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Anne Will (Mitte) hatte die Medizinerin Carola Holzner und den Linken-Politiker Dietmar Bartsch zu Gast.

© Tsp

„Anne Will“ zur Corona-Krise: Ungeordnet durch den Themengarten

Große Leichtigkeit oder großer Leichtsinn – was bestimmt künftig die Pandemie-Politik? Den ARD-Talk bestimmte jedenfalls das große Durcheinander.

Es war unabsichtlich, es war nicht schlimm, aber es passierte zum Ende der Diskussion. Ingrid Hartges, Hauptgeschäftsführerin des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes, sprach Moderatorin Anne Will als "Frau Illner" an. Frau Illner ist Maybrit Illner, die aber ihre gleichnamige Talkshow im Zweiten moderiert. Anne Will nahm die Verwechslung gelassen, meinte nonchalant, dass sie sich ähnlich sehen würden...

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Der kleine Lapsus war freilich symptomatisch für diese Ausgabe von "Anne Will". Aufgerufen war das Thema "Inzidenz wieder unter 100 – beginnt jetzt die große Leichtigkeit oder der große Leichtsinn?". Dass sich die pandemische Lage zu entspannen beginnt, zeigte sich schon an der ungewohnten Studiosituation - alle fünf Gäste saßen zwar mit gebührendem Abstand, aber leibhaftig in der Runde - keiner war zugeschaltet. Enttäuschenderweise war das die einzige Ordnung in den 60 Minuten.

Jeder und jede griff sich den Aspekt, der ihm am wichtigsten erschien, doch sich in ein großes diskursives Miteinander einfügen wollten sich die Wortmeldungen nicht. FDP-Vertreter Wolfgang Kubicki lieferte seinen Lieblingssprech von den Bürgerrechten, die endlich an alle zurückgegeben werden müssten.

Immerhin wies der "Freiheitskämpfer" auf das fortwährende Durcheinander der Regeln und Regelungen hin, das auch Hamburgs durch und durch vernünftiger Erster Bürgermeister Peter Tschentscher nicht hinreichend entwirren noch erklären konnte. Der Arzt und Politiker sprach sich dafür aus, lieber kleine als zu große Schritte zu gehen, also erst die Außen- und dann die Innengastronomie zu öffnen. Tschentscher war daran gelegen, die bedächtige Rücknahme der Maßnahmen argumentativ zu unterfüttern, was einer wie Kubicki gerne als "Gnadenakt der Politik" qualifiziert.

"Doc Caro" warnte vor zu großer Euphorie

In Tschentschers Argumentation bog auch Carola Holzner, Fachärztin für Anästhesie und Intensivmedizin und besser bekannt als Medizinbloggerin „Doc Caro“, ein. Jetzt nicht zu mutig werden, lautete ihr Appell, den sie später noch dadurch unterstrich, dass sie die Sicherheit der Antigen- im Vergleich mit den PCR-Tests anzweifelte. Es wurde deutlich, dass der Respekt vor dem Coronavirus mit der Nähe seiner Beschäftigung wächst. Lobbyistin Hartges wurde auch deutlich, sie sprach straight für ihre Branche, wo 2,4 Millionen Menschen auf Öffnung und damit neue Hoffnung für die gebeutelten Gastwirte und Hoteliers setzen. Linkenpolitiker Dietmar Bartsch präferierte die Aufhebung der Impfpriorisierung, an Argumenten mangelte es dabei, also nahm er die Empirie zu Hilfe: Fünf Bundesländer hätten dies schon getan.

Flitzen durch den Themengarten

Die Runde riss viele Aspekte an und verlor sie gleich wieder; es muss auch Moderatorin Will angelastet werden, dass sie offensichtlich darauf hoffte, dass sieh die Diskussion da und dort verhaken möge, um sich dann zu vertiefen. Das passierte nicht, die Stunde Talk flitzte ungeordnet durch den Themengarten. Große Leichtigkeit oder großer Leichtsinn - wohin geht die wilde Fahrt? Darüber wurde keine Entscheidung getroffen, und wer je auf Orientierung gehofft hatte, was der Sommer an Erleichterungen bringen wird, der musste die Runde ratlos verlassen.

Aber vielleicht steckte in diesem Alles!Nichts!Oder! doch ein gewichtiges Resultat und der Ertrag dieser Ausgabe von "Anne Will": Die Bewältigung der Pandemie in Deutschland bleibt ein einziger Flickenteppich. Immerhin trägt er ein Erfolgsmuster in sich - Impfen. Das hilft und dass Impfen hilft, das bestreitet keiner, der den Coronavirus wenn nicht besiegen, so doch in die Defensive treiben will.

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