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Kapitän Jens Thorn hofft auf eine letzte Weltreise mit der MS Amera.

© BR/Bewegte Zeiten Filmproduktion/Mannes

Wie geht es mit den Kreuzfahrten weiter?: Mehr Meer sehen

Bereit für die nächste große Fahrt? Die ARD-„Story“ widmet der Kreuzfahrtbranche eine Dokumentation.

Im August werden die ersten Kreuzfahrtschiffe wieder aus deutschen Häfen ablegen, vorerst mit deutlich weniger Passagieren und ohne Landgänge. „Mehr Meer sehen“ nennt das Autor André Goerschel spaßeshalber am Ende seines Films „Kreuzfahrt in der Krise – Land in Sicht?“. Zuvor hat er sich jedoch seriös und aus mehreren Blickwinkeln dem Thema gewidmet. Störend ist nur die musikalische Dauerberieselung, die das Publikum vermutlich bei Laune halten soll wie das Bordprogramm für Schiffsgäste.

Glücklich, wieder festen Boden unter den Füßen zu haben, ist vor allem Morten Hansen, Kapitän der MS Artania, die das Coronavirus an Bord hatte. Zwei Passagiere und ein Besatzungsmitglied starben. Nach monatelanger Odyssee von Neuseeland zurück nach Europa sinkt der erfahrene Seemann in Bremerhaven erleichtert auf die Knie. Andere hoffen sehnsüchtig auf den Wiederbeginn der Kreuzfahrtsaison.

[„Die Story im Ersten: Kreuzfahrt in der Krise – Land in Sicht?“; ARD, Montag, 22 Uhr 50]

Goerschel drehte auf der MS Amera, die im Emder Hafen vor Anker gegangen ist und auf der die Rest-Besatzung die Corona-Flaute mit Ausbesserungsarbeiten überbrückt. Viele sitzen fest, können nicht zurück in ihre Heimatländer. Der 73-jährige Kapitän Jens Thorn hofft noch auf eine letzte Weltreise, ehe er nach fast 60 Jahren auf See in den Ruhestand gehen will. Autor Goerschel sprach mit Reiseveranstaltern, die zwar keine Reisen mehr veranstalten, aber neben den laufenden Kosten Millionen für Rückführungen und Rückerstattungen ausgeben müssen. Anke Budde von der Allianz selbständiger Reiseunternehmen kritisiert, sie könnten „als einzige Branche“ bei Rückerstattungen nicht einmal das eigene Arbeitsentgelt einbehalten, weil im Gesetz kein Ausschluss von höherer Gewalt vorgesehen sei. Die deutsche Reisewirtschaft rechnet mit Umsatz-Einbußen in Höhe von 20 Milliarden Euro bis Ende August.

Werden die "Raubtiere" wieder losgelassen?

Aber soll es denn danach einfach so weitergehen, nur mit Masken und etwas mehr Abstand an Bord? Sollen die „Raubtiere“, wie der spanische Umweltaktivist Mariano Reano die Kreuzfahrt-Kolosse nennt, wieder auf die beliebten Tourismusorte losgelassen werden? Die Vergrößerung des Hafens von Palma de Mallorca sei bereits beschlossen, sagt Reano, aber sie würden weiter kämpfen. Per Videoschalte erkundigt sich der Autor auch in Dubrovnik, Venedig, Santorem und Spitzbergen nach der Situation vor Ort.

Daniel Rieger, Tourismus-Experte des Naturschutzbunds Deutschlands (Nabu), spricht vor einem möglichen Wiederbeginn der Kreuzfahrt-Saison von „gemischten Gefühlen“. Einerseits seien da die hohe Schadstoffbelastung durch die Schiffe vor Ort, ihr enormer Energiebedarf, die Lärm- und Lichtverschmutzung. Andererseits spiele die bis zur Pandemie boomende Branche als „Innovationstreiber“ für umweltverträgliche Technologien in der Schifffahrt eine Vorreiterrolle. „Wir brauchen die Forschungspartner aus der Industrie“, bestätigt Michael Thiemke von der Hochschule Flensburg. Sein Team entwickelt moderne Abgasreinigungssysteme.

Für die Kreuzfahrt-Veranstalter spricht Helge Grammerstorf von der Cruise Lines International Association (Clia). Der Verband will dafür sorgen, dass sich die Veranstalter besser absprechen und Schiffe nur noch zeitlich gestaffelt an den Zielhäfen anlegen. Allerdings soll dies vorerst nur am kroatischen Weltkulturerbe-Ort Dubrovnik umgesetzt werden, als „Leuchtturm-Projekt“, wie es im Film heißt. Nicht allzu ehrgeizig klingen auch die Ziele, die sich die Branche insgesamt gesetzt hat: Den Ausstoß der Treibhausgase will man zwar um 50 Prozent, den des Kohlenstoffs sogar bis 90 Prozent senken – allerdings will man sich damit Zeit lassen bis zum Jahr 2050.

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