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Flur eines 110 Jahre alten Haftkrankenhauses.

© picture alliance/dpa

Kriminalroman "Frenzel": Allein gegen die Welt

Ein Totschläger als Ehrenmann: In Tommie Goerz' herausragendem Thriller „Frenzel“ kämpft ein ehemaliger Strafgefangener für Gerechtigkeit.

Zu den legendärsten und gleichzeitig rätselhaftesten Werken der Rockgeschichte zählt das Album „In-A-Gadda-Da-Vida“, das die amerikanische Band Iron Butterfly 1968 veröffentlichte. Es enthält ein halbes Dutzend psychedelisch abdriftende E-Gitarren-mit-Orgel-Songs, von denen vor allem das Titelstück in Erinnerung geblieben ist, weil es – damals bahnbrechend – eine komplette Langspielplattenseite einnimmt.

Die Bedeutung der Wortschöpfung „In-A-Gadda-Da-Vida“ ist bis heute umstritten. Angeblich war der Songwriter so betrunken, als er sein Stück dem Schlagzeuger vorspielen wollte, dass er nur noch lallend diese Silbenfolge hervorbrachte. Eigentlich habe er „In The Garden Of Eden“ sagen wollen.

Für immer in den 70ern

Ein Wirtshaus namens „Gadda da Vida“ gehört zu den zentralen Schauplätzen von Tommie Goerz’ Kriminalroman „Frenzel“. Der nostalgisch angegilbte Name passt zu einer Kneipe, in dem „auch noch die Jungen von gestern und vorgestern verkehrten“ und „drei, vier oder fünf Alte schon seit Jahren ihren festen Platz am Tresen hatten und dort hängen geblieben waren“.

„Bobby Brown“ von Frank Zappa und Songs von Traffic oder den Rolling Stones laufen im Gadda da Vida, ganz so, als seien die Siebzigerjahre nie vergangen. Einer der Männer am Tresen ist bald auch Frenzel, der gerade erst angekommen ist in der fränkischen Universitätsstadt, bei der es sich um Erlangen handeln dürfte, wo Goerz lebt.

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Frenzel heißt einfach nur Frenzel, einen Vornamen scheint er nicht zu besitzen, ähnlich wie Parker, der Meistereinbrecher aus den Thrillern von Richard Stark. Genauso wie Parker ist Frenzel ein Einzelgänger, der sich auf keine Bindungen einlassen kann und alle Spuren hinter sich verwischt.

Statt zu agieren beobachtet er lieber, das Schweigen gehört zu seinen Waffen. Rückzug als Möglichkeit der Selbstbehauptung, eine Technik, die er im Knast gelernt hat, wo er neun Jahre verbrachte, nachdem er als Türsteher einer Diskothek einen jungen Mann, der ihn beleidigte, erschlagen hatte.

Die Nacht kommen lassen

„Den Tag zu Ende gehen lassen, der Dämmerung zusehen, dem Kommen der Nacht.“ Frenzels Reflexionen könnten fast schon Lyrik sein. Zu seinem Ehrenkodex gehört, dass er gegen Ungerechtigkeiten einschreitet, auch wenn es für ihn lebensgefährlich wird. Als wollte er Buße tun für seine Zeit als Dealer, Hehler und Totschläger.

[Tommie Goerz: Frenzel. Kriminalroman. Ars Vivendi, Cadolzburg 2022. 183 Seiten, 20 €]

Erst hilft er einer jungen Frau aus dem Gadda da Vida, die von einem Winkeladvokaten um einen Teil ihrer Erbschaft gebracht wurde. Und dann wird die Leiche eines Jugendlichen in einem Altkleidercontainer entdeckt. Zwei weitere Jugendliche verschwinden. Frenzel glaubt nicht an einen Unfall.

Goerz ist mit seinen Frankenkrimis um Kommissar Friedo Behütuns bekannt geworden. Für seinen Roman „Meier“, der vom Rachefeldzug eines unschuldig als Mörder verurteilten Mannes handelt, wurde er 2021 mit dem Friedrich-Glauser-Preis ausgezeichnet.

Ähnlich furios erzählt Goerz auch von Frenzel, der wie Kohlhaas glaubt, es mit der ganzen Welt aufnehmen zu können. Aber das war schon bei Kleist fataler Übermut.

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