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Abschiedsgruß. Ali Kaafs Installation „Ich bin Fremder. Zweifach Fremder“ vor der historischen Mschatta-Fassade.

© Jörg von Bruchhausen

Islamische Kunstgeschichte auf der Berliner Museumsinsel: Tor zur Welt

Die Mschatta-Fassade gehört zu den bedeutendsten Objekten der Museumsinsel. Jetzt wird sie umfänglich restauriert. Und das Museum für Islamische Kunst zieht um.

Wie die Spitze eines Eisbergs ragt die Installation von Ali Kaaf aus dem Boden vor der Mschatta-Fassade im Museum für Islamische Kunst. „Ich bin Fremder. Zweifach Fremder“ heißt die Intervention, die aus Anlass des Abbaus, der Restaurierung und des Umzugs der Mschatta-Fassade in das Untergeschoss des Pergamonmuseums noch bis zum 20. Februar zu sehen ist. Dann schließt der Saal, und mit der Zerlegung der frühislamischen Schlossfassade wird begonnen.

Kaaf hat ein Kapitell der Hagia Sophia in Istanbul von unten fotografiert und schräg in den dreieckigen Rahmen positioniert. Dann hat er, typisch für seine Arbeit, Formen aus dem übergroßen Kapitell-Foto geschnitten, die nun den Blick auf die Fassade von Mschatta freigeben. So mischen sich im Auge des Betrachters Farben und Formen, das Schwarzweiß des Fotos und der Ocker der Fassade, die filigranen, aus dem Stein gehauenen pflanzlichen Ornamente des Kapitells mit den Blumen, Tieren und Ornamenten der Fassade.

Die Künstler spielten mit antiken Elementen

Das Dreieck der Intervention ist eine Referenz an das Zickzack-Band, das die Fassade ziert. Dieses Ornament schmückte in der Spätantike höchstens den Rand eines Bauwerks, bei Mschatta ist es aber das strukturierende Element, das die Fassade prägt. „Die Künstler damals haben mit den Elementen der Antike gespielt und etwas Neues geschaffen“, sagt Stefan Weber, Direktor des Museums für Islamische Kunst. Er kennt Ali Kaaf seit 25 Jahren, sie haben beide zur gleichen Zeit in Damaskus und in Beirut gelebt und gearbeitet, dann kam Ali Kaaf zum Studium zu Marwan an die Universität der Künste nach Berlin.

Weber hat Kaaf eingeladen, um noch einmal die Fassade ins Zentrum der Aufmerksamkeit zu setzen, bevor sie zerlegt wird. Die Fassade sei als Geschenk des Sultans Abdülhamid II. an Kaiser Wilhelm II. legal nach Berlin gekommen, sagt Weber. Der jordanische Staat hat vor dieser Kulisse bereits dem Vorderasiatischen Museum für seine Ausstellung „Gesichter des Orients“ 2005 einen Orden verliehen, die Jordanier seien zufrieden mit dem Standort. Und dennoch wirke diese Mauer etwas fremd an diesem Ort. Daher müsse man die Menschen und das Objekt in einen Zusammenhang bringen.

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Ali Kaaf ist der Fremde hier und dennoch zu Hause, die Fassade ist ebenfalls gewandert, fremd hier und dennoch zu Hause. „Wir lassen Künstler aus der Region in den Dialog mit unseren Objekten treten“, sagt Weber. Das sei ein aktiver Beitrag zur Gestaltung der Migrationsgesellschaft. Entscheidend sei die Arbeit auf Augenhöhe.

Die Hagia Sophia ist etwa 200 Jahre älter als die Fassade von Mschatta, die spätantike, byzantinische und sasanidische Einflüsse in sich vereint und damit etwas Neues darstellt, das erste islamische Bauwerk überhaupt und ein Hauptstück der Berliner Museumsinsel.

Es gab auch ehrliches Erkenntnisinteresse der Forscher

Weber ist es wichtig daran zu erinnern, dass diese Fassade zwar auch hier steht, weil sich das Kaiserreich im Wettbewerb mit Paris und London um die prächtigsten Museumsstücke sah. Aber es gab auch das ehrliche Erkenntnisinteresse deutscher Forscher, die islamische Kunst als ein eigenes Genre zu erforschen und die Geschichte dieser Kunst zu vermitteln.

Das Geschenk der Fassade des Schlosses, das im 9. Jahrhundert durch ein Erdbeben zerstört wurde, war 1904 die Keimzelle des Museums für Islamische Kunst, des ersten Museums seiner Art außerhalb der islamisch geprägten Welt. Das Fach Islamische Kunst habe seinen Ursprung in Berlin. Wenn er heute durch Iran oder die Türkei reise, begegne man Berlin und seinem ersten Museumsdirektor Friedrich Sarre immer noch mit Respekt.

Fehlende Mauerteile werden ersetzt

In Zukunft wird die Präsentation noch prächtiger werden. Zwar wird die Fassade nie wieder so hell erstrahlen wie zur Zeit der Umayyaden im 8. Jahrhundert, als sie den Reisenden in der jordanischen Wüste wie eine Fata Morgana vor rötlichem Sand und blauem Himmel vorgekommen sein muss, aber die Dimensionen werden deutlicher. Im Nordflügel bekommt die Fassade 12 Meter mehr Platz, sie wird von jetzt 33 Meter auf 45 Meter anwachsen. So kann auch der Tordurchgang repräsentativer und breiter ausfallen. Fehlende Mauerteile werden behutsam durch Kunststein ersetzt und die restlichen originalen Fassadensteine werden integriert.

Endlich tropft das Dach nicht mehr

„Ich freue mich auf den Umzug“, sagt Weber, „ich freue mich auf ein Dach, das nicht mehr tropft, wir werden einen neuen Zugang zu diesem komplizierten Objekt schaffen und seine Geschichte verständlicher erzählen. Es ist ein schwieriges Monument, das Zeit braucht.“ Dann wird die Wanderschaft zu Ende sein und die Fassade ihren optimalen Platz erhalten haben. Im Oktober 2023 wird das Museum für Islamische Kunst schließen, um 2026 in neuem Glanz wieder zu öffnen.

Bis dahin sollte man noch einmal ins Museum gehen und vorübergehend Abschied nehmen von der Fassade, die letztendlich die Entstehung der Islamischen Kunstgeschichte in Gang gesetzt hat – ein Beitrag, dessen Bedeutung für die islamisch geprägte Welt und Berlin nicht zu unterschätzen ist.

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