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Fragen die Leute, die etwas wollen und sich dann nie mehr melden, auch beim Bäcker nach drei Brötchen, drehen sich dann um und verlassen wortlos den Laden?

© Catherine Waibel/dpa-tmn

Transaktions-Ghosting auf Ebay: Habt ihr verlernt, wie man absagt?

Ebay Kleinanzeigen ist ein feuchter Traum von Adam Smith. Eigentlich. Würden nicht getroffene Verabredungen ständig platzen. Das ist respektlos.

Neulich wollte ich mal wieder etwas verkaufen. Was, ist eigentlich egal, denn das Problem, um das es im Folgenden gehen wird, tauchte nicht zum ersten Mal auf und inzwischen auch so häufig, dass ich sicher bin, dass es mit dem eigentlichen Gegenstand gar nichts zu tun hat. Spielzeug, Kinderklamotten, Schreibtisch: immer das Gleiche. Langsam habe ich keine Lust mehr. Also, ich wollte was verkaufen. Auf ebay-kleinanzeigen.de, dem digitalen Annoncenblatt. Foto gemacht, hochgeladen, Preis angegeben, nur für Abholer, fertig.

Keine fünf Minuten später meldeten sich die ersten Interessenten

Keine fünf Minuten später kamen die ersten Anfragen per E-Mail und Textnachricht rein. Das muss man ja wirklich sagen: Was die Verkaufsanbahnung angeht, funktioniert das Portal hervorragend. Wie Angebot und Nachfrage sich hier finden, das ist ein feuchter Traum von Adam Smith. Auch diesmal wurden wir uns binnen Minuten handelseinig. Ja, er komme den großen Werbe-Pappaufsteller von Super Mario, um den ging es diesmal, am kommenden Montag um 12 Uhr abholen. Prima, danke, schrieb ich. Und, weil ich das nicht zum ersten Mal mache, schob ich noch ein: „Und falls du es dir anders überlegst, sag bitte Bescheid. Das passiert leider dauernd hier auf Ebay Kleinanzeigen, dass man dann nichts mehr hört. Danke dir und schönes Wochenende.“ Am Montag kam natürlich: Niemand!

Was ist so schwierig daran zu sagen: Ich hab' es mir anders überlegt?

Leute, geht es noch?! Dass ich das Ding jetzt nicht verkauft habe, ist mir egal. Dass ich umsonst gewartet habe: geschenkt. Dass jemand sich anders entscheidet? Kann passieren. Wer hat noch nie einen Einkauf bereut? Aber was ist so schwierig daran, zu sagen: Tut mir leid. Ich habe’s mir anders überlegt? Diese Art des Umgangs miteinander ist höchstgradig respektlos! Doch anscheinend – wenn man sich so im Bekanntenkreis umhört – Alltag hierzulande.

Das nächste Mal gehe ich gleich auf den Flohmarkt
Das nächste Mal gehe ich gleich auf den Flohmarkt

© imago

Liegt das wieder mal nur an der Anonymität im Netz? Oder glauben diese Menschen vielleicht wirklich, das sei okay? Fragen diese Leute auch beim Bäcker nach drei Brötchen und nachdem die eingepackt wurden, drehen sie sich um und verlassen wortlos den Laden? Bestellen sie im Online-Shop und verweigern dann die Annahme? Was ist das? Transaktions-Ghosting?

Auch der Ton ist erschütternd

Auch der Ton, der dabei an den Tag gelegt wird, ist erschütternd: „Was geht hier noch vom Preis?“. Eine Stunde später – offensichtlich antwortete ich nicht schnell genug – ein nacktes, nachgeschobenes „?“. Kein Hallo, kein Bitte, kein Danke, kein Name. Immerhin beherrschte der Interessent noch die Groß- und Kleinschreibung ... Gemäß der alten chinesischen Weisheit, dass Höflichkeit die höchste Form der Verachtung darstellt, antwortete ich formvollendet. Die erwartungsgemäße Antwort: keine. Was lassen sich daraus jetzt für Lehren ziehen? Abholung nur noch gegen Vorkasse? Das nächste Mal lieber gleich das Auto vollpacken und auf den echten Flohmarkt, wo einem die Menschen, die etwas möchten, in die Augen gucken müssen? Ich verschenke den Aufsteller jetzt. Mir ist jemand eingefallen, der sich sicher darüber freut. Und von dem ich weiß, dass er Danke buchstabieren kann.

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