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Überlebenskampf. John Krasinski spielt Lee Abbott, der seinen Sohn vor blutrünstigen Monstern retten muss.

© Paramount Pictures

Horrorfilm „A Quiet Place“ im Kino: Wenn jeder Ton tötet

Die Erfolgsserie des Horrorfilms geht weiter: In John Krasinskis schnörkellosem Schocker „A Quiet Place“ wehrt sich eine Familie gegen Aliens.

Von Andreas Busche

Einkaufen mit der Familie: Die Chipstüte bleibt im Regal, auch die Batterien des Spielzeugautos. Das strenge „Nein“ der Eltern, unterstrichen mit einer resoluten Handbewegung, ist allerdings keine pädagogische Maßnahme, sondern schierer Überlebensinstinkt. Lautlos schleicht die Familie durch den kleinen Supermarkt, nur das Nötigste landet im Einkaufskorb. Als die Eltern (John Krasinski, Emily Blunt) und ihre drei Kinder, der vierjährige Beau (Cade Woodward), der elfjährige Marcus (Noah Jupe) und Teenager-Tochter Regan (Millicent Simmonds), auf die Straße treten, empfängt sie draußen dröhnende – Stille. Die Welt wirkt wie ausgestorben, Überreste einer ehemals intakten Zivilisation säumen die Straßenzüge der verschlafenen Kleinstadt in Upstate New York.

John Krasinskis dritte Regiearbeit „A Quiet Place“ etabliert gleich mit seiner Eröffnungssequenz ein allzu vertrautes postapokalyptisches Szenario: Eine Zeitungsschlagzeile gibt einen vagen Hinweis, dass irgendetwas die Menschheit dahingerafft hat. Doch das wirklich Beunruhigende dieser ersten Minuten ist die bedrückende Stille und die böse Vorahnung, dass schon das geringste Geräusch tödliche Konsequenzen haben könnte. Krasinski und Blunt, auch im wahren Leben verheiratet, spielen die alerten Eltern im permanenten Survivalmodus. So ist, als mitten im Wald plötzlich das Spielzeug des Jüngsten die Stille durchschneidet (der Kleine hat die Batterien heimlich mitgehen lassen), bereits klar, dass dieser Ausflug nicht glimpflich ausgehen wird – eine gefühlte Ewigkeit, bevor eine blitzschnelle Kreatur sich, zum blanken Entsetzen der Eltern, den Jungen schnappt.

Wenn die Nation kriselt, feiert der Horrorfilm Erfolge

Es verrät einiges über die Befindlichkeiten Amerikas, wenn gerade ein Horrorfilm nach dem anderen die US-Charts stürmt. Im vergangenen Jahr widerlegte die Rassismus-Satire „Get Out“ alle Performance-Prognosen an den Kinokassen, im Sommer wurde die Stephen-King-Verfilmung „Es“ dann zum erfolgreichsten Horrorfilm aller Zeiten – gewissermaßen als Replik auf den Horrorclown im Weißen Haus – und vergangenes Wochenende verdrängte „A Quiet Place“ mit „Black Panther“ den bisher einzigen Blockbuster des Jahres, der die kommerziellen Erwartungen übererfüllte, von der Spitze der Kinocharts. Auch „Black Panther“ hat in den USA ja bereits einige tiefgründige politische Essays nach sich gezogen. Es ist kein Zufall, dass sich der unterschätzte Horrorfilm wieder mal als Trumpfkarte Hollywoods bewährt. Wenn die Nation kriselt, ist der Horror zum Greifen nah. Die letzte große Welle mit degenerierten Schlitzern und prekären Zombies erlebte das US-Kino in den siebziger Jahren, zur Hochzeit von Vietnam und Watergate.

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Die Vorzüge des Horrorfilms kann man an „A Quiet Place“ besonders schön studieren, man muss dazu nicht einmal die Politik bemühen. Krasinski erweist sich als profunder Kenner der Genremechanik – was auch schon für Jordan Peeles „Get Out“ galt. „A Quiet Place“ etabliert früh, worum es sich bei der Bedrohung handelt und wie man sich ihrer erwehren kann. Der Film spielt ein Jahr nach Beaus Tod, Evelyn ist wieder schwanger. Die offensichtliche Frage, wie man ein Baby in einer Welt großzieht, in der schon das leiseste Geräusch tödlich sein kann, schwingt ständig mit – die Antwort ist so pragmatisch wie genial. Seine Suspense bezieht „A Quiet Place“ aus dem Problem, wie man mit dieser Einschränkung im Alltag umgeht.

Blutrünstige Aliens sind nichts gegen die Pubertät

Die Abbotts haben sich in völliger Stille in einer Waldhütte eingerichtet und die Organisation ihrer Familie entsprechend angepasst. Sie verständigen sich in Zeichensprache, was sie vermutlich ihr Leben lang getan haben, denn Regan ist taubstumm. Ihrem Handicap in einer geräuschlosen Welt verdankt der Film seine denkwürdigsten Horror-Momente. Der Teenager befindet sich in seiner Trotzphase, blutrünstige Aliens – fleischgewordene Mandelbrot-Fraktale voll pulsierender Muskeln und zahnbewehrter Körperöffnungen – sind nichts gegen die Pubertät.

„A Quiet Place“ handelt im Prinzip also davon, wie man seinen Kindern gute Eltern sein kann, während es tatsächlich ums blanke Überleben geht. Kein Wunder, dass Krasinski – Trump hin, Trump her – einen Nerv beim Publikum getroffen hat. Sein Film ist dabei so effizient inszeniert wie ein B-Movie (knapp 90 Minuten), mit prächtig obszön-schleimigen Monstern und den schönsten stummen „Jump Scares“ der Filmgeschichte.

In 18 Berliner Kinos; OV: Karli Neukölln, Cinestar Sony-Center, Rollberg, Colosseum, Kinowelt Friedrichshain

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