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Newcastle-Eminenz. Drummer Tom English, Gitarrist Duncan Lloyd und Sänger Paul Smith von Maxïmo Park.

© Em Cole

Neues Album von Maxïmo Park: Songs über die Herrlichkeit und Schwierigkeit des Vaterseins

Die britische Indie-Rockband Maxïmo Park mischt auf ihrem Album „Nature Always Wins“ Privates mit Politischem - und etwas Nostalgie.

Da wollen sich Maxïmo Park gerade in die USA wagen, um eine Platte aufzunehmen, und dann das: Lockdown. Schöner Mist. Im Frühjahr 2020 sitzt ihr neuer Produzent Ben Allen in Georgia fest, und die Band ist verteilt auf Newcastle und Liverpool. Das Ende vom Lied? Natürlich nicht. Sonst gäbe es an dieser Stelle nicht das siebte Album der Briten zu besprechen, das am Freitag erscheint: „Nature Always Wins“.

Alle legen an Ort und Stelle los, vernetzt durch ständige Videocalls. Sänger Paul Smith und Gitarrist Duncan Lloyd arbeiten von zu Hause aus, Schlagzeuger Tom English ist der Einzige, der in ein richtiges Studio fährt. Vom Toningenieur durch Plexiglas getrennt und umgeben von Dutzenden Mikrofonen spielt er seine Parts ein. Neben ihm: ein Laptop, über den Produzent Allen aus den USA zugeschaltet ist – Rock’n’Roll anno 2020. Doch es funktioniert. „Nature Always Wins“ klingt schön griffig, wie aus einem Guss und doch nicht zu glatt. Allen versteht sein Handwerk, für das Debüt von Gnarls Barkley hat er 2006 einen Grammy bekommen.

Das Vertraute mit Bedeutung aufladen

Paul Smith singt seine Texte im heimischen Mini-Studio auf dem Dachboden ein. Da ist er nah am Hauptquell seiner Inspiration, der vierjährigen Tochter. Der Dachboden hat es auch in einen der Songs des Albums geschafft. Auf „Feelings I’m Supposed To Feel“ heißt es: „Your tiny voice filters up through the attic window. It comes in with the sunlight, and I can hear you playing outside.“ Ein typischer Maxïmo-Park-Text: Smith beobachtet genau und lädt das Vertraute mit Bedeutung und Gefühl auf. Melodrama im besten Sinne. Der Song klingt auf einer Aufnahme vom Spielen seiner Tochter aus. Man hört sie jubeln, eine Amsel singt.

Es geht auf „Nature Always Wins“ immer wieder um die Herrlichkeit und Schwierigkeit des Vaterseins. Die Ballons zum Kindergeburtstag, die durchwachten Nächte, die Zweifel an der Eignung zum Erziehungsberechtigten – das sind so die Themen, wenn die Mitglieder einer Indie-Rock-Band nach bald 20 gemeinsamen Jahren die 40 passieren und Eltern werden.

[Maxïmo Park: „Nature Always Wins“ erscheint am 26.2. Pias/Prolifica]

Gleich an zweiter Stelle des Albums steht mit „Versions Of You“ ein Song gewordener Stoßseufzer: „Hach, die Kleinen werden so schnell groß.“ Paul Smith kommt kaum hinterher, wie seine Tochter wächst und sich ständig verändert: „I can only call to mind the way you look at this present time, I can barely comprehend all these versions of you“, singt er.

Dazu eine dieser lieblichen und dennoch zwingenden Melodien, wie sie Maxïmo Park Platte für Platte zustande bringen. Der Bass von Langzeit-Mitstreiter Paul Rafferty federt, das Schlagzeug tänzelt. Für den Refrain ziehen sie das Tempo an, um den Song danach runterzufahren und in eine Bridge zu biegen, die ihrerseits das Zeug für einen zweiten Refrain hätte. Wie die Band es nach wie vor versteht, Dynamik mit einer süßen Wehmut zu verbinden, ist schlicht berührend. Also eigentlich alles wie immer bei Maxïmo Park.

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Den Furor ihres grandiosen Debüts „A Certain Trigger“ von 2005 entfesseln sie heute zwar nicht mehr. Doch der Pop-Appeal, die gewundenen Songstrukturen und Smiths Alltagspoesie – all das beherrscht die Gruppe nach wie vor. Heißt aber auch: Das alles wirkt 2021 ein bisschen aus Zeit gefallen. Diesen Eindruck hinterlässt etwa der Opener „Partly Of My Making“. Der Song wird angetrieben von einem Stakkato, das abwechselnd von Gitarre, Keyboard und Streichern getragen wird. Als würden Weezer „Kashmir“ von Led Zeppelin covern.

Dass das dennoch funktioniert, liegt an der Ironie, die durch die Lyrics über das Älterwerden blitzt. „As you can clearly see, my metabolism’s not what it used to be“, singt Smith und scheint damit fast die Behäbigkeit des Songs selbst zu kommentieren. Nein, auf dicke Hose hat diese Band noch nie gemacht. Es geht immer auch um Selbstzweifel und Verletzlichkeit.

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Die musikalische Entwicklung liegt in Nuancen. Nachdem der gediegene Funk-Sound ihrer vorherigen Platte „Risk To Exist“ einen eher auf Abstand hielt, lösen Maxïmo Park nun wieder die Sicherheitsgurte. „Nature Always Wins“ rockt. Duncan Lloyds Gitarre ist deutlich präsenter, wohl auch, weil die Band 2019 ihren Keyboarder verlor, Gründungsmitglied Lukas Wooller. Der ist nach Australien ausgewandert, um eine Familie zu . Seinen Platz im Studio und auf der Bühne übernimmt Jemma Freese, die erste Frau im weiteren Bandgefüge.

Ein Spaziergang durch Newcastle

Ähnlich wie bei der Vorgängerplatte prägt auch das neue Werk eine Empörung angesichts des Zustands der Welt. Am deutlichsten tritt sie in „Why Must A Building Burn“ zu Tage. In dem Song geht es um den Brand im Londoner Hochhaus Grenfell Tower, bei dem vor vier Jahren 72 Menschen ums Leben kamen. Paul Smith beschreibt den Moment, in dem im Fernsehen das Bild eines geliebten Menschen unter denen der Opfer auftaucht. Die Band hatte diese Erfahrung nach dem Bataclan-Attentat in Paris. Damals starb ein Mitarbeiter, der lange Jahre für das Merchandise der Gruppe zuständig war.

Ebenso persönlich ist die Verbitterung des Abschlusssongs „Child Of The Flatlands“. Darin durchwandert die Band ihre Heimat Newcastle. Ein sonderbares Stück: Erst stapft es gemütlich durch die Stadtlandschaft, in die die Sparpolitik ihre Kerben gehauen hat. Dann setzt das Schlagzeug aus, Streicher wehen durch die Häuserschluchten, Smith fragt: „The libraries are closing down now. Where will the old folks go, when they feel all alone?“ Der Song scheint fast zu verhallen, bevor die Gitarre mit einem Solo dazwischenknurrt und die Band weiterwackelt auf der Suche nach den Spuren ihrer Jugend.

Maxïmo Park verstehen es, die richtige Dosis Nostalgie zuzulassen. Viele werden sie auch beim Hören von „Nature Always Wins“ empfinden – dafür müssen sie nicht mal in Newcastle aufgewachsen sein.

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