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Die Berliner Singakademie war seine musikalische Familie: Nikolaus Sander steht in der ersten Reihe rechts

© Berliner Singakademie

Zum Tod von Nikolaus Sander: Er kannte die Kultur von allen Seiten

Mit 77 Jahren ist der SPD-Kulturpolitiker und Manager der „Berliner Singakademie“, Nikolaus Sander, gestorben. Seit Tod kam völlig unerwartet.

In den spannenden Nachwendejahren hat er für die Zukunft der doppelten Berliner Kulturlandschaft gekämpft, leidenschaftlich und streitbar, als Mitglied im Kulturausschuss des Abgeordnetenhauses. Als Student war Nikolaus Sander 1972 SPD-Mitglied geworden, ab 1979 gehörte er in Zehlendorf der Bezirksverordnetenversammlung an, seit 1984 stand der den Sozialdemokraten im bürgerlichen Südwesten der Mauerstadt vor, 1989 zog er ins Landesparlament ein.

Tausend Entscheidungen galt es damals im Zuge der Wiedervereinigung im Kulturbereich zu treffen, zehn Jahre lang war Sander mit dabei. Seine Meinung vertrat er eloquent in der Öffentlichkeit, wenn nötig auch mit publizistischen Zwischenrufen im Tagesspiegel.

Er kämpfte für mehr Kulturgeld vom Bund

Als Daniel Barenboim 1998 behauptete, Berlin habe zu viele Orchester, widersprach er vehement, 1996 hatte er sich schon gegen die Idee gewandt, das Berliner Sinfonie-Orchester (heute Konzerthausorchester) mit der Komischen Oper zu fusionieren. Stattdessen mahnte er an, dass sich der Bund in der neuen Hauptstadt finanziell stärker für die Kultur-Leuchttürme engagieren müsse.

Der 1943 in Danzig geborene Politiker, der neben seiner Arbeit im Berliner Teilzeitparlament als Lehrer an der Kreuzberger Carl von Ossietzky-Schule arbeitete, argumentierte dabei stets aus der Perspektive des Kulturbürgers. Weil er die Mühen der musikalischen Basisarbeit aus eigener Erfahrung kannte: als Mitglied in der Berliner Singakademie nämlich.

Mit voller Kehle für die Berliner Singakademie

Nicht der 1791 gegründeten „Sing-Akademie zu Berlin“, die seit 1961 im Westteil der Stadt beheimatet war, hatte er sich angeschlossen, sondern der Ostberliner Nachgründung des Traditionschores. Nachdem die Zusammenführung beider Liebhaber-Ensembles trotz langjähriger intensiver Bemühungen missglückt war, wurde Nikolaus Sander zum Manager der „Berliner Singakademie“, nutzte seine Netzwerke, um für den von Achim Zimmermann geleiteten Chor Reisen zu organisieren,  2017 beispielsweise nach Lettland, 2019 sogar nach Südkorea.

Anspruchsvolle, auch sperrige Werke wurden zu einem Markenzeichen des Chores, die Aufführung von Boris Blachers „Der Großinquisitor“ im April 2020 vereitelte der erste Corona-Lockdown. Ungebrochen energiegeladen und optimistisch sorgte Nikolaus Sander dafür, dass der Chor im vergangenen Sommer dann wenigstens wieder proben konnte, unter freiem Himmel, auf dem Pausenhof der Friedenauer Bergius-Oberschule. Völlig unerwartet hat ihn jetzt ein Herzinfarkt aus dem Leben gerissen. Er wurde 77 Jahre alt.

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