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Der Schauplatz der Katastrophe in Meron

© Reuters/Ronen Zvulun

Update

Massenpanik bei Fest in Israel: „Menschen, die Freude erleben wollten, und in Leichensäcken zurückkommen“

Tausende Gläubige strömen zum Lag-Baomer-Fest im Wallfahrtsort Meron. Plötzlich bricht Panik aus, viele sterben im Gedränge. Es gibt Kritik an der Polizei.

Mindestens 45 Menschen sind nach offiziellen Angaben bei einer Massenpanik auf einem jüdischen Fest im Norden Israels ums Leben gekommen. Rund 150 weitere wurden nach Angaben der Rettungskräfte im Wallfahrtsort Meron verletzt, zahlreiche von ihnen schwer. Es handelt sich um eine der schlimmsten Katastrophen der israelischen Geschichte.

Tausende - vor allem Strengreligiöse - hatten am Donnerstagabend auf dem Meron-Berg den jüdischen Feiertag Lag Baomer begangen. Die Behörden hatten die Teilnehmerzahl auf 10.000 begrenzt, nach Medienberichten reisten aber bis zu zehnmal mehr Menschen an.

Während sich diesmal sehr viele Ultraorthodoxe auf den Weg machten, war das im vergangenen Jahr wegen der Corona-Pandemie so nicht möglich. Doch inzwischen sind die Infektionszahlen drastisch gesunken. Umso ausgelassener war nun die Stimmung. In sozialen Netzwerken war vor dem Unglück in Videos zu sehen, wie die Menschen dicht gedrängt und ausgelassen sangen, tanzten und hüpften. Augenzeugen berichteten von gefährlichem Gedränge.

Die Polizei nahm am Freitag Ermittlungen zu den Ursachen des Unglücks auf. Nach ersten Erkenntnissen begann die Panik, als Menschen auf einer abschüssigen Rampe mit Metallboden und Wellblech-Trennwänden auf beiden Seiten ins Rutschen kamen. Die dicht gedrängten Feiernden fielen dann übereinander.

Ein Sprecher des Rettungsdienstes Zaka sprach von einem „unerträglichen Ereignis“. „44 Menschen, die Freude erleben wollten, und die in Leichensäcken zurückkommen“, sagte Motti Buckchin der Nachrichtenseite „ynet“, bevor später eine gestiegene Opferzahl publik wurde.

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Steinmeier und Maas kondolieren

Regierungschef Benjamin Netanjahu kündigte bei einem Besuch vor Ort für Sonntag einen nationalen Trauertag an. Es handele sich um eine der größten Katastrophen des Staates Israel, es habe „herzzerreißende Szenen“ gegeben.

Israels Präsident Reuven Rivlin schrieb bei Twitter, er verfolge die Berichte aus dem Ort Meron und bete für die Genesung der Verletzten. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier kondolierte Rivlin. „Diese Katastrophe, die vielen Menschen das Leben gekostet hat, macht uns fassungslos. Es ist eine Tragödie, die uns zutiefst erschüttert“, schrieb Steinmeier. „Mit mir sind heute viele Deutsche in Gedanken bei den Opfern und ihren Angehörigen. Ihnen gilt unser ganzes Mitgefühl.“

Auch Außenminister Heiko Maas (SPD) äußerte sein Mitgefühl. „Die Nachrichten, die uns heute Morgen von der Tragödie beim Lag B'Omer Fest am Meron Berg in Israel erreichen, sind erschütternd. Unsere Gedanken sind bei den Opfern und ihren Angehörigen“, schrieb er auf Twitter.

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Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell wünschte den Verletzten eine rasche Genesung. Auch EU-Ratschef Charles Michel brachte sein Mitgefühl zum Ausdruck. Seine Gedanken seien bei den Menschen in Israel, schrieb der Belgier auf Twitter. „Wir wünschen euch Kraft und Mut, diese schwierigen Zeiten zu überstehen.“

Kritik an der Polizei

Ein Verletzter im Rambam-Krankenhaus in Haifa erzählte später, etwa 500 Menschen seien in einem Abschnitt eingepfercht gewesen, in dem normalerweise Platz für etwa 50 Menschen sei. „Unten in der ersten Reihe sind Menschen gefallen, und oben haben die Menschen dies nicht gesehen und sich weiter nach vorne gedrängt“, erzählt der bärtige Mann. „Eine Reihe fiel auf die andere.“

Augenzeugen werfen der Polizei vor, sie habe zu viele Menschen in den Abschnitt eingelassen, obwohl dieser bereits extrem voll gewesen sein, und nach dem Unglück nicht schnell genug auf der anderen Seite geöffnet.

Insgesamt waren rund 5000 Sicherheitskräfte im Einsatz.

Der Rettungssanitäter Omri Hochman war einer der ersten am Unglücksort. „Als wir ankamen, herrschte dort große Aufruhr, viele Menschen rannten in unsere Richtung“, schilderte er im Fernsehen. „Der Anblick war sehr schlimm, Dutzende Verletzte lagen nahe der Tribüne und auf der Rampe.“ In sozialen Medien kursierten in der Nacht Bilder, auf denen Reihen von Leichensäcken zu sehen sind.

Die Verletzten wurden in umliegende Krankenhäuser gebracht, einige auch per Rettungshubschrauber. Selbst Soldaten waren im Einsatz, darunter eine Eliteeinheit der Armee. Die Polizei sperrte Zufahrtsstraßen und räumte das Gelände. Berichten zufolge weigerten sich am frühen Morgen jedoch Hunderte Gläubige zu gehen, weil sie beten wollten. Es sei auch zu Konfrontationen gekommen. Der Polizei zufolge gab es Probleme mit dem Handyempfang, viele verzweifelte Menschen konnten Angehörige in Meron telefonisch nicht erreichen.

Ein Zaka-Sprecher sagte am frühen Morgen im Fernsehen, vor Ort herrsche Chaos, viele Kinder seien von ihren Eltern getrennt worden. Man bemühe sich, sie wieder zusammenzuführen. „Ich bin seit mehr als 20 Jahren beim Rettungsdienst, so etwas habe ich noch nie gesehen“, sagte der Sprecher. „Das sind unfassbare Zahlen.“

Tausende Ultraorthodoxe feierten in Meron den jüdischen Feiertag Lag Baomer, als die Panik ausbrach.
Tausende Ultraorthodoxe feierten in Meron den jüdischen Feiertag Lag Baomer, als die Panik ausbrach.

© Reuters/David Cohen/Jinpix

Am Morgen begann die Identifizierung der Todesopfer im forensischen Institut in Abu Kabir bei Tel Aviv. Angehörige suchten nach Medienberichten weiter nach Vermissten. Es wurde damit gerechnet, dass viele der Opfer noch im Verlauf des Tages - vor Beginn des jüdischen Ruhetages Sabbat - begraben werden.

Lag Baomer ist ein Fest, bei dem unter anderem an den jüdischen Aufstand gegen die römischen Besatzer unter Rebellenführer Bar Kochba erinnert wird. Er war im Jahre 132 ausgebrochen und rund drei Jahre später niedergeschlagen worden. Der Überlieferung nach endete an dem Tag von Lag Baomer eine Epidemie, an der damals zahlreiche jüdische Religionsschüler gestorben waren.

Rabbi Schimon Bar Jochai, der auch an dem Aufstand gegen die Römer beteiligt war, liegt auf dem Meron-Berg begraben. Sein Grab ist ein Wallfahrtsort, den an dem Feiertag jedes Jahr Tausende besuchen. Traditionell werden dann auch Lagerfeuer angezündet. Im vergangenen Jahr waren die Feiern wegen der Corona-Pandemie stark eingeschränkt worden, doch inzwischen sind die Infektionszahlen deutlich gesunken und die Regeln wieder gelockert worden. (dpa)

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