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Der Sänger und Musical-Darsteller Jendrik, 26, bei einer ESC-Probe.

© Soeren Stache/dpa

Deutscher ESC-Finalist Jendrik: „Ich wäre auch mit dem letzten Platz zufrieden“

Der Hamburger Sänger Jendrik steht am Samstag im ESC-Finale in Rotterdam. Ein Gespräch über gute Laune, Ukulelen und das tolle Gefühl, wieder vor Publikum zu spielen.

Jendrik, schon die ganze Woche wird in Rotterdam für das Eurovision-Song-Contest-Finale geprobt. Wie läuft es?
Super. Bei jeder Probe werden Probleme gelöst und neue kommen hinzu. Bei der ersten war ich zu überdreht, bei der zweiten zu konzentriert und die dritte habe ich zu sehr genossen. Aber bis Samstag ist es dann alles perfekt.

Bei der Show und den Proben sind 3500 negativ getestete Fans dabei. Wie ist es mal wieder vor Menschen aufzutreten?
Unvorstellbar! Ich habe es so vermisst. Es hat sich einfach nur geil angefühlt. Das Publikum hat mich total überwältigt. Deshalb habe ich es bei der dritten Probe auch zu sehr genossen. Die Energie war einfach irre. Man hat gemerkt, wie sehr das allen gefehlt hat, wie ausgehungert sie waren. Alle sind schon halb gestorben. Jetzt können sie endlich wieder was essen.

Die Ahoy Arena ist allerdings nur zu 20 Prozent gefüllt. Wirkt das nicht doch ein bisschen traurig?
Das ist mir gar nicht aufgefallen. Die Menschen sind so verteilt, dass es tatsächlich voll wirkt. Man kann alle gut erkennen.

Weil es bei vier Ländern positive Corona- Fälle gab, mussten die Delegationen in Quarantäne. Wie beurteilen Sie die Schutzmaßnahmen? Fühlen Sie sich sicher?
Ja, sehr sicher. Es ist alles extrem gut organisiert, was man ja auch daran sieht, dass die Teams sofort in Quarantäne mussten.

Eigentlich sind Sie Musical-Darsteller, doch da ging im vergangenen Jahr ja kaum etwas. Sind Sie im Lockdown auf die Idee gekommen, beim ESC mitzumachen?
Nein, so direkt war das nicht. Ich hatte den Traum, dort mitzumachen schon länger. Aber dadurch, dass Corona mir alle meine Jobs weggenommen hat, hatte ich die Zeit mich darum zu kümmern. Also habe ich eigene Musik produziert und mit einem Freund aufgenommen.

Außerdem habe ich mit dem wenigen Geld, das ich hatte, im Sommer ein Musikvideo gedreht. Damit habe ich dann versucht, mich irgendwie zu bewerben. Weil ich es im Internet rausgeschrien habe, ist tatsächlich jemand aufmerksam geworden und ich wurde schließlich von den beiden deutschen Jurys ausgewählt.

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Der Videodreh zu Ihrem Song „I Don’t Feel Hate“ zu drehen, war extrem aufwändig. 18 alte Waschmaschinen waren dabei, die halbe Familie und sehr viele Freund*innen haben Ihnen geholfen. Ist der Auftritt in Rotterdam dagegen nur noch ein Klacks?
(lacht) Ja, irgendwie schon. Es mag komisch klingen, aber das Video war vom Kopf her anstrengender. Dafür fordert der Auftritt mich jetzt physisch mehr, weil ich tanzen, singen und steppen muss. Mit mir auf der Bühne sind drei Freundinnen, die auch im Video dabei waren. Sie singen die Backing Vocals und spielen die Horn-Section- Parts. Eine weitere Freundin ist als lebensgroßes Peace-Zeichen dabei. Im Video hat sie einen Mittelfinger gespielt, aber das ist beim ESC nicht erlaubt.

Ein Peace-Zeichen passt ja auch ganz gut zu Ihrem Song, in dem es darum geht sich von Hass nicht unterkriegen zu lassen. Basiert der Text auf Erfahrungen, die Sie als schwuler Mann gemacht haben?
Ja. Zwar geht es in den Strophen nicht explizit um Homophobie, aber ich selber habe schon Homophobie erlebt und möchte mit dem Song darauf hinweisen, dass sie noch existiert.

Mit der Ukulelenbegleitung, dem Pfeifen und der Step-Einlage kommt der Song sehr fröhlich rüber. Im Netz gab es dazu einige recht fiese Kommentar. Vergeht Ihnen da schon mal die gute Laune?
Nein, ich habe den Song ja nicht für diese Leute geschrieben. Ich lasse mich davon nicht beeindrucken, da bin ich selbstbewusst genug. Allerdings frage ich mich schon, warum manche jetzt genau das machen, was im Lied beschrieben wird. Das ist doch albern. Wenn ihnen etwas nicht gefällt, können sie es doch ignorieren, statt ihre Hater-Kommentare abzulassen.

Vom Hass zur Liebe: Der ESC ist seit jeher beim queeren Publikum sehr beliebt. Wie ist das Feedback aus der Community? Haben Sie das Gefühl sie steht hinter Ihnen?
Zum Teil ja, zum Teil nein. Ich habe häufig gehört, dass Menschen die Message des Songs gut finden. Es gibt Fans, die mir geschrieben haben, dass ihnen das Lied Kraft gegeben hat und sie dadurch wieder gelernt haben, sich selbst zu lieben. Auch das Wort gay icon fiel schon, was natürlich Quatsch ist. Auf der anderen Seite gibt es natürlich auch Leute, die alles nur peinlich finden. So wird das immer sein.

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Wie sind Sie selber ESC-Fan geworden?
Angefangen hat es als wir das früher in der Familie geguckt haben. Später im Studium hat ein Kommilitone immer riesige Livestream-Events veranstaltet, wo wir intern abgestimmt und zu den Ländern passende Shots getrunken haben. Bei Russland Wodka, bei Deutschland Jägermeister, bei Griechenland Ouzo ... Damals habe ich schon zu meinen Freunden gesagt: Eines Tages werde ich auf dieser Bühne stehen.

Gab es eine*n Kandidat*in, die oder der Sie besonders beeindruckt hat?
Als Alexander Rybak mit „Fairy Tale“ gewonnen hat, war ich sehr beeindruckt. Ich habe ja als Kind Geige gelernt und fand es toll jemanden sehen, der einen Popsong mit der Geige spielt und das auch noch ziemlich cool. Damals habe ich noch in solchen Schemata wie Cool/Uncool gedacht, was ich mittlerweile abgelegt habe.

Vielleicht gelingt Ihnen ja eine Imageverbesserung der Ukulele, die nicht mehr so in Mode ist wie noch in den nuller Jahren.
Das war in der Geschichte des Instruments sehr unterschiedlich. Ich habe meine Bachelor-Arbeit über die Ukulele geschrieben. Deshalb kann ich einen kleinen Vortrag halten: In den Zwanzigern war sie ein beliebtes Instrument bei den Damen, in den Dreißigern kamen die Männer dazu. Nach Deutschland kam sie in den Vierzigern.

[Der Tagesspiegel begleitet das ESC-Finale am Samstag mit einem Live-Blog]

Durch die Erfindung von Plastik wurde sie in den Fünfzigern zum Spielzeug-Instrumement. In den Sechzigern und Siebzigern war sie relativ out und in ab den Neunzigern wieder beliebter. In den nuller Jahren lag die Ukulele wieder voll im Trend. Vor allem auch weil das Instrument so leicht zu lernen ist.

Zuletzt hat Deutschland beim ESC sehr schlecht abgeschnitten. Spüren Sie Druck, es besser zu machen?
Nee, überhaupt nicht. Ich wäre auch mit dem letzten Platz zufrieden.

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