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Zu neuen Taten, teurer Helde! Szene aus der "Götterdämmerung" mit Evelyn Herlitzius als Brünhilde und Stefan Vinke als Siegfried.

© Bettina Stöß

Zum letzten Mal Götz Friedrichs "Ring" an Deutschen Oper: Abschied vom Endspiel

Jetzt ist Götz Friedrichs „Ring“ an der Deutschen Oper Geschichte: Beobachtungen bei der finalen „Götterdämmerung“.

Die Aussicht auf Abschied stimmt stets beklommen. Wird das letzte Wiedersehen der Entzauberung dienen oder doch noch einen Herzensbruch erzwingen? Und werden wir tatsächlich vermissen, was uns lange unentbehrlich schien?

Am Ostermontag stand zum 52. und letzten Mal Götz Friedrichs „Götterdämmerung“ auf dem Spielplan der Deutschen Oper – Abgesang nicht nur auf Wotans Sippe, sondern auf eine „Ring“-Inszenierung, die eine Generation lang Fixpunkt war, weit über das Berliner Opernleben hinaus. Wer mit Friedrichs Deutung aufbrach in Wagners Welt, konnte immer wieder feststellen, wie gut und reichhaltig diese Wegzehrung doch ist. Der bloße Gedanke an den Zeittunnel trug hinweg über manche „Ring“-Zurichtungen von wütenden Dramaturgen und entfesselten Lichtdesignern an anderen Orten, bot verlässliche Werkzeuge, um Wagners Welttheater vom Raunen zu befreien und zu emotionaler Glaubwürdigkeit vorzudringen.

32 Jahre nach der Premiere der „Götterdämmerung“ überrascht mehr denn je die Ökonomie ihrer Inszenierung. Auch, wenn niemand mehr diese geballte Düsternis und die unendlichen Kunstnebelschwaden braucht. Hier dünsten noch immer die 80er Jahre aus, deren Fatalismus uns heute weniger unausweichlich erscheint, zum Glück.

Was kommt alles unter den Hammer?

So schnell wird es keine Götterdämmerung mehr geben, die so langsam erzählt, dem Zuschauer Zeit schenkt, selbst die unheilvollen Verstrickungen mit zu entwirren, in die Siegfried gerät, die ihm den Tod bringen. Stefan Vinke sackt exakt im markierten Lichtkegel zusammen, das hat man hier schon anders gesehen, mit stiller Freude darüber, dass der tödlich getroffene Heldentenor noch ins Scheinwerferlicht robben muss. Auch Siegfrieds Tod ist Theater. Beim letzten Durchgang erinnert daran die unbedarfte Art, mit der Albert Pesendorfers Hagen seinen Speer führt.

Demnächst wird man die Mordwaffe wohl ersteigern können, zugunsten der Neuinszenierung, die Stefan Herheim ab 2020 an der Deutschen Oper herausbringt. Was käme da noch unter den Hammer? Siegfrieds Horn natürlich, der Tarnhelm, der fluchbeladene Ring … Der Förderkreis der Deutschen Oper hat das Fundraising für das kommende Großprojekt übernommen und den „Circle 2020“ gegründet. Für 2020 Euro pro Jahr soll man ganz nah erleben können, wie der neue „Ring“ geschmiedet wird. Seltsam nur, dass beim Abschied vom alten der Stand des Förderkreises verwaist bleibt. Dafür hat der regionale Wagner-Verband seine Flyer verstreut, die tatsächlich mit dem Zitat „Unbewusst höchste Lust“ für eine Mitgliedschaft werben. Götz Friedrichs Losung war das nie, seine „Götterdämmerung“ kreist mit schmerzhafter Fokussierung darum, Klarheit zu erlangen, auch, wenn es das Personal dabei beinahe zerreißt, wie die Brünnhilde von Evelyn Herlitzius: beeindruckend in ihrer fragilen Unnachgiebigkeit, die alles um sie herum zur Staffage werden lässt.

Die Reise in den Wagner-Klang 2020 hat begonnen

Ganz am Ende stehen sie alle auf der Bühne: Bühnenbildner Peter Sykora, der ergraute Herr des Zeittunnels, Spielleiterin Gerlinde Pelkowski, die Friedrichs Erbe pflegt, Donald Runnicles inmitten seines beherzten Orchesters, das sich sonor durch die Tiefenschichten gearbeitet hat: breit, symphonisch, mit wenig Licht und Raum in den höheren Tonlagen. So wird es wohl nie wieder klingen, denn eine neue Sängergeneration setzt weniger auf durchdringende Stimmen denn auf lichte Musikpartner. Die Reise in den Wagner-Klang 2020 hat begonnen.

Doch zuvor heißt es Abschied nehmen, und wie das freudig, ja erleichtert geht, zeigt Karan Armstrong. Friedrichs Witwe springt auf jeden mit Blumen zu und lässt keinen Zweifel daran, dass der Regisseur darüber lacht, dass sein „Ring“ ewig gespielt wurde. Denn Musiktheater, diese flüchtige Kunst, lehrt uns Abschied nehmen, so oft, bis wir das Leben ganz willkommen heißen können. Wie sagt Wotan: „Wandel und Wechsel liebt, wer lebt: das Spiel drum kann ich nicht sparen.“ Doch das gehört schon zu einem neuen Beginn.

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