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Vor dem Philharmonie-Konzert am 20. März wurden 500 Ticket-Besitzer im Kammermusiksaal getestet.

© Stephan Raubold

Berliner Pilotprojekt Testing: Zwölf Minuten extra

Erst testen, dann ins Konzert: Die Philharmonie stellt Zwischenergebnisse des Berliner Pilotprojekts vor. Bisher lief es reibungslos - aber die Kultur mit Test kostet.

In der Deutschen Oper kann man sich jetzt ein Stäbchen in die Nase schieben lassen: Ein Teil der Garderobenhalle wurde zum Testzentrum umfunktioniert. Die Nachricht hat einen bitteren Beigeschmack, denn die für Ostern geplante Premiere von „Francesca da Rimini“ vor Publikum muss ausgesetzt werden. Die Politik hat entschieden, dass die Fortsetzung des „Berliner Pilotprojekts Testing“ von 1. bis 5. April pausiert. Nur der Clubabend im Säälchen in Friedrichshain findet an diesem Samstag noch statt. Mit gebremstem Spaßfaktor: DJs legen vor gesetztem Publikum auf, Tanzen ist noch nicht drin.

Die für nächste Woche gecancelten Premieren sollen immerhin zeitnah in den beiden Wochen nach Ostern nachgeholt werden – aber das allerletzte Wort hat wohl der Senat. Das betrifft neben der Deutschen Oper auch die „Figaro“- Premiere in der Staatsoper mit Daniel Barenboim. Nur die Armin-Petras-Uraufführung „Come as you are“ wurde abgesagt, jedenfalls im Rahmen des Pilotprojekts. Aus dispositionellen Gründen, heißt es aus der Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz.

Trotzdem, es ist Bergfest beim Kultur-mit-Test-Pprojekt, nach zwei Abenden am Berliner Ensemble, dem Philharmoniker-Konzert mit Kirill Petrenko am 20. März, einem Programm im Kleinen Saal des Konzerthauses und einer VisitBerlin-Veranstaltung im Estrel. Deshalb wurden am Freitag Zwischenergebnisse für den Philharmonie-Termin vorgestellt, online versteht sich. Intendantin Andrea Zietzschmann freut sich über die positive Resonanz auf das Experiment eines „kreativen, konstruktiven, verantwortlichen Umgangs mit der Pandemie“. Alle Projektveranstaltungen waren binnen Minuten ausverkauft, in der Philharmonie gab es bei 1000 Tickets nur 43 No-Shows – weniger als sonst. Das Durchschnittsalter der Konzertbesucher betrug 45 Jahre – niedriger als sonst. Manch einer kam wohl zum ersten Mal: 178 Besucher:innen gehörten nicht zu den bisher im System erfassten Gästen. Was daran liegen mag, dass Online-Tickets und Testanmeldung eine hohe Internetaffinität voraussetzen.

Testen als die Überbrückungstechnologie auf dem Weg Richtung Regelbetrieb, bis genügend geimpft ist: Für dieses Szenario werben alle Podiumsteilnehmer:innen. „Einlass- und Testprozess lassen sich zumutbar kombinieren“, resümiert Marko Hegner von der am Projekt beteiligten Goodlive Gmbh (die auch das Lollapalooza Festival ausrichtet). Laut dem Hygieneexperten Florian Kainzinger dauerte es bei der zentralen Testung vor dem Philharmonikerkonzert gut zwölf Minuten vom Check-in bis zur Übermittlung des Ergebnisses; pro Minute konnten zehn Personen „bedient“ werden.

Wer bezahlt's? Mindestens 20 Euro mehr kostet ein Kulturbesuch mit Test

Die 500 Besucher, die vor Ort im Kammermusiksaal getestet wurden, waren überpünktlich, das Konzert begann ohne Verzögerung. Alle wurden negativ getestet, auch die 500 Gäste, die vorher dezentrale Teststellen aufgesucht hatten. Auch für den Datenschutz war gesorgt: Befunde und Ticketdaten blieben strikt getrennt. Und die Akzeptanz der Hygieneregeln war höher als im Herbst, so Andrea Zietzschmann.

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Und der Kostenfaktor? 680 Testungen vor Ort (Publikum und Mitarbeiter) kosteten 23.000 Euro, 35 Euro pro Person. Ein Preis, der sich bei optimiertem Vorgehen auf 20 Euro senken ließe. Wobei auch die verstärkte Einlasskontrolle zu Buche schlägt, sie erfordert mehr Personal.

 Kultursenator Klaus Lederer zeigt am Einlass der Philharmonie sein Ticket und seinen negativen Schnelltest.
Kultursenator Klaus Lederer zeigt am Einlass der Philharmonie sein Ticket und seinen negativen Schnelltest.

© dpa/Annette Riedl

Bleibt die Frage, wer das in den Monaten bis zum Herbst oder Winter bezahlt, falls das Projekt Schule macht. Susanna Kunz von der Kulturverwaltung, hofft auf eine breite Vernetzung mit den derzeit 145 dezentralen Teststellen, einschließlich einer möglichst einheitlichen digitalen Bereitstellung der Ergebnisse, damit die Veranstalter sie verlässlich bei den Besuchern überprüfen können.

Ein Weg weniger: Die Mehrzahl bevorzugt eine Testung vor Ort

Zwar würden 73 Prozent des Philharmonie-Publikums eine zentrale Testung bevorzugen, schon um sich einen Weg zu sparen. Aber kleinere Häuser wie das BE haben keine räumlichen Kapazitäten dafür. Und wer dezentral bei der Teststelle zuhause um die Ecke ein positives Ergebnis erhält, macht sich dann gar nicht erst auf den Weg, wo er im Bus oder der U-Bahn andere infizieren könnte.

Wie geht es weiter mit und nach dem "Pilotprojekt Testing"? Hegner hofft auf die Luca-App als effizientes Tool für den Informationstransfer. Alle hoffen auf die vom Robert-Koch-Institut seitens der Politik angeforderte Klärung der Frage, inwiefern Geimpfte und Genesene noch Virus-Überträger sein können. Dann könnte, mit Blick auf Israel, ein Corona-Pass-Szenario entwickelt werden. „Kosten senken, Prozesse optimieren, Impfanreize setzen“, nicht zuletzt durch die Kultur, das seien die nächsten Schritte, so Florian Kainzinger. Dann müsse auch nicht bei einer 50-prozentigen Saalauslastung Schluss sein.

Trotz gerade rasant steigender Inzidenzzahlen spricht Marko Hegner optimistisch davon, dass wir den „Eventsommer noch nicht abschreiben“ sollten. Und noch eine gute Nachricht: Wer sich auf dem Weg zum Kulturabend im Nahverkehr infiziert, gefährdet keinen im Saal. Ansteckend ist man frühestens zwei Tage später.
Die Details des Zwischenergebnisses zum Pilotprojekt finden Sie hier: www.berliner-philharmoniker.de

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