „Motor des Wandels“, wie ihn Aufsichtsratschef Hans Dieter Pötsch freundlich nannte, läuft auf Hochtouren. Und mit ihm eine nun erweiterte Führungsmannschaft.

Mystische Verbundenheit zu Porsche und VW

So weit, so hilfreich. Doch der Tatendrang des 63-jährigen Diess kollidiert regelmäßig mit seinem übergroßen Ego. Das allerdings hat Tradition in Wolfsburg: Es kracht bei Volkswagen seit Jahrzehnten, weil Führung und Strategie immer schon in den Händen eines Kollektivs großer Egos lagen und bis heute liegen.

Die Eigentümerfamilien Porsche und Piëch zum Beispiel, die die Mehrheit an Volkswagen halten, haben Automobilgeschichte geschrieben. Geprägt wurden sie dabei von genialen Egos wie Ferdinand Porsche oder Ferdinand Piëch. Dieses milliardenschwere Familienerbe der Ingenieure und Erfinder, die fast mystische Verbundenheit des Clans mit den Marken Porsche und VW, das Trauma der 2009 gescheiterten Übernahme von Volkswagen durch Porsche – all das spielt hinein in die fortwährende Diskussion darüber, wohin Volkswagen steuern soll. Zuletzt gaben die Familien Diess Rückendeckung.

Wer die Mehrheit hat, hat das Sagen, sollte man meinen. Doch bei VW geht bekanntlich nichts ohne Betriebsrat und das Land Niedersachsen. Auch hier walten Egos, und es drückt die Last der – dunklen deutschen – Geschichte.

Einen derart überfrachteten Konzern mit 670 000 Beschäftigten durch eine grundstürzende Transformation zu steuern, ist ein Kraftakt. Schon mancher ist daran gescheitert. Herbert Diess glaubt an seinen Erfolg, nach den Chaostagen kann er weitermachen. Mit großem Selbstbewusstsein – und allen Risiken und Nebenwirkungen.

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