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Die gehörlose Regan (Millicent Simmonds) ist eine etwas andere Actionheldin.

© Paramount

„A Quiet Place 2“ im Kino: Größer als King Kong und Godzilla

Das Sequel „A Quiet Place 2“ ist der erste Blockbuster nach der Pandemie. Regisseur John Krasinski findet neue Bilder für das Genre des Endzeit-Horrors.

Stille im Kino kann etwas sehr Effektvolles sein. „A Quiet Place 2“ kennt gleich mehrere Abstufungen: Da ist zum einen die Stille, in der die Grillen noch zirpen, der Sand unter den Füßen der Figuren knirscht und jeder Atemzug hörbar ist. Die Geräuschkulisse nach der Alien-Apokalypse: Die außerirdischen Viecher, die wie eine Kreuzung aus Gottesanbeterin und dem Marvel-Bösewicht Venom aussehen, verfügen über ein extrem gutes Gehör. So bewegt sich Evelyn (Emily Blunt) wie in Zeitlupe durch eine Welt, in der jeder Laut ihr letzter sein könnte.

Doch der Film hält eine noch vollkommenere Art der Stille bereit, ein drückendes Nichts auf der Tonspur. Sie macht sich im Kino breit, wenn die gehörlose Regan (Millicent Simmonds), Evelyns jugendliche Tochter, auf einer Lichtung erwacht, und ihr Hörgerät verschwunden ist. So absolut wie diese Stille ist auch das Gefühl des Ausgeliefertseins. Jeden Moment könnte ein Alien aus dem Dickicht hervorbrechen, Regan würde es nicht merken.

Eigentlich hätte „A Quiet Place 2“, die Fortsetzung des Überraschungserfolgs von 2018, bereits im vergangenen Jahr in die Kinos kommen sollen. Nach dem Lockdown wurde der Start mehrfach verschoben. Studios wie Disney, Universal und Warner boten ihre neuen Filme zwischenzeitig auf ihren Plattformen an, Paramount jedoch hielt – wie auch beim kommenden James Bond – an einer Erstverwertung im Kino fest. Angesichts des für Hollywood-Verhältnisse moderaten Budgets von rund 60 Millionen Dollar ist das durchaus überraschend, viel hätte das Studio nicht zu verlieren gehabt. Nun startet John Krasinskis Film tatsächlich mit 15 Monaten Verspätung in den Kinos und ruft in Erinnerung, welche Macht vom kollektiven Filmerlebnis ausgeht.

Der tödliche Schuss bringt keine Erlösung

Im ersten Teil übernahm Krasinski auch die Rolle des Familienvaters, diesmal taucht seine Figur nur in einer Rückblende auf. Dennoch bleibt das Sequel sein Werk: Krasinski führt erneut Regie, das Drehbuch stammt von ihm. Seine Frau Emily Blunt spielt wieder die Hauptrolle, in der sie nach dem Tod ihres Mannes die Familie allein gegen die Invasoren verteidigen muss. „A Quiet Place 2“ erzählt die Geschichte der Familie Abbott da weiter, wo der erste Teil endete. Evelyn zieht mit ihren drei Kindern durch die Wildnis, auf der Suche nach einem neuen Unterschlupf.

Dort stoßen sie auf einen alten Freund (Cillian Murphy), der ebenfalls seine Familie verloren hat und wenig begeistert ist über den Besuch. Erst als Regan eine Idee hat, wie die Kräfteverhältnis zwischen Mensch und Alien ausgeglichen werden könnten, erklärt er sich bereit zu helfen.

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Vieles an „A Quiet Place 2“ ist aus dem Original bekannt – das Aussehen der Invasoren, ihre Schwachstellen. Die Perfidie von Krasinskis Prämisse besteht darin, dass der tödliche Schuss nie die finale Erlösung bringt. Jedes Geräusch alarmiert die Artgenossen, die wie Furien herangerauscht kommen; der Knall ist immer wieder ein Startschuss für eine neue Jagd. So bekommt „A Quiet Place 2“ einen Herzschlag.

Die Dystopie mutet idyllisch an

Der Film schwillt auf und ab, durch die extremen Wechsel von Lautstärke und Tempo spürt man ihn geradezu körperlich. Die Atempausen nutzt Krasinski, um seine Figuren zu erzählen. Ins Zentrum rückt zunehmend Regan, gespielt von der gehörlosen Millicent Simmonds. Sie wird, an der Seite der wehrhaften Blunt, zu einer unkonventionellen Actionheldin.

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Dem Regisseur ist es gelungen, eine eigene Handschrift im Genre des Endzeit-Horrors zu etablieren. Das liegt zum einen daran, dass auch „A Quiet Place 2“ frei ist von übermäßigen Brutalitäten . Vor allem aber zeigt Krasinski diese postapokalyptische Welt einmal nicht in ausgebleichten, monochromen Bildern. Kamerafrau Polly Morgan taucht sie in satte Farben: Die Sonne fällt auf die rotleuchtenden Mauern der Backsteinruinen, nachts hängt der Nebel in dicken Schwaden über den menschenleeren Straßen. Da mutet die Dystopie beinahe idyllisch an, so still und radikal entschleunigt. Wobei die Ruhe doch nur dem Überlebenswillen der Figuren geschuldet ist.

Dem Impuls zu überleben, ist in der Pandemie auch die Kinobranche gefolgt. Ausgerechnet ein Film über das Ende der Menschheit flößt den Studios neue Zuversicht ein: „A Quiet Place 2“ hat als erste Produktion seit Beginn des Lockdowns in den USA die 100-Millionen-Einspielgrenze geknackt – noch vor dem anderen Monsterspektakel „Godzilla vs Kong“. Eine vorsichtige Hoffnung, dass das Kino tatsächlich wieder so viele Menschen anziehen kann wie vor der Pandemie. Menschen, die im Dunklen sitzen und gemeinsam ganz, ganz still sind. (Ab Donnerstag in den Kinos)

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