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Jesus Quintana (John Turturro) ist noch immer der Alte.

© Eurovideo Medien

John Turturros neuer Film: Trottel beim Tänzchen

Der Kult-Bowler aus „The Big Lebowski“ hat nun einen eigenen Film: „Jesus Rolls“ von und mit John Turturro. Audrey Tatou ist auch dabei.

Jesus’ Zunge streichelt die Bowlingkugel. Dann wirft er einen Strike und legt zur Musik der Gipsy Kings ein anzügliches Siegestänzchen aufs Parkett. Zwei Szenen reichten vor 23 Jahren, um Jesus Quintana berühmt zu machen. Die Kultfigur aus „The Big Lebowski“ hat ihren Darsteller John Turturro seitdem nicht losgelassen. Nun hat er ihr einen eigenen Film gewidmet – als Drehbuchautor, Regisseur und Hauptdarsteller.

Natürlich darf in „Jesus Rolls“, dem Spin-off vom Klassiker der Coen-Brüder, auch eine Bowlingszene mit Zunge, Strike und Tänzchen nicht fehlen. Der Kinostart ist immer wieder verschoben worden, so ein langer Anlauf verheißt selten Gutes; nun erscheint er als Video-on-Demand.

Um Jesus salonfähig zu machen, muss Turturro ihn aber zunächst mal rehabilitieren: In „The Big Lebowski“ war er ein vorbestrafter Päderast, in „Jesus Rolls“ wird aus dem Vergehen nun ein Missverständnis: Am Pissoir staunt der Junge über die Größe von Jesus’ Gemächt, der Vater kommt dazu. Und Jesus wandert in den Knast.

Nach seiner Entlassung zu Beginn des Films begibt er sich mit seinem Kompagnon Petey (Bobby Cannavale) sogleich auf eine Odyssee. Lange bleiben sie nicht auf dem Pfad der Tugend: Diebstahl, Einbruch, Flucht vor der Polizei – wie auf einer Perlenschnur reiht sich eine kriminelle Eskapade an die nächste.

Turturro setzt auf die Roadmovie-Dramaturgie

Wo die Coen-Brüder aus dem Film-Noir zitierten und ihre Figuren fröhlich in ein immer verwirrenderes Handlungsgestrüpp führten, setzt Turturro auf eine Roadmovie-Dramaturgie. Die geklauten Autos wechseln so munter wie die Menschen, die auf dem Rücksitz Platz nehmen.

Zur dauerhaften Begleiterin wird die Friseurin Marie (Audrey Tautou). Eine merkwürdige Frauenfigur ist das: nicht sehr helle und auch nicht gerade stilvoll, dafür umso knapper bekleidet. Gegenüber Jesus und Petey erklärt sie, zwar schon mit 374 Männern geschlafen, aber noch nie einen Orgasmus gehabt zu haben. Die beiden geben sich alle Mühe, das zu ändern – vergebens.

Sollte diese Figur einem bekannt vorkommen, liegt es wohl auch daran, dass Marie einer zweiten Vorlage entnommen ist: der Sex-Komödie „Die Ausgebufften“ von 1974, in der sie von Miou-Miou gespielt wird. In diesem Monument des schlechten Geschmacks bahnen sich der junge Gérard Depardieu und Patrick Dewaere ihren Weg durch Frankreich und belästigen, erniedrigen und missbrauchen dabei reihenweise Frauen.

Absurde Irrfahrt

Turturro bleibt erstaunlich nah an Bertrand Bliers Original, übernimmt ganze Dialoge – und sogar die Kleidung. Das Empörungspotential jedoch schwächt er ab. Die Reise von Jesus und Petey ist die absurde Irrfahrt zweier gestriger, letzten Endes harmloser Trottel. Wo die „Ausgebufften“ übergriffig und gewalttätig wurden, reißen die beiden Sprüche, vollführen Tänzchen – und blitzen ab.

Zu Sympathieträgern taugen sie trotzdem nicht, was „Jesus Rolls“ zu einer zähen Angelegenheit macht. Turturro gelingt es nicht, den Geist von „The Big Lebowski“ zu beleben, der damals zwischen den Skurrilitäten immer wieder durchblitzte. Auch der visuelle Witz der Coen-Brüder geht ihm vollkommen ab.

Was der Film jedoch zuhauf bietet, sind Cameos: Christopher Walken als Gefängnisaufseher, Jon Hamm als fieser Friseur, Susan Sarandon als Femme fatale. Sie alle tauchen kurz auf, bevor ein neues Auto geklaut wird und Jesus der nächsten Episode entgegenrollt. Diesmal ist allerdings kaum zu erwarten, dass eine dieser Nebenfiguren in zwanzig Jahren einen eigenen Film bekommt.

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