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Düstere Aussichten. Weltweit gibt es nur noch 20 000 Nashörner.

© imago images/Greatstock

Zum Schutz der Rhinozerosse: Strahlende Hörner gegen Wilderer

Mit implantierten radioaktiven Kugeln wollen Naturschützer Südafrikas Nashörner schützen. Wie das funktionieren könnte.

Südafrikas Naturschützer rüsten auf. Nachdem der Plan, die Hörner von Rhinozerossen zur Abschreckung von Wilderern abzusägen oder gar mit Arsen zu impfen, nicht die erwünschte Wirkung zeigte, suchen Forscher den Kampf nun nuklear zu führen: Sie wollen ein Stecknadelkopf großes radioaktives Kügelchen in den Nasenfortsatz der Dickhäuter implantieren, um Schmugglern bei der Überquerung von Grenzen das Handwerk legen zu können.

Auf diese Weise könne „eine ganze Armee“ internationaler Grenzschützer in den Kampf gegen den illegalen Nashorn-Handel eingebunden werden, sagte James Larkin, Professor an der Johannesburger Witwatersrand-Universität im Gespräch mit dem Tagesspiegel: „Wir wollen die Werkzeuge anwenden, die bei der Abwehr des internationalen Terrors entwickelt wurden.“

Die Idee kam dem Direktor des „Referats für Strahlen- und Gesundheits-Physik“ seiner Universität vor zweieinhalb Jahren beim Mittagessen – und nachdem er genug „schreckliche Bilder von verstümmelten Nashörnern" im Fernsehen gesehen hatte. Der Wissenschaftler arbeitet eng mit der Internationalen Atomenergie Behörde in Wien zusammen – vor allem bei der Verhütung radioaktiver Terroranschläge.

Detektoren spielen wesentliche Rolle bei der Terrorbekämpfung

Dabei spielen Detektoren eine wesentliche Rolle, von denen weltweit rund 11.000 Exemplare in Häfen, auf Flughäfen oder an Landesgrenzen stehen: Sie nehmen selbst kleinste Mengen an Radioaktivität wahr, ohne dass dafür Gepäck geöffnet oder Personen bis auf die Haut durchsucht werden müssen. „Mir war plötzlich klar, dass wir das auch im Kampf gegen die Wilderei nutzen können.“

Das Horn von Rhinozerossen ist einer der kostbarsten Gegenstände der Welt: Auf dem Schwarzmarkt werden dafür Preise bis zu 50.000 Euro pro Kilogramm bezahlt. In Südostasien sagt man dem aus gepresstem Haar (Kerotin) bestehenden Horn Heilungskräfte gegen Krebs, Rheumatismus oder Impotenz nach: Es gilt als edles Geschenk und als Zeichen des Wohlstands.

Seit 2010 fielen im Südlichen Afrika mehr als 10.000 Nashörnern der Wilderei zum Opfer: Ihr Bestand, der auf rund 20.000 Exemplare geschätzt wird, ist akut gefährdet. 90 Prozent aller Breit- und Spitzmaulnashörner leben in Südafrika.

Wildpark-Manager lassen Rhinozerossen die Hörner abschneiden

Wildpark-Manager am Kap der Guten Hoffnung sind dazu übergegangen, Rhinozerossen das Horn abzuschneiden: Selbst dann werden sie allerdings von Wilderern noch getötet, die ihren Hornstumpf aus dem Körper brechen. Außerdem machen hornlose Nashörner auf Touristen einen „traurigen Eindruck“, sagt Larkin: „Als ob man statt den ,Big Five’ (Elefanten, Löwen, Leoparden, Büffel und Rhinos, Anm. d. Red.) nur noch ,Big 4,5’ sehen kann.“ Auch die Idee, als Abschreckung Arsen in die Hörner zu spritzen, erwies sich neben moralischen Bedenken als weitgehend wirkungslos, weil sich das Gift nicht über das ganze Horn verteilt.

Eine Eigenschaft, die Forscher Larkin nun ausnutzt. Zunächst galt es herauszufinden, ob Spuren des radioaktiven Kügelchens in andere Körperteile der Nashörner wandern würden: Eine Befürchtung, die sich nach einem halbjährigen Feldversuch mit Igor und Denver in einem privaten südafrikanischen Tierpark als gegenstandslos erwies. Den beiden Dickhäutern wurden zunächst nur nicht-strahlende Isotope ins Horn gepflanzt: Untersuchungen im Blut und Dung ergaben, dass sie sich nicht in Igors und Denvers Körper verteilt hatten. Die erste Prüfung des „Rhisotop-Projekts“, an dem Larkin neben mehreren Naturschützern auch die Universität des US-Staats Colorado, die australische Nuklear-Organisation Ansto sowie die staatliche russische Nuklear-Energiegesellschaft Rosatom beteiligte.

Auch Elefanten, Schuppentiere oder Pflanzen lassen sich so schützen

In den kommenden sechs Monaten soll nun mit Computersimulationen und an Modellen von Rhino-Köpfen eruiert werden, wie sich die Strahlung des stecknadelkopfgroßen Kügelchens auf den Körper des Nashorns auswirkt – und wie sie idealerweise dosiert werden muss. Den Dickhäutern soll weder Uran noch Plutonium eingepflanzt werden – vielmehr ein Stahlkügelchen, das zuvor mit Neutronen beschossen wurde. Das kann sogar in Pelindaba, dem Sitz der südafrikanischen Atomenergiegesellschaft, erfolgen. Spätestens im April nächsten Jahres sollen die „rein theoretischen“ Ergebnisse der zweiten Forschungsstufe feststehen: Danach geht's in die Hörner von 15 Rhinozerossen – falls Südafrikas Regulatoren grünes Licht geben.

Wenn alles gut geht, sind der nuklearen Aufrüstung danach keine Grenzen gesetzt. Die strahlenden Kügelchen könnten ohne weiteres auch in Elefantenstoßzähne, in die Schuppen von Schuppentieren oder gar in Cycas-Pflanzen implantiert werden, gerät Larkin ins Schwärmen: Alles Naturprodukte, die auf dem Schwarzmarkt astronomische Summen einbringen.

Johannes Dieterich

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