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Im Kern bestehen The Notwist mittlerweile aus Cico Beck und den Gebrüdern Acher (v. li.), doch wird das Trio bei Aufnahmen und auf der Bühne durch Gitarrist Max Punktezahl, Karl Refseth am Vibraphone und Andi Haberl am Schlagzeug ergänzt.

© Gerald von Foris

The Notwist gewinnt Soundcheck Award 2021: Liebesbriefe aus dem Abseits

Sechs Jahre nach dem letzten Album fingen The Notwist wieder „ganz von vorne an“. Ihr Album „Vertigo Days“ spiegelt den Zeitgeist und widersetzt sich ihm.

Der Soundcheck Award für das "Beste Album des Jahres 2021" wird der Weilheimer Band The Notwist verliehen.

Nach Ansicht der Jury von Tagesspiegel und Radioeins spannt das im Januar erschienene „Vertigo Days“ einen weiten Bogen durch den „innovativen Teil der deutschen Popgeschichte“ – von Kunstlied und Krautrock über Elektro-Pop und freier Musik bis Techno. Es sei auf gute Art „deutsch“: spröde, romantisch, experimentell, weltabgewandt und hellsichtig, voller Melodien und treibender Beats. Auf diese Weise halte es der komplizierten deutschen Mentalität zwischen Technik und Innerlichkeit einen Spiegel vor.

Mit dieser Entscheidung setzen sich The Notwist in letzter Instanz gegen St. Vincents „Daddy’s Home“ durch, mit dem sich die 39-jährige US-Musikerin Annie Clark ungewöhnlich intim einer schmerzhaften Episode ihrer Familie zuwendet, außerdem gegen „Nine“, das nur 99 Tage verfügbare traumatische Werk des anonymen britischen Rap-Kollektivs Sault. Schließlich stand auch Makaya McCraven wieder auf der Shortlist des Preises, nachdem er den Soundcheck Award vergangenes Jahr gewonnen hatte. Sein Album „Decifering The Message“, eine Auftragsarbeit für das Blue Note Label, ist eine weitere Neuinterpretation des klassischen Jazz-Codes.

Zwei Jahre in der Isolation

Nach einer mehrjährigen Schaffenspause kehrten The Notwist bereits 2018 ins Studio zurück. Das Trio bestehend aus den Multiinstrumentalisten Markus und Micha Acher sowie ihrem Kompagnon Cico Beck fing mit allem „ganz von vorne“ an, wie sie sagen, und tüftelte zwei Jahre an Songideen. Gäste wie die Japanerin Saya oder die Brasilianerin Juanna Molina steuerten eigene Gesangsparts bei.

Obwohl The Notwist dem entrückten, melancholischen Futurismus treu bleiben, der schon das stilbildende Meisterwerk „Neon Golden“ von 2002 prägte, schwingt diesmal eine Ernüchterung über die digitale Gegenwart mit. So erzählt das 50-minütige Album vom Verlust sozialer Nähe, von Untergangsängsten, die durch Träume wandern, von der Sehnsucht nach echten Gefühlen, wirklichen Begegnungen, aber auch immer wieder von der Liebe, die einen Menschen weniger allein sein lässt. Dass die 14 Songs von „Vertigo Days“ als Ganzes einen hypnotischen Sog erzeugen, wie nur große Alben es tun, hat die Jury überzeugt.

Der Soundcheck Award wird zum 13. Mal verliehen. Er wird in Form eines grafischen Kunstwerks aus der Feder des Illustrators und Künstlers Otto Steininger überreicht. Zu früheren Gewinnern zählen Kanye West, Neil YoungJames Blake, Anna Calvi und Lana del Rey. An deutschsprachige Bands wurde der Award bislang nur zweimal verliehen, nämlich an Tocotronic (2015 für ihr rotes Album) und an Bilderbuch (2017 für „Magic Life“).

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