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Dem Norden drohen massive Schneefälle.

© Imago/Bernd März

Vergleiche mit Rekord-Winter 1978/79: Was es mit der Extremwetterlage auf sich hat

Schneestürme und Dauerfrost im Norden, frühlingshafte Wärme im Süden: Die Extremwetterlage ist selten. Meteorologen ziehen einen Vergleich.

Der Bundesrepublik steht ein Wochenende der Wetterextreme bevor: Schneestürme und Dauerfrost im Norden, frühlingshafter Föhn und 20 Grad im Süden. Meteorologen sprechen bereits von einem „denkwürdigen Ereignis mit Seltenheitswert“ – und ziehen Vergleiche zum Winter 1978/79. Zwischen Nord- und Süddeutschland erwarten Experten ein Temperaturgefälle von gut 20 Grad. „So etwas kommt nicht alle Tage vor“, sagte ein Meteorologe des Deutschen Wetterdienstes (DWD) am Freitag in Offenbach.

Dem Norden drohen in den kommenden Tagen bis zu 40 Zentimeter Neuschnee, dazu „enorme Schneeverwehungen“ durch den Sturm. Besonders betroffen ist den Angaben zufolge ab Samstagabend die Region vom Emsland und dem Münsterland bis hin zum Harz.

Im Ruhrgebiet, dem Siegerland, in Mittelhessen und Oberfranken hingegen gibt es von Sonntagnachmittag bis Montag gefrierenden Regen, der eine mehrere Zentimeter dicke Eisschicht zur Folge haben könnte.

Der Wetterdienst rechnet mit „erheblichen Verkehrsbehinderungen“ durch den unwetterartigen Eisregen und Schäden an der Natur durch Eisbruch. „Zusammengefasst eine dreifache Unwetterlage durch starken Schneefall, Verwehungen und Glatteis“, schreibt der Wetterdienst. Hinzu kommen an der Küste Sturmböen, die teils die Windstärke 10 erreichen.

Rekord-Winter 1978/79: Eisfront mit sibirischer Kälte

Vergleiche zu den extremen Schneefällen im Winter 1978/79 liegen also nicht fern. Damals setzte am 28. Dezember drastischer Schneefall und vielerorts Sturm ein, der vor allem den Norden Deutschlands ins Chaos stürzte. Eine Eisfront mit sibirischer Kälte überzog zunächst den Norden und später den gesamten Osten Deutschlands. Vielerorts fiel der Strom aus, Straßen waren unpassierbar, zahlreiche Orte tagelang von der Außenwelt abgeschnitten. Hubschrauber versorgten eingeschlossene Menschen aus der Luft.

Bundeswehrsoldaten versuchen am 16. Februar 1979 die Autobahn Hamburg-Hannover mit Bergepanzern von den Schneemassen zu befreien.
Bundeswehrsoldaten versuchen am 16. Februar 1979 die Autobahn Hamburg-Hannover mit Bergepanzern von den Schneemassen zu befreien.

© dpa/Lothar Heidmann

Gleichzeitig lagen die Temperaturen so weit unter dem Gefrierpunkt, zum Teil bei minus 23 Grad Celsius, dass die Ostsee zufror und der Schiffsverkehr in zahlreichen Häfen zum Erliegen kam. Die Insel Rügen traf es besonders hart. Als es im Februar 1979 zu weiteren starken Schneefällen kam, musste in mehreren Landesteilen erneut der Katastrophenalarm ausgerufen werden.

Einfluss des Klimawandels auf den Polarwirbel ist nicht gesichert

Derart kalte Winter sind laut Experten zwar seltener geworden, aber trotz globaler Erderwärmung keinesfalls ausgeschlossen. Die Ursache für das aktuelle, seltene Wetterphänomen ist zum einen das über Gibraltar liegende Tiefdruckgebiet „Tristan“, das einen kräftigen Schwall feucht-milder Luft in den Süden strömen lässt. Vom Nordmeer bis ins östliche Mitteleuropa herrscht hingegen hoher Luftdruck. Dadurch fließt extrem kalte Luft aus der Polarregion direkt in den Norden Deutschlands. Diese bringt dem Nordosten und Norden in der Nacht zum Dienstag Temperaturen von bis zu minus 15 Grad.

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In der Regel treffen diese Tiefs weiter nördlichere Regionen und sind meist auf der Höhe von Island und dem nördlichen Skandinavien unterwegs, nicht etwa in Mitteleuropa. Dass dieses Wetterphänomen nun auftritt, hat auch mit Ereignissen in der Arktis zu tun: Dort ist der Polarwirbel – ein riesiges Tiefdruckgebiet, das sich Jahr für Jahr über der Region in der Stratosphäre bildet und dort zirkuliert – derzeit ungewöhnlich instabil. Erstmals überhaupt ist er im Januar zusammengebrochen. In der Folge wurde auch der für unser Wetter so wichtige Jetstream instabil: Das Starkwindband „schlingert“ und arktische Kaltluft gelangt so in den Süden, nach Europa und Nordamerika.

Ein kollabierender Polarwirbel als Folge des Klimawandels? Letzterer hat zwar große Auswirkungen auf die Region. Doch sein Einfluss auf den Polarwirbel ist nicht gesichert.

„Auswirkungen dieser Wetterlage werden dramatisch sein“

Schon am Samstagnachmittag werde es im Norden losgehen, schätzte DWD-Sprecher Andreas Friedrich. Die Schneemenge dürfte aber deutlich geringer ausfallen als in der Extremsituation 1978, so ein Meteorologe des DWD. In der Spitze würden bis zu 40 Zentimeter Schnee erwartet, im Winter 1978/79 sei es fast doppelt so viel gewesen.

[Der kollabierte Polarwirbel kann uns extreme Kälte bringen. Die Hintergründe können Abonnenten von T+ hier nachlesen: Polarwirbel kollabiert – Warum der Winter noch richtig kalt werden könnte]

Dennoch: „Die Auswirkungen dieser Wetterlage werden dramatisch sein“, sagte Franz Molé, Leiter der Vorhersage und Beratungszentrale des DWD, am Freitag. In betroffenen Gebieten sollten sich die Menschen darauf einstellen, dass der Strom ausfällt oder es wegen Glatteis unmöglich sein wird, das Haus zu verlassen. „Es schaukelt sich hoch ab Samstag in der zweiten Tageshälfte.“ Dem Norden drohen bis zu 40 Zentimeter Neuschnee, dazu „enorme Schneeverwehungen“ durch Sturm.

Dramatische Auswirkungen. Dass dieses Wetterphänomen nun auftritt, hat auch mit Ereignissen in der Arktis zu tun.
Dramatische Auswirkungen. Dass dieses Wetterphänomen nun auftritt, hat auch mit Ereignissen in der Arktis zu tun.

© Imago/Bernd März

Besonders betroffen ist dem DWD zufolge ab Samstagabend die Region vom Emsland und dem Münsterland bis hin zum Harz. Der Winterdienst bereitete sich bereits am Freitag auf einen Schneeeinsatz auf den Autobahnen in Norddeutschland vor. Die Autobahnmeistereien stünden mit rund hundert Räum- und Streufahrzeugen und 250 Mitarbeitern bereit, um am Wochenende die etwa 750 Kilometer Autobahn im Norden schnee- und eisfrei zu halten, sagte eine Sprecherin der Niederlassung Nord der Autobahn GmbH des Bundes.

Auch die Bahn traf Vorbereitungen, es stünden Schneeräumtrupps für die Bahnhöfe, Räumfahrzeuge für die Schienen bereit, hieß es am Freitag. Vor allem im Norden könne es aber zu Ausfällen und Verspätungen kommen.

Auch das ist Teil der Wetterlage: Die Frostphase könnte noch bis März andauern. In jedem Fall wird der Winter den Norden auch in der kommenden Woche im Griff haben – in der Nacht mit Tiefstwerten von minus 20 Grad. (mit dpa)

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