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Feiernde im Cassiopeia auf dem Berliner RAW-Gelände (natürlich vor Corona...).

© Sophia Kembowski/dpa

Clubs künftig Kulturstätten: „Selbst CDU-Abgeordnete sprechen mittlerweile über Clubs“

Raven wird immer mehr zum Mainstream. Das hat auch der Bundestag verstanden und fordert die Bundesregierung auf, die Baunutzungsverordnung anzupassen.

Anstehen, abgewiesen werden, Raven, Schwitzen, ein betrunkenes Gespräch auf der Tanzfläche: Das ist fortan mehr als schlichtes Vergnügen, sondern eher eine Aktivität auf kulturellem Grund. Clubs sollen künftig baurechtlich als Kulturstätten anerkannt werden. Der Bundestag hatte am vergangenen Freitag die Regierung mehrheitlich dazu aufgefordert, die Baunutzungsverordnung entsprechend anzupassen.

Mit der geplanten Änderung sollen Clubs und Livespielstätten den gleichen Stellenwert wie Theater, Museen oder Konzerthäuser bekommen. Philharmonie und Cassiopeia genießen dann gleiches Ansehen. Das könnte Clubs in Zukunft helfen, Räume in urbaner, belebter Lage und Wohngebieten anzumieten. In der Baunutzungsverordnung werden Clubs bisher als Vergnügungsstätten eingestuft, ebenso wie Spielhallen, Wettbüros, Sex-Kinos oder Bordelle.

Das heißt, sie sind ausschließlich in Kern- und Gewerbegebieten zulässig. Diese liegen häufig am Stadtrand oder in ausgestorbener Innenstadtlage. Dort, wo wenige Menschen wohnen. „Das Problem an Kerngebieten ist, dass da meistens auch die höchsten Mieten verlangt werden“, sagt Lutz Leichsenring von der Clubcommission. Die Friedrichstraße in Berlin sei so ein Standort. „Deswegen sind ganz viele innerstädtische Musikspielstätten sehr kommerziell, denn das sind die Einzigen, die das bezahlen können.”

Vergnügungsstätten haben einen schlechten Stand in der Stadtentwicklungspolitik. Sie gelten als Einrichtungen, die verzichtbar sind, unterliegen der Annahme, lediglich von einer kleinen Gruppe genutzt zu werden, laut und dreckig zu sein. Leichsenring beschreibt ein Beispiel aus Pankow: „Da gab es in einem Gewerbegebiet einen Club, eine Bowlinghalle und ein Kasino.“

Das Bauamt habe die Eröffnung eines weiteren Clubs abgelehnt. Die Begründung lautete, dass es bereits drei Vergnügungsstätten gebe. Zudem sind in den vergangenen Jahren viele Einrichtungen verdrängt worden. Griessmühle, Rosi’s oder Jonny Knüppel sind nur einige Beispiele für Musikclubs, die die Stadtentwicklung nicht überlebt haben.

Clubkultur wird für die Politik immer entscheidender

„So hat man jetzt eine deutlich höhere Flexibilität in der Stadt, Räume zu finden und es wird einfacher, eine Genehmigung zu bekommen“, sagt Leichsenring. Er hofft, dass die Anerkennung weiter wächst und Clubs künftig finanziell besser unterstützt werden.

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Bislang hat die geplante Änderung nämlich nicht zur Folge, dass die Einrichtungen automatisch ein Anrecht auf Kulturförderung haben. „Was wir beschlossen haben, bezieht sich nur auf das Baurecht“, sagt Caren Lay, Bundestagsabgeordnete der Linken und Mitglied des Parlamentarischen Forums Clubkultur. „Das war nur indirekt eine kulturpolitische Entscheidung.“ Somit sind auch keine Änderungen im Betriebsablauf zu erwarten, ein Ende der Türsteher-Ära bleibt aus.

Die Chancen stehen aber gar nicht schlecht, dass noch einige Neuerungen auf die Szene zukommen. „Das Thema Clubpolitik hat eine unglaubliche Karriere gemacht in den vergangenen eineinhalb Jahren“, sagt Lay. Selbst CDU–Abgeordnete würden mittlerweile darüber sprechen. Das liege natürlich auch daran, dass Raven immer mehr zum Mainstream werde.

Ob und wann die Bundesregierung dem Antrag des Bundestags nachkommt, ist noch unklar. Caren Lay ist jedoch optimistisch. „Deutlich mehr Menschen kommen nach Berlin, um ins Berghain zu gehen, als um die Staatsoper zu besuchen.“

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