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Ganze Nachbarschaften in Kentucky sind dem Erdboden gleich gemacht worden.

© Minh Connors/ USA TODAY NETWORK via REUTERS

Update

Mehr als 100 Tote allein in Kentucky: USA erleben „tödlichstes Tornado-Ereignis“ aller Zeiten

Tornados zerstören in den USA auf einer Strecke von gut 300 Kilometern fast alles. Präsident Biden sagte den betroffenen Bundesstaaten weitreichende Hilfe zu.

Nach den verheerenden Tornados in den USA mit vermutlich Dutzenden Toten suchen Rettungsmannschaften weiter nach Überlebenden. Besonders schwer betroffen ist der Bundesstaat Kentucky, dessen Gouverneur Andy Beshear am Samstag mit Blick auf die Zerstörung sagte: „Wir sind Ground Zero.“

„Der Bestätigungsprozess ist langsam“, sagte Beshear am Sonntag dem Sender CNN. Er wisse aber aus den bei ihm eingegangenen Berichten, dass mehr als 80 Menschen in seinem Bundesstaat gestorben seien. Er rechne damit, dass die Zahl der Toten 100 übersteigen werde. „Das ist das tödlichste Tornado-Ereignis, das wir je hatten.“ Das Ausmaß der Zerstörung sei niederschmetternd. „Ich habe Orte, die sind verschwunden. Ich meine, einfach weg.“

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Die „New York Times“ sah es mittlerweile als gesichert an, dass allein in Kentucky mindestens 70 Menschen ums Leben kamen. CNN meldete am frühen Sonntagmorgen, es werde befürchtet, dass mehr als 80 Menschen in den US-Staaten Kentucky, Mississippi, Missouri, Arkansas, Illinois und Tennessee gestorben seien. Es dürften jedoch Tage vergehen, bis das volle Ausmaß der Katastrophe bekannt wird. Der Sender berichtete von mehr als 30 Tornados in den sechs Bundesstaaten.

Allein in Kentucky hinterließen die Tornados über 200 Meilen (320 Kilometer) hinweg eine Schneise der Verwüstung. „Alles in ihrem Pfad ist weg. Häuser, Geschäfte, Regierungsgebäude - einfach weg. Teile von Industrieanlagen, Dächer sind in Bäumen. Es ist schwer vorstellbar, dass das überhaupt möglich ist“, sagte Beshear. „Die Verwüstung ist mit nichts zu vergleichen, was ich in meinem Leben gesehen habe, und ich habe Mühe, es in Worte zu fassen.“

Eine Luftaufnahme von Mayfield zeigt die verheerenden Ausmaße des Tornados.
Eine Luftaufnahme von Mayfield zeigt die verheerenden Ausmaße des Tornados.

© SCOTT OLSON / Getty Images via AFP

Mehr als 50 Todesopfer in Kerzenfabrik

Die Tornados verwandelten unter anderem eine Kerzenfabrik in Mayfield in ein Trümmerfeld - dort wurde wegen des Hochbetriebs zur Weihnachtszeit in der Nacht zu Samstag gearbeitet. Nur 40 der rund 110 Menschen in der Fabrik seien gerettet worden, sagte der Gouverneur. Wo einst die Fabrik gestanden habe, liege jetzt ein mehr als vier Meter hohes Trümmerfeld mit Metallschrott und Autowracks. „Es wäre ein Wunder, würde dort jemand lebendig gefunden.“

Mayfields Bürgermeisterin Kathy O'Nan bestätigte, dass in der Kerzenfabrik wegen der Weihnachtszeit rund um die Uhr gearbeitet worden sei. Die Fabrik gehöre einer Familie aus dem Ort und sei ein wichtiger Arbeitgeber. Zu der Zerstörung in Mayfield sagte die Bürgermeisterin CNN: „Mein Herz ist gebrochen.“

Auf Fotos vom Samstag war zu sehen, wie Menschen bei der Bergung von Gegenständen aus einem zerstörten Haus in Mayfield halfen. Auf anderen waren Straßenzüge der Kleinstadt zu erkennen - die Häuser wirkten wie wegrasiert.

Zahlreiche Häuser in Kentucky sind bis auf die Grundmauern zerstört.
Zahlreiche Häuser in Kentucky sind bis auf die Grundmauern zerstört.

© SCOTT OLSON/ Getty Images via AFP

Beshear schwor die Menschen im Katastrophengebiet angesichts von Tiefsttemperaturen um den Gefrierpunkt und großflächigen Stromausfällen auf schwierige Stunden ein. „Es wird eine harte Nacht für viele Menschen in Kentucky werden“, sagte er. Dem Gouverneur drohte zwischenzeitlich die Stimme zu versagen - etwa, als er von dem Heimatort seines Vaters namens Dawson Springs erzählte. „Einen Block von dem Haus meiner Großeltern steht kein Haus mehr“, sagte Beshear. „Und wir wissen nicht, wo all diese Menschen sind.“

„Unglaublich, was in diesen drei bis vier Sekunden passiert ist“

Die Rentnerin Lori Wooton aus dem Ort Dawson Springs in Kentucky sagte CNN, sie habe den Sturm in einem Schutzkeller ausgesessen. Sie habe Regen gehört „und dann wurde es plötzlich sehr laut, wie bei einem Zug. Und das schien nicht lange zu dauern, aber es war sehr laut. Vielleicht drei, vier Sekunden, dann war es vorbei. Aber als wir dann herauskamen und uns den Schaden ansahen, war es unglaublich, was in diesen drei bis vier Sekunden passiert ist.“

Im Ort Earlington in Kentucky führte der Sturm dazu, dass ein Zug entgleiste und in mehrere Häuser raste. Experten untersuchten, welches Material er geladen hatte und wie viele Menschen in der Gegend verletzt wurden, sagte der Sheriff von Hopkins County, Matt Sanderson, Medienberichten zufolge.

In Illinois stürzte das Dach eines Verteilzentrums des Online-Händlers Amazon teilweise ein. Dort starben sechs Menschen, 45 Personen wurden nach Angaben der Feuerwehr aus den Trümmern gerettet. Amazon-Gründer Jeff Bezos äußerte sich bestürzt über die „tragischen Berichte“ aus Edwardsville. „Wir sind untröstlich über den Verlust unserer Teammitglieder“, twitterte er in der Nacht zum Sonntag..

Das Dach einer Kirche in Mayfield wurde durch den Tornado zerstört.
Das Dach einer Kirche in Mayfield wurde durch den Tornado zerstört.

© Brett Carlsen/ Getty Images via AFP

Laut Experten Tornado der zweithöchsten Stufe

Nach den Worten des Meteorologen Marco Manitta vom Deutschen Wetterdienst (DWD) in Offenbach sind die Tornados in Kentucky im Zusammenhang mit einer langlebigen Superzelle - einer großen Gewitterwolke - entstanden. In den USA gebe es für die Entstehung solcher Gewitterwolken gelegentlich günstige Bedingungen.

Die aktuellen Tornados hätten eine Stärke von F4 auf der sogenannten Fujita-Skala erreicht, die die Schadensklasse angibt. Das entspreche der zweithöchsten Stufe. Bei solchen Tornados könnten auch feste Gebäude einstürzen oder stark beschädigt werden, sagte Manitta.

Gerade in den USA, wo viele Gebäude aus Holz gebaut seien, könnten die Zerstörungen umso heftiger ausfallen. Hinzu komme, dass die Tornados über teils dicht besiedeltes Gebiet gezogen seien. Dadurch nähmen die Stürme auch mehr Trümmer auf, die dann zusätzliche Zerstörungskraft entfalten können. Tornados der Stärke F4 könnten ohne weiteres auch Autos durch die Luft wirbeln, sagte Manitta. Ein starker Unterdruck könne dafür sorgen, dass Häuser regelrecht explosionsartig zerstört werden.

Das Sturmsystem ist die jüngste einer ganzen Reihe von Naturkatastrophen in den USA. Die Vereinigten Staaten litten in diesem Jahr unter verheerenden Stürmen, schweren Überflutungen und großflächigen Waldbränden. US-Präsident Joe Biden sieht in der Häufung und Heftigkeit der Katastrophen eine Folge des Klimawandels, dessen Bekämpfung er zu einer seiner Top-Prioritäten gemacht hat.

Viele Orte in den betroffenen Bundesstaaten liegen komplett in Trümmern.
Viele Orte in den betroffenen Bundesstaaten liegen komplett in Trümmern.

© REUTERS/Cheney Orr

Biden bestätigt Notstandserklärung für Kentucky

Biden sagte den von den Tornados betroffenen Bundesstaaten am Samstag Hilfe zu. „Ich verspreche Ihnen, was auch immer benötigt wird, die Bundesregierung wird einen Weg finden, es zu liefern“, sagte der Präsident bei einem kurzfristig anberaumten Auftritt in Wilmington (Delaware). Er stimmte am Samstag einer Notstandserklärung für den Bundesstaat Kentucky zu, der am schlimmsten von den Tornados heimgesucht wurde. Damit wird Hilfe des Bundes beschleunigt. Der Gouverneur hatte zuvor bereits den Notstand in Kentucky verhängt und die Nationalgarde aktiviert.

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Biden stellte auch einen Besuch im Katastrophengebiet in Kentucky in Aussicht. Er sagte aber, er wolle damit warten, bis er die Rettungsoperationen nicht behindere. Gemeinsam mit First Lady Jill Biden bete er für die Opfer und deren Angehörigen.

Auch Russlands Präsident Wladimir Putin drückte seine Anteilnahme aus. „Seien Sie meines aufrichtigen Mitgefühls im Zusammenhang mit den tragischen Folgen des Tornados versichert, der Kentucky und eine Reihe weiterer US-Staaten verwüstet hat“, hieß in dem am Sonntag vom Kreml veröffentlichten Telegramm an den US-Präsidenten. (dpa)

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