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"Die Merkel-Looks" heißt einer der Aspekte, die von der Sat-1-Doku "Die Ära Angela Merkel" näher betrachtet werden.

© Michael Kappeler/dpa

Sat-1-Doku „Die Ära Angela Merkel“: „Eine große Kanzlerin“

Sat 1 startet mit einer überaus wohlwollenden Dokumentation über „Die Ära Angela Merkel“. Am Donnerstag folgt RTL mit einem Merkel-Abend.

16 Jahre lang wird Angela Merkel Deutschland am Ende dieser Legislaturperiode regiert haben, als erste Frau an der politischen Spitze der Bundesrepublik und als erste Ostdeutsche in einem geeinten Deutschland. 16 Jahre hatte die promovierte Naturwissenschaftlerin aus Mecklenburg-Vorpommern als Bundeskanzlerin die Macht, das Land zu gestalten und in vielen Fernsehporträts zum Ende ihrer Kanzlerschaft wird es besonders darum gehen, welche Veränderungen sie bewirkt hat und wie sich das Land vor und nach ihrer Amtszeit unterscheidet? Die Sat-1-Doku „Die Ära Angela Merkel – Gesichter einer Kanzlerin“ stellt sich diese Fragen eher am Rande.

Der zweistündige Film unterscheidet sich nicht nur bei der Auswahl der Protagonisten – zu Wort kommen neben einigen Wegbegleitern vor allem aus der Union unter anderem der Extrembergsteiger Reinhold Messner, die Schauspielerinnen Uschi Glas und Sophia Thomalla, der Komiker Wigald Boning sowie die Unternehmerin Gloria von Thurn und Taxis – sondern ebenso in den Aspekten von Merkels Kanzlerschaft, die besonders beleuchtet werden, von den sonst üblichen Politiker-Porträts. Senderchef Daniel Rosemann kündigte das TV-Porträt von Angela Merkel als „erste Sondersendung auf dem Weg zur Bundestagswahl“ von Sat1 und als „kritische Hommage an eine Jahrhundertpersönlichkeit“ an. Doch allzu kritisch fällt dieses TV-Resümee nicht aus. Wenn überhaupt könnte man von Abwertungen in den Haltungsnoten reden, wenn sich zum Beispiel Sat1-Anchorman Marc Bator von der Bundeskanzlerin nicht immer richtig mitgenommen gefühlt hat – bei der Begründung ihrer Willkommenspolitik in der Flüchtlingskrise – oder sich Merkels Parteifreund Wolfgang Bosbach mitunter mehr Emotionalität in der Erklärung ihrer Politik gewünscht hätte.

[„Die Ära Angela Merkel – Gesichter einer Kanzlerin“, Dienstag, 20 Uhr 15, bei Sat 1.]

Für die Dokumentation räumt Sat 1 beinahe den gesamten Dienstagabend frei. Der „Bild“-Titel, auf dem die 2005 frisch gewählte Bundeskanzlerin 2005 zur „Miss Germany“ gekürt wurde, gibt in etwa die Richtung vor, die dieser Film nehmen wird. So wird ihr Auftreten als „Die Staatsfrau“ vor allem danach beurteilt, wie sich gegenüber einigen besonders rabiaten politischen Alphatieren wie George W. Bush, Recep Tayyip Erdogan oder Donald Trump durchgesetzt hat, in dem sie sich nicht auf deren durchschaubare Macho-Spielchen einließ. Viel Raum nimmt das Kapitel „Die Freundin“ über das überaus herzliche Verhältnis zwischen der Bundeskanzlerin und dem ehemaligen US-Präsidenten Barack Obama ein, das zwischenzeitlich durch die NSA-Affäre getrübt wurde („Abhören unter Freunden geht gar nicht“).

Von „Miss Germany“ bis „Die Mutti der Nation“

Weitere Kapitelüberschriften lauten „Der Mensch Merkel“ („Sie muss ja auch einkaufen“), „Die Merkel-Looks“ (von Merkels Dekolleté in Oslo über ihre Blazer „in sämtlichen Regenbogenfarben“ bis hin zur Merkel-Raute) oder „Die Mutti der Nation“ mit Bildern von Angela Merkel mit der siegreichen Fußball-Nationalmannschaft bei der WM 2014 in Brasilien und „Die Ehefrau“ an der Seite von Joachim Sauer. An die mehrfachen Schwächeanfälle des Jahres 2019 und die kurzen „Powernickerchen“ wird in „Die Unkaputtbare“ erinnert.

Ganz ohne Politik geht es natürlich nicht, zumal Angela Merkel in ihren 16 Amtsjahren diverse Krisen und Katastrophen bestehen musste. Erst die Finanzkrise des Jahres 2008, dann das Reaktorunglück von Fukushima und der deutsche Atomausstieg, 2015 dann die Flüchtlingskrise und seit anderthalb Jahren die Corona-Pandemie.

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Kritik in der Sache ist in diesem Film wenig zu hören, schon eher wird angemerkt, dass vor allem in der Kommunikation nicht immer alles überzeugend war. Doch auch dafür herrscht vor allem eines: Verständnis. Eine so lange Amtszeit, ein Leben im andauernden Ausnahmezustand, das geht über die Kräfte jeden Menschen. Auch die einer „großen Kanzlerin“, die den Menschen „Geborgenheit gegeben hat“ und an deren Amtszeit sich die Menschen als „Goldene Ära“ erinnern werden mit einer Regierungschefin wie „einem Fels in der Brandung mit vielen Gesichtern“. So wohlwollend wie dieses Porträt von Sat 1 werden nicht alle Dokumentation über die Ära Angela Merkel ausfallen. Am Donnerstag hat RTL den kompletten Abend für Angela Merkel freigeräumt.

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