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Joel Rovira, Ainet Jounou und Isaac Rovira

© Lluis Tudela

„Alcarràs“ im Wettbewerb der Berlinale: Letzter Sommer, letzte Ernte

Wildwest im katalanischen Hinterland: In Carla Simóns Sozialdrama „Alcarràs“ verliert eine Bauerfamilie ihre Pfirsich-Plantage.

Die Welt, das ist ein Wäldchen. Hunderte Pfirsichbäume, gepflanzt in Reih und Glied und mittendrin duckt sich ein Haus samt Swimmingpool. Seit drei Generationen lebt die Familie Solé im katalanischen Hinterland vom Obstbau, eine Knochenarbeit, die immer weniger einbringt. Nun droht die Zwangsräumung. Die spanische Regisseurin Carla Simón erzählt in ihrem Wettbewerbsbeitrag „Alcarràs“ – benannt nach der nächstgelegenen Kleinstadt – eine David-gegen-Goliath-Geschichte. Nur dass Goliath gewinnt. Denn die Solés besitzen keinen Pachtvertrag mit den Großgrundbesitzern der Pinyols. Das Land durften sie nutzen, weil sie deren Vorfahren im Bürgerkrieg versteckten.

Der neue Sonnenkönig

Simón bemüht sich um größtmöglichen Realismus. Ihren zweiten Spielfilm nach dem Festival-Erfolg „Fridas Sommer“ (2017) hat sie mit Laiendarstellern auf Katalanisch gedreht. Manche Motive erinnern an einen Western, etwa wenn das Pinyol-Oberhaupt mit einem Cowboyhut auftritt. Den „neuen Sonnenkönig“ nennen sie ihn, weil er Obstgärten planieren lässt, um Solarpaneele aufzustellen. Anfangs räumt ein Bagger das Autowrack ab, in dem die Kinder spielten, später rücken wie in einem Feldzug immer größeren Maschinen auf das Grundstück vor.

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Ein letzter Sommer, eine letzte Pfirsichernte bleibt den Solés. Der sturköpfige Vater hat ein paar Kohlhaas-Momente. Den Sonnenkollektor, den er wutentbrannt vom Schuppen reißt, muss er später wieder aufhängen, weil Kerzenlicht auch keine Lösung ist. Mit großer Zärtlichkeit blickt Simón auf die Großfamilie, ihre Kämpfe, Zwistigkeiten, Versöhnungen.

[16.2., 12 Uhr (Cubix 9) 17.2.,14.30 Uhr (Urania), 19.2., 20.30 Uhr (Berlinale Palast), 20.2., 11 Uhr (Cubix 6 & 5)]

Rührend ist es, wenn der Großvater mit den Enkeln ein Bürgerkriegslied singt, mit dem Refrain „Fester Boden, geliebte Heimat“. Die Kinder sind das anarchische Zentrum des Films, sie bewerfen sich mit Salatköpfen und trauern um die Kaninchen, die von den Erwachsenen erschossen wurden. „Alcarràs“ baut eine Spannung auf, die sich dann aber nicht entlädt. Eine Trecker-Demo der Bauern für „faire Preise“ endet kläglich mit zermatschten Früchten auf der Straße.

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