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Magisch. Einband der Erstausgabe von „Mario und der Zauberer.

© Spiekermann-Klaas

Ausstellung in der Casa di Goethe: Vertanzte Sommerfrische

Die Casa di Goethe in Rom entdeckt Verbindungen zwischen Thomas Mann und Luchino Visconti.

Goethe, Thomas Mann, Luchino Visconti – ganz unverhofft geraten sie dieser Tage (wieder) zusammen: in der römischen Casa di Goethe, Via del Corso 18. Dort, wo Johann Wolfgang Goethe sich 1786 als deutscher Maler Filippo Miller auf seiner Italienischen Reise beim echten Malerfreund Johann Heinrich Tischbein eingemietet hatte, pseudonym, um den Fans seines in ganz Europa verbreiteten „Werther“-Romans zu entgehen.

Die Ausstellung heißt „Mario und der Zauberer – Thomas Mann und Luchino Visconti erzählen vom faschistischen Italien“, was ein wenig strenger klingt, als es sich für alle darstellt, die beispielsweise als Osterurlauber in Rom nicht nur den Papst erleben wollen. Zumal für Besucher, die noch nie in jener zentral gelegenen Casa di Goethe waren – die sich als „einziges deutsches Museum im Ausland“ bezeichnen darf.

Von Goethe zu Mann, von Mann zu Visconti

Wie kommt es nun zu der doch prima vista überraschenden Dreiheit? Thomas Mann hatte sich als Repräsentant der deutschen Literatur und gleichsam lebender Klassiker immer auch im Lichte und in der Nachfolge von Goethe gesehen. Davon zeugen nicht nur der Roman „Lotte in Weimar“ oder der Subtext seines „Doktor Faustus“. Zu Mann wiederum und zum deutschen Wesen mit allen Höhen und Abgründen fand sich der italienische Regisseur Luchino Visconti zeitlebens hingezogen: Jeder Cineast kennt Viscontis Verfilmung von „Tod in Venedig“, seine Filme über Ludwig II. oder jene dämonisch-teutonisch-faschistische Industriellensippe mit dem Krupp-nahen Namen von Essenbeck („Die Verdammten“).

Die in Rom lebende Germanistin und Übersetzerin Elisabeth Galvan, die unlängst erst Thomas Manns frühes Drama „Fiorenza“ (über Savonarola, die Medici und die florentinische Renaissance) in der deutschen Mann-Gesamtausgabe editiert hat, ist als Kuratorin auf eine kaum bekannte unmittelbare Verbindung zwischen Mann und Visconti gestoßen.

1930 hatte Thomas Mann seine kleine Erzählung „Mario und der Zauberer“ publiziert. Sie handelt von Sommerferien des Erzählers im fiktiven toskanischen Seebad Torre di Venere. Eine „afrikanische Hitze“ und unangenehm nationalistische Töne der italienischen Strandurlauber drücken auf die Stimmung; alles gipfelt in der abendlichen Vorstellung eines Zauberkünstlers, der als bucklichter Dämon und peitschenschwingender Dompteur sein Publikum behext und den mit den Kindern des Erzählers befreundeten jungen Café-Kellner Mario wie ein Diktator demütigt. Worauf Mario am Ende, aus der Hypnose erwacht, den Magier niederschießt.

Visconti und Mannino bangen vor Manns Urteil

Die Novelle von 1930, die auf Erlebnissen der Familie Mann im Seebad Forte dei Marmi von 1926 beruhte, liest sich als Metapher und Menetekel der damaligen Mussolini-Herrschaft und konnte in Italien erst nach Kriegsende 1945 erscheinen. Der 45-jährige Visconti verfasste dann im Sommer 1952 zusammen mit dem Komponisten Franco Mannino, seinem Schwager, das zweiaktige Ballett „Mario e il mago“. Im April 1953 war Thomas Mann nach Rom eingeladen, und Visconti und Mannino zeigten dem deutschen Großmeister ihr Werk am Rande eines Empfangs. Mann, der recht gut Italienisch und auch Noten lesen konnte, überflog das 15-seitige Libretto mitsamt der Partitur und sagte, nach kurzer Weile, zu den zwei bang und bleich Wartenden (wie Mannino berichtet): „Bravo! Ich befürchtete, Sie hätten in expressionistischem Stil komponiert; ich bin froh, dass Sie es nicht getan haben. Niemals Expressionismus in meinen Arbeiten!“

Das Ballett wurde im Februar 1956 an der Mailänder Scala von Visconti uraufgeführt, ein halbes Jahr nach dem Tod des Original-Autors. Nun, im 60. Todesjahr und 140. Geburtsjahr Thomas Manns sowie 70 Jahre nach Kriegsende und der italienischen Erstausgabe, zeigt die kleine Ausstellung in der Casa di Goethe historische Fotos der Aufführung, Szenenbilder, Bühnenskizzen, ein Video. Und man hört Manninos Musik, dazu Erinnerungen an Mann, Italien und Visconti. Ferner gibt es einen ausgezeichneten deutsch-italienischen Katalog.

Und wer durch die 2012 neu eröffneten Räume der einstigen Goethe-Wohnung des innen modernisierten, aber noch von alten Holzdecken getragenen Hauses aus dem 16. Jahrhundert geht, bekommt in der Dauerausstellung der Casa auch noch eine Menge JWG mit: bis hin zu Andy Warhols (originalem) Goethe-Porträt „after Tischbein“.

„Mario und der Zauberer“ bis 26. April. Casa di Goethe, Rom, Via del Corso 18. Di- So 10 bis 18 Uhr. Eintritt 5 Euro, Katalog 8 Euro. Weitere Infos: www.casadigoethe.it

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