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Die Walküren in der Beautyfarm: Stephanie Houtzeel (l-r) Kelly God, Katie Stevenson und Daniela Köhler in Valentin Schwarz' Inszenierung.

© dpa/Bayreuther Festspiele/Enrico Nawrath

Bayreuther Festspiele: Wotan hat einen Bühnenunfall

In „Die Walküre“ kommt es zu einem Zwischenfall. Und zum ersten Buhsturm. Eindrücke von Teil Zwei des neuen Bayreuther „Rings“.  

Da war’s Wotan Nummer Drei. Das geschieht dann doch selten in Bayreuth: Nachdem Tomasz Konieczny in der Rolle des Göttervaters im zweiten Aufzug der „Walküre“ vom Sessel gekippt war, verkündete Pressesprecher Hubertus Hermann dem überraschten Publikum nach der Pause, es habe sich um einen Bühnenunfall gehandelt.

Dabei sah es gar nicht so aus: In Valentin Schwarz‘ „Ring“-Inszenierung geht öfter mal Geschirr zu Bruch, die Walhall-Bewohner werfen gelegentlich mit Stühlen um sich, und Wotan hatte auf die unter ihm zusammenbrechende Sitzgelegenheit mit effektvollem Wutschnauben reagiert. Aber es war keine Regie-Idee, sondern ein offenbar defektes Requisit.

Tomasz Konieczny singt einfach weiter, etwa eine Stunde noch, seiner Stimme ist nichts anzumerken. Dennoch geht es nicht mehr, verletzungsbedingt. Den dritten und letzten, mit besonders vielen Wotan-Soli gespickten „Walküre“-Aufzug übernimmt Michael Kupfer-Radecky, der eigentlich erst als Gunter in der „Götterdämmerung“ auftritt.

Kupfer-Radecky springt sängerisch wie schauspielerisch ein, und auch er macht seine Sache gut. Mit Egils Silins Wotan im „Rheingold“ summiert sich das auf bisher drei Wotans (mit den zwei schon im Vorfeld abgesprungenen Sängern Günther Groissböck und John Lundgren sogar auf fünf). Mal sehen, wer nun am Mittwoch den zum Wanderer mutierten Gott im „Siegfried“ verkörpert. Tomasz Konieczny sei vor allem gute Besserung gewünscht.

So oder so steigert sich der von Cornelius Meister dirigierte neue Bayreuther „Ring“ in musikalischer Hinsicht. Am zweiten Abend der von Schwarz als Familiensaga angelegten Tetralogie ist im Festspielhaus endlich veritabler Wagner-Gesang zu hören, allen voran von Klaus Florian Vogt und Lise Davidsen als Siegmund und Sieglinde.

Die Walküren, diese Powerfrauen, lassen sich liften? Dem Publikum gefällt das gar nicht

Auch aus dem Orchestergraben weht es einen merklich zauberischer an als im „Rheingold“. Sublime Klänge blühen auf, das Cello singt, zumal zu Beginn unter der Weltesche, dem ohnehin kammermusikalischsten Teil des "Rings".

Was die Regie betrifft, kippt am Ende des Abends erstmals die Stimmung. Die Walküren als affektierte Schönheitschirurgie-Patientinnen in der Luxusklinik, das nimmt sich wie ein sexistischer Verrat an den berühmtesten Powerfrauen der Operngeschichte aus. Warum muss für den gewaltigen Feuerzauber in der Musik visuell ein schnödes Kerzlein auf Frickas Teewagen herhalten? Und wieso ist Sieglinde schon schwanger, als sie auf ihren Zwillingsbruder Siegmund trifft, wo sie im Wagner-Original doch erst mit ihm den Helden Siegfried  zeugt? Der „Ring“ ohne Inzest? Es bleibt spannend in der Family-Soap auf dem Grünen Hügel. Morgen mehr dazu.

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