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 Die 14-köpfige Gruppe Kumasi wurde 2014 in New Orleans gegründet.

© Promo

Wassermusik-Festival in Berlin: Mit den Flussgöttern tanzen

Das Wassermusik-Festival rückt den Mississippi ins Zentrum. Zur Eröffnung spielt die Afrobeat-Band Kumasi aus New Orleans im Haus der Kulturen der Welt.

New Orleans ist anders als alle anderen amerikanischen Städte. In der fantastischen HBO-Serie „Treme“, einer mitreißenden Liebeserklärung an „The Big Easy“, dreht sich alles um Musik, Essen und den Mardi Gras, nichts anderes scheint hier wichtiger zu sein. Das Leben ist hart, Rassismus allgegenwärtig und trotzdem findet man beim Feiern zusammen. Im tief gespaltenen Amerika ist das alles andere als selbstverständlich.

Und man ist stolz auf das gewaltige musikalische Erbe. In den Clubs und auf den Straßen werden traditioneller und moderner Jazz, Blues, Rock’n’Roll, Zydeco, Bluegrass und auch Gangsta-Rap vorgetragen. Hier scheint alles möglich, Hauptsache, man kann sein Publikum gut unterhalten.

Kumasi sind einmal mit Tony Allen aufgetreten

Somit ist die Wahl des Eröffnungsacts beim Wassermusik-Festival im Haus der Kulturen der Welt, das diesmal den Musiktraditionen gewidmet ist, die sich rund um den Mississippi gebildet haben, vielleicht doch nicht so ungewöhnlich, wie es auf den ersten Blick wirken mag. Die 14-köpfige Band Kumasi kommt aus New Orleans, der Stadt am Delta des Mississippi, spielt aber eine Musik, die eher Westafrika zugeordnet wird.

Nämlich Afrobeat, eine Stilrichtung, die auf ewig mit Schlüsselfiguren wie Fela Kuti und Tony Allen aus Nigeria verbunden sein wird. Was aber ist Afrobeat letztlich? Eine Mischung aus westafrikanischer Highlife-Musik, sowie Jazz und Funk. Es steckt im Afrobeat also eine ganze Menge New Orleans, wo bekanntlich der Jazz und der Funk ihren Ursprung haben.

Heather Nolan, die bei Kumasi singt und die Chekere bedient, eine westafrikanische Rassel, und Logan Schutts, Drummer und Gründer der Band, gehen mit ihren Afrobeat- und New-Orleans-Assoziationen sogar noch weiter. Man trifft die beiden in einem Hotel in der Nähe des HKW. Sie sind gerade erst aus New Orleans eingeflogen, wirken aber hellwach.

Sie betonen, dass sie bei ihrem Konzert in Berlin nur jeweils einen Song von Fela Kuti und einen von Tony Allen spielen werden, der Rest seien Eigenkompositionen. Ihre Verehrung für die beiden Musiker ist jedoch gewaltig, das ist deutlich herauszuhören. Und man kann es auch sehen. Auf der Homapage ihrer 2014 gegründeten Band gibt es Aufnahmen eines Konzerts von Kumasi mit Tony Allen in New Orleans.

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Schutts und Nolan lernten Allen bei einem seiner Konzerte in den USA kennen. Später flog Logan Schutts nach Paris, wo der Afrobeat-Drummer lange lebte, bevor er im April 2020 starb. Der Mann aus New Orleans nahm Schlagzeugunterricht bei seinem Idol. Sie freundeten sich an und Schutts lud Allen in seine Heimatstadt ein. Beim Konzert nahm Tony Allen dann seinen Platz am Schlagzeug ein. Das sei nicht schlimm gewesen, so Schutts, er habe dann eben die Congas gespielt, und Allen „ständig Whisky gebracht und das Konzert genossen.“

Fela Kuti nur zu verehren, fällt schon etwas schwerer. Denn so sehr dieser als Ikone des Afrobeat und des Antikolonialismus schillern mag, so umstritten ist er auch. Er gründete in Nigerias Hauptstadt Lagos nicht nur einen eigenen Club, in dem er regelmäßig Konzerte gab, die wie Zeremonien begangen wurden. Er legte sich nicht nur mit der Militärregierung an und trat gegen Unterdrückung ein, sondern hatte auch Dutzende Ehefrauen, die er nicht immer gut behandelte. Zudem leugnete er die Existenz von HIV, an dessen Folgen er schließlich selbst verstarb.

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Heather Logan sagt: „Er sang über alltägliche Probleme und Schwierigkeiten und auch in unserer Musik geht es beispielsweise um institutionalisierten Rassismus. Unsere und Felas Musik eint, dass wir zu ihr tanzen und feiern und dabei gleichzeitig politische Veränderungen einfordern.“

Logan Schutts fügt hinzu: „In New Orleans, stärker als in jeder amerikanischen Stadt, ist Feiern und Tanzen ein Weg, um mit den alltäglichen Herausforderungen umzugehen. Für die meisten Leute ist das Leben nicht so einfach in New Orleans.“ Er erkennt Ähnlichkeiten zwischen seiner Heimatstadt heute und den Zuständen im Nigeria der Siebziger.

[Haus der Kulturen der Welt, bis 6. August. Konzert von Kumasi, 16.7., 19 Uhr]

Kumasi sind in den USA maximal ein Geheimtipp, sogar in ihrer Heimatstadt. Nolan und Schutts sagen, dass sie eigentlich nie außerhalb von New Orleans auftreten. Um so überraschter seien sie gewesen, als die Anfrage eines Festival aus dem fernen Berlin kam. Je mehr sie sich dann aber mit dessen Programmatik auseinandergesetzt hätten, so Schutts, desto mehr hätten sie das Gefühl gehabt: passt eigentlich ganz gut.

Cajun-Musik, Zydeco, all diese Genres, die sich in den sumpfigen Gebieten im Süden der USA rund um den Mississippi gebildet haben, werden beim Festival zu hören sein. Nolan und Schutts schaffen es aber spielend, den mächtigen Strom auch mit Afrobeat zu verknüpfen, den amerikanischen Fluss mit der Musik Westafrikas.

Nolan sagt: „An Feiertagen wie dem Mardi Gras wird in New Orleans der Mississippi mit in bestimmte Rituale einbezogen. Die Leute verbringen ihre Zeit am Fluss, errichten kleine Altare oder werfen Blumen hinein. Er ist integriert in das Leben, wir haben eine Beziehung mit ihm.“

Schutts knüpft auch ein Verbindungsband zu der Religion der ethnischen Minderheit der Yoruba in Nigeria, denen sich Fela Kuti zugehörig fühlte. Die Yoruba glauben an pantheistische Gottheiten, die sie Orishas nennen. Eine davon ist Oshun, die Göttin der Fruchtbarkeit. Sie werde von Wasser symbolisiert, von Seen und Flüssen, so Schutts. „Man kann also sagen, der Mississippi ist eine Verkörperung von Oshun.“

Am Ende fragt er noch: Tanzen die Berliner und Berlinerinnen gerne? Das ist ihm trotz aller Diskurse wichtig: Sie mögen bitte tanzen beim Konzert seiner Band.

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