zum Hauptinhalt
Die Trennung von Anita Pallenberg, die sich Keith Richards zuwandte, machte Brian Jones (im Bild) schwer zu schaffen.

© Arte/Bokelberg.com

Arte-Doku über Brian Jones: Überholspur in den Tod

Eine TV-Doku lotet den Mythos des Rolling-Stones-Gründers Brian Jones neu aus. Und im Anschluss wird Ronnie Wood porträtiert.

Zu den Beatles, so gab er einmal hochnäsig zu Protokoll, gehen Leute, weil die „ein Zeitphänomen“ wären. „Zu uns kommen die Kids für eine wilde Party.“ Als Brian Jones im Juli 1969 tot im Pool gefunden wird, ist die Party vorbei. In seiner Filmbiografie erinnert der französische TV-Journalist Patrick Boudet an das kurze und intensive Leben des Begründers jenes ominösen „Klub 27“. Gemeint ist jene Reihe von Rock- und Bluesmusikern, die – wie Jimi Hendrix, Janis Joplin, Jim Morrison, Kurt Cobain und Amy Winehouse – alle im Alter von 27 Jahren starben.

Bei Brian Jones ist diese Lust am Untergang überraschend, denn er wächst als behütetes Kind der oberen Mittelschicht heran. Der Vater ist Flugzeugingenieur, die Mutter Klavierlehrerin. Er spielt mehrere Instrumente und interessiert sich für Jazz – allerdings nicht für das dudelnden Dixieland. In London entdeckt er den Blues-Pionier Alexis Korner. In dessen Stil erkennt er, so der Biograf Paul Trynka, „das gewaltige Potenzial als Musik der Teenager-Rebellion“.

[„Das kurze Leben des Brian Jones“, Arte, 21 Uhr 40; „Ronnie Wood – Somebody up there likes me“, 22 Uhr 35, beide am Freitag]

Als Mick Jagger und Keith Richards 1962 einen Auftritt von Brian Jones bewundern, ist dies ein magisches Zusammentreffen. Schon bald darauf spielen die Stones im Londoner Ealing Club erstmals zusammen. Jones und Richards hatten einen Garagensound ausgetüftelt, der die Stones von anderen Bands unterschied. Er trug zu ihrem kometenhaften Aufstieg bei.

Der schnelle Erfolg erwies sich als zweischneidig. Denn Brian Jones stand allein im Fokus. Die anderen, so der Sänger Elliott Murphy, „hatten bloß lange Haare, doch Brian hatte seinen eigenen Look“. Doch das Image des bösen Genies, das Jones selbst geschaffen hatte, wurde ihm allmählich zum Verhängnis. In den Augen des Establishments galten die Teufelsmusiker als „zersetzend“. Die Presse beschimpfte sie „als Tiere, die in einen Käfig gehörten“.

[Wenn Sie alle aktuellen Entwicklungen zur Coronavirus-Pandemie live auf Ihr Handy haben wollen, empfehlen wir Ihnen unsere App, die Sie hier für Apple- und Android-Geräte herunterladen können ]

Auch innerhalb der Band brodelte es. Jagger und Richards komponierten eigene Songs. Der früh vollendete Brian Jones konnte bald kaum noch Essenzielles beisteuern. Nach seiner Verurteilung wegen Drogenbesitz bekam er kein US-Visum mehr. Die geplante zweite Amerikatournee war damit für ihn gestorben. Sein Leben kippte schließlich, als die schillernde Stil-Ikone Anita Pallenberg – die einzige Frau, die er wirklich liebte – sich Keith Richards zuwandte.

Er vermachte den Stones einen Mythos

Damit nicht genug, wurde er aus der Band geworfen. Sein Tod im Pool war der tragische aber irgendwie folgerichtige Endpunkt. Er vermachte den Stones etwas, was sie unsterblich werden ließ. Einen Mythos. Jagger und Richards geben keine Exklusivinterviews in diesem vielstimmigen Film, der die Stationen einer selbstzerstörerischen Karriere mit einer Fülle von Archivmaterial nachzeichnet.

Wie das Gegenstück zu dieser Chronik eines angekündigten Todes erscheint die anschließende Doku über den Gitarristen Ronnie Wood. Obwohl er schon 1975 zu den Stones stieß, gilt er immer noch als „der Neue“.

In seiner harten Zeit erschien er auf Partys, wo er das Kokain in seiner Glaspfeife mit dem Bunsenbrenner anheizte. Sechs Mal absolvierte er einen Alkoholentzug. Zuletzt überlebte er eine Lungenkrebsoperation: „Somebody up there likes me“, erklärt Wood. So heißt auch der Film von Mike Figgis, der durch den Selbstzerstörungs-Film „Leaving Las Vegas“ mit Nicolas Cage bekannt wurde.

Während Brian Jones sich in seiner Kreativität selbst verzehrte, erscheint der über 70-jährige Ronnie Wood in diesem Porträt wie der gediegene Sachverwalter eines Rock-&-Roll-Lebensgefühls. Einer gefühlten Rebellion, die Brian Jones maßgeblich mit angezettelt hat.

Manfred Riepe

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false