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Wimbledon, ein Jahr nach dem Triumph. Boris Becker (Bruno Alexander) hat eine neue Freundin und spielt unkonzentriert. Günther Bosch (Samuel Finzi, rechts) versucht mit allen Mitteln, die Aufmerksamkeit seines Schützlings auf das Spiel zu lenken.

© RTL

Eventfilm über Boris Becker: Bum, Bum, RTL

Leimen, Monaco, Leimen: Ein Event-Film macht aus dem Aufstieg von Boris Becker die klassische Heldenreise.

In Leimen geht die Sonne unter, über Monaco geht sie auf. Es gibt diesen einen Schwenk, mitten in dem Boris-Becker- Film, der die Karriere des jüngsten Wimbledon-Siegers aller Zeiten in einer Bilderfolge verdichtet. Vom rothaarigen Jungen aus der Provinz, der in der Schule als „Pumuckl“ gehänselt wird und wütend Tennisbälle gegen das Garagentor kloppt, zum Jetset-Star, der seinem Vater nach seinem Wimbledonsieg mit 17 als Geschenk einen Mercedes vor die Tür stellt.

Man muss sich wundern, dass es über 35 Jahre gedauert hat, bis ein Privatsender dieser Story hinterher ist. Viel Filmreife reindonnern muss man in die filmreife Geschichte des jungen Bum-Bum-Boris jedenfalls nicht.

Im Grunde ist da nicht viel verkehrt zu machen. Okay, „Der Rebell – Von Leimen nach Wimbledon“ kommt, alles in allem, recht eindimensional daher. Der Kleinbürgerhaushalt Becker in Leimen, der jähzornige, überehrgeizige Junge auf dem Tennisplatz, der rumänienstämmige Tennistrainer und Talenteschmied Günter Bosch als (eher) guter Ersatzvater, der schnauzbärtige Ion Tiriac als (eher) unsympathischer/fast böser Manager.

Dann die erste Freundin vom Dorf, die plötzlich nicht mehr so gut zum Glamour-Leben des Wimbledonsiegers mit Appartement in Monaco passt, die ängstliche Mutter mit schlesischen Wurzeln, die zum ersten Mal ins Flugzeug steigt, um ihren Sohn im Fürstentum zu ermahnen, dass er wohl viele Freunde habe, aber sind das auch die richtigen? („Der Rebell – Von Leimen nach Wimbledon“, Donnerstag, RTL, 20 Uhr 15)

Ein klassisch erzählerisches Grundmuster: Helden-Initiation, Überschreiten erster Schwellen, Durchbruch, Ersatzvater, Anfechtungen auf dem Höhepunkt, innere Leere, verlorene Heimat, die Rückkehr zum wahren Vater mit verzeihender Geste – das ist Writers-Schublade, fast archetypisch à la Odysseus oder „Star Wars“. Warum auch nicht? RTL macht sicher gute Quote mit einem jungen Leben, das wie geschaffen ist für solcherlei Umsetzungen.

„Ich bin der berühmteste Deutsche der Welt“!

Ein bisschen Legendenauffrischung darf’s jetzt ruhig sein. Finanzielle Schwierigkeiten, der eine oder andere Show- und Werbe-Auftritt – viel Positives ist in den vergangenen Jahren nicht zu lesen und zu sehen gewesen über Boris Becker. Vieles davon war und wirkte nicht sehr schmeichelhaft, wenngleich Becker in seiner Position als Eurosport-Experte stets eine gute Figur abgab. Die RTL-Verfilmung rückt diese Bilder in ein anderes, seltsam schmeichelhaftes Licht.

Sie ermöglicht dem Zuschauer, sich, bei allem Kitsch und Klischee, über 90 Minuten in die Welt eines Pubertierenden („Ich werde Wimbledon gewinnen, damit keiner mehr lacht!“) hineinzuversetzen, dem plötzlich (nicht nur) die Tenniswelt zu Füßen liegt („Ich bin der berühmteste Deutsche der Welt“!). Würde man da nicht auch mal überschnappen?

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Das dürften sich auch die Hauptdarsteller gedacht haben. Neben der erstaunlichen Anverwandlung des Boris Becker durch Bruno Alexander („Wir Kinder vom Bahnhof Zoo“), mit stierer Siegerwillen-Mimik und Becker-Hecht, bannt die Präsenz von Samuel Finzi als Günther Bosch und Mišel Maticevic als Ion Tiriac. Ein bisschen knallchargenhaft-diabolisch angelegt die beiden Becker-Berater, aber dennoch oder gerade deswegen großartig und offenbar mit viel Vergnügen gespielt von zwei der besten Schauspieler in Deutschlands.

„Heroes“ von David Bowie, im richtigen Moment

Ein durchaus kurzweiliges Fernsehvergnügen bei RTL also, geschrieben von Richard Kropf („4 Blocks“) und Marcus Schuster, basierend auf Fred Sellins Buch „Ich bin ein Spieler: Das Leben des Boris Becker“, gerade auch in nachgestellten Matchszenen mit Zeitlupen und Flashbacks effektvoll inszeniert von Hannu Salonen („Oktoberfest 1900“). Dazu der Soundtrack der 70er und 1980er Jahre, vom Lockruf des Geldes bei Pink Floyd („Money“!) über a-ha, Billy Idol und Springsteen bis hin zu – natürlich – „Heroes“ von David Bowie, im richtigen Moment. Alles sehr flott. Alles sehr gefällig. Manchmal zu gefällig.

Bleibt die Frage, was der Spieler und Meister persönlich von der Verfilmung eines wichtigen Teils seines Leben hält (der Film endet mit der unschönen Demission Boschs als Becker-Trainer 1987). Laut Produzent Michael Souvignier hatte Boris Becker selbst keinen unmittelbaren Einfluss auf den Spielfilm.

Ein Gespräch mit ihm in der Planungsphase wurde nicht fortgesetzt. „Wir hoffen natürlich, dass ,Der Rebell‘ ihm als filmische Annäherung an seine beispiellosen Sportlerkarriere gefällt.“

Das müsste im Großen und Ganzen so sein. Ein Eventfilm zur Kompromisslosigkeit des Profisports, mit Einblicken in die Psyche eines Jungen, der früh zum Tennis-Idol aufsteigt und mit plötzlichem Ruhm umgehen muss. Aus der Kleinstadt-Garage als Nummer eins auf die Center Courts von Wimbledon bis New York – das ist, auch ohne Legendenbildung, eine filmreife Geschichte, mit der jeder gerne konfrontiert werden dürfte.

Teil zwei kann folgen. Es gibt ja noch ein paar Geschichten, bei denen Becker vielleicht nicht ganz so gut aussieht wie am 7. Juni 1985 in London.

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