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Was ist los in der Ukraine? Maria Makeeva bei OstWest.

© Tsp

Der Berliner Sender OstWest: Aufklärung auf russisch

„Wir sagen, was passiert.“ OstWest in Berlin gehört weltweit zu den letzten unabhängigen russischen TV-Kanälen. Der Sender arbeitet derzeit im Ausnahmezustand.

Eine Rede von Wolodymyr Selenskyj, Bilder von Schutzbedürftigen in Bunkern, eine Hilfeseite für ukrainische Flüchtlinge in Deutschland, dazu, fast demonstrativ, immer wieder das Wort „Krieg“, und das alles auf russischer Sprache? OstWest ist auf Sendung, und wer geglaubt hat, es gebe in russischer Sprache keinen hintergründigen, objektiven und unabhängigen Journallismus, wird von dem Sender überrascht sein.

In diesen Wochen gehört OstWest mit seinen Themen aus Europa und Deutschland weltweit zu den letzten unabhängigen russischsprachigen Kanälen. Und das in Zeiten des Ukraine–Krieges. Chefredakteurin Maria Makeeva hatte schon ruhigere Tage vor sich, wenn sie morgens zu ihrem Büro in Berlin-Charlottenburg geht.

Denn Putin wird OstWest nicht gerne sehen. In Russland drohen für alleine für die Nutzung des Wortes „Krieg“ 15 Jahre Haft. Dazu Nachrichtensendungen, die ein vollständiges Bild dessen wiedergeben sollen, was in der Ukraine passiert. Die zeigen, wie der Westen auf Russlands Invasion reagiert, wie pro-russische Demonstrationen in Deutschland funktionieren und die Frage beantworten, wie die Russen in ihrem Land unter den Sanktionen und unter der offiziellen Propaganda leben.

Ja, sie habe manchmal auch Angst vor Konsequenzen, wenn sie das mit ihren 32 Kollegen und Kolleginnen (darunter ein gefährdeter Journalist aus Russland, der hier Zuflucht fand) auf den Bildschirm bringt, sagt Makeeva, die vorher beim seit März gesperrten TV-Sender Doschd gearbeitet hat. „Aber es ist unser Job, die Dinge so zu beschreiben, wie sie sind. Zu sagen, was passiert.“ Es ist Krieg.

Zu sehen ist das alles als Pay-TV-Sender via Kabelkanäle und Internet. OstWest sendet 24 Stunden am Tag und verfügt über zwei Studios in Berlin. Laut Makeeva gibt es rund 300 000 Abonnenten in Deutschland, 500 000 werden in der Ukraine erreicht (eine Zahl von vor dem Krieg), etwas eine Million in den baltischen Staaten. Wichtig: Via Social Media wissen und sehen circa eine Million Russen, was OstWest täglich macht.

Ist Aufklärung für die russischsprachige Community überhaupt möglich?

Aber hat dieses Fernsehen eine Chance gegen Putins Narrative? Welche Wirkung erzielt es, hier und dort? Ist Aufklärung für die russischsprachige Community überhaupt möglich, in Deutschland und weltweit?

„Ich glaube schon, dass wir auch Andersdenkende erreichen, für viele sind wir die Hauptinformationsquelle“, so Makeeva. Man könnte auch sagen, diese Arbeit ist alternativlos. Zum Beispiel die Hauptnachrichtensendung „Digest News“ jeden Tag um 19 Uhr, präsentiert vom Moderator Konstantin Hackethal, einem von rund 230 000 Russen in Deutschland. Er lebt seit 2008 in Berlin.

Am Ende, sagt Makeeva, müssten die Zuschauer selbst entscheiden, was und wem sie glauben. Es sei für OstWest – das in seiner vorherigen Form 1996 als RTVD OstWest von dem aus der Sowjetunion stammenden Unternehmer Peter Tietzki gegründet wurde, sich später vom Staatssender RT abgrenzte und 2018 umbenannte – nicht einfach anzukommen gegen die Propagandamaschine Putins.

Es gibt Hasskommentare und Fake-News-Vorwürfe im Internet. Dies auszuhalten sei von Berlin-Charlottenburg aus aber immer noch besser als das Schicksal vieler Journalisten in Russland, die ihren Beruf angesichts der Einschränkungen von Meinungsfreiheit unter Putin nicht mehr oder nur eingeschränkt ausüben können.

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Vielen werde auch eine Art „Kollaboration“ mit Putins Regierung vorgeworfen, weiß Makeeva. Es sei so schwierig, sein journalistisches Ethos zu halten inmitten einer „Anti-Nazi“–Hysterie, die die Berichterstattung über die Ukraine in Russland bestimmt.

Dort werden keine Bilder zum Leben ukrainischer Flüchtlinge in Deutschland gesendet. Klar, OstWest kann nicht jeden erreichen, nicht überall Zweifel an Putins Sicht der Dinge säen. Der Gegendruck ist groß. Nicht umsonst steht Russland auf der Rangliste der Pressefreiheit weit auf hinteren Plätzen.

Umso wichtiger eine Würdigung für den kleinen russischsprachigen Sender aus der Mitte Berlins. Das Engagement des Redaktionsteams für Informationen und gegen Propaganda ist von der Deutschen Nationalstiftung gerade mit dem Förderpreis 2022 ausgezeichnet wurden.

Für Maria Makeeva und ihre Mitarbeiter eine weitere Motivation, jeden Morgen ins Charlottenburger Büro zu gehen. Ein Sender im Ausnahmezustand.

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