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Mutterinstinkt. Ein Besuch im Baumarkt mit Sohn Nathan (Elia Gezer) endet für Marta (Susanne Wolff) mit einem kurzen Schock.

© WDR/arte/Martin Rottenkolber

„Geborgtes Weiß“ im Kino: Der Fremde in meinem Haus

Eine heile Welt bricht aus den Fugen: „Geborgtes Weiß“ von Sebastian Ko ist ein Familien-Thriller mit subtilen politischen Untertönen.

Der Wald steht still, ein Bohlenweg führt durch die Sümpfe in diesem Niemandsland von einem Schauplatz. Das Haus am Waldrand ist in die Jahre gekommen, ein Märchenhaus mit verschlissenem Interieur, das der Essayist Roland (Ulrich Matthes) geerbt hat.

Als altlinker Bourgeois hat er viel Zeit, um über die Ungerechtigkeit in der Welt nachzudenken, denn er muss nur sehr gelegentlich mal in die Redaktion. Ansonsten hört er gerne klassische Musik, wenn er nicht gerade aus dem Fenster schaut, um zu sehen, ob Marta (Susanne Wolff) und ihr Sohn Nathan (Elia Gezer) nach Hause kommen.

Sie sind mir zugelaufen, sagt er in jovial-selbstironischem Ton zu den Freunden, die abends zum Entenbraten kommen. Marta arbeitet als Frauenärztin in einer Geburtsstation, sie war mal zwei Jahre in Albanien tätig. Abends liest sie Nathan aus „Der kleine Prinz“ vor, während Sternenlichter über dem Kinderbett kreisen. Eine Patchworkfamilie, man hat sich eingerichtet in der splendid isolation. „Ich vermisse dich“, sagt Roland, als Marta ihm den verspannten Rücken eincremt, sie erwidert nur: „Ich bin doch da“.

Es beginnt damit, als Marta und Nathan durch einen Baumarkt laufen, und man weiß sofort, hier stimmt etwas nicht. Sie brauchen ein Abflussrohr, das Waschbecken im Bad ist kaputt. Auf einmal ist Nathan wie vom Erdboden verschluckt. Martas zunächst arglosen Rufe, die aufkommende Sorge, dann Panik, ihr Umherirren zwischen den Regalen, so könnte ein böser Krimi beginnen, aber es ist nur ein kurzer Schock.

Regisseur Sebastian Ko – Absolvent der Filmuniversität Babelsberg, zwei Spielfilme, einige „Tatorte“ seit 2015 – und Kameramann Andreas Köhler erzeugen eine latent bedrohliche Atmosphäre. Der Thriller-Touch ist von Anfang an da.

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Plötzlich steht ein junger Mann vor der Mutter, mit Nathan an seiner Seite. Bald taucht er im Haus am Waldrand auf, bietet an, das Bad zu renovieren und nistet sich ein im Leben der Kleinfamilie. Es ist Valmir, ein Wanderarbeiter aus Albanien, er wird zunehmend übergriffig, während Marta sich in Widersprüche verstrickt.

Die Dazwischenkunft eines Fremden, der eine heile Welt aus den Fugen bringt, von der sich herausstellt, dass sie niemals heil war: ein klassischer, immer wieder schlüssiger Plot. Das Drehbuch stammt von Karin Kaçi. „Geborgtes Weiß“: Schon der Filmtitel deutet an, dass hier ein finsteres Geheimnis übertüncht wird. Es hat mit Nathan zu tun, und natürlich kommt es am Ende ans Licht.

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ifersucht, Misstrauen, Notlügen, Selbstbetrug: Susanne Wolff („Styx“) und Ulrich Matthes – beide vor allem große Theater-Schauspieler – verstehen es, mit subtiler Durchlässigkeit zwei Menschen zu verkörpern, die in sich gefangen sind und doch zugewandt wirken, einander wie den anderen um sie herum.

[In Berlin im Klick Kino]

Sie wahren die Fassung, während hinter der Fassade des generösen Wohlstands-Humanismus Ressentiments, Rassismus und Egoismus zum Vorschein kommen.

Auf je eigene Weise betreiben sie Besitzstandswahrung um jeden Preis, Gewalt bricht sich Bahn, eine Wahrheit mit mörderischen Folgen. „Geborgtes Weiß“ ist Genrekino mit politischem Anspruch, manchmal etwas hilflos in Szene gesetzt, manchmal etwas angestrengt mit einem dramatischem Streicher-Soundtrack von Frans Bak. Die Schuld wird am Ende nicht beglichen, keine Katharsis, immerhin.

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