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Üppiger Garten fürs Verweilen im Ottmanngut in Meran.

© Rene Riller

Hotelträume in Coronazeiten: Wir kommen wieder, keine Frage

Unsere Autoren wissen, wo sie nach der Krise einchecken werden. Sechs vorfreudige Empfehlungen für kleine Hotels in Europa.

FRÜHSTÜCK UNTER BÄUMEN
Im Garten wachsen Palmen und Zypressen, am Hang gedeiht Wein, und zwischen den Terrassenstühlen tapsen zwei Schildkröten herum. Im Ottmanngut haben Besucher rasch den Eindruck, einer ländlichen Idylle beizuwohnen.

Dabei liegt das Haus mitsamt intimen Park nur ein paar Gehminuten vom Meraner Zentrum entfernt, wo Therme und Laubengänge normalerweise Touristen anziehen. Nichts ist normal in diesen Tagen. „Wir genießen die Zeit im Ottmannguter Garten ganz privat“, sagt Martin Kirchlechner, der das Haus in dritter Generation als Hotel führt.

Vor zehn Jahren begann der studierte Wildtierökologe den großelterlichen Betrieb aufwändig zu sanieren. Zusammen mit dem angesehenen Designer Harry Thaler entwarf er ein Refugium der rustikalen Moderne. Sie legten die alten Holzböden frei, bauten Bäder ein und stellten schlichte Möbelstücke in die elf großzügigen Zimmer.

Wer eine kleine Terrasse hat, schaut zu den Bergen hinauf und atmet die gesunde Alpenluft ein. Die natürlich Hunger macht auf das Frühstück, das der Koch jeden Morgen aus regionalen Zutaten kredenzt. Das ist in Meran inzwischen legendär – und Einheimische dürfen am Wochenende in limitierter Zahl einen Tisch unter den Bäumen buchen.

Im Moment ist das Haus für Gäste geschlossen. Kirchlechner erklärt, man schaue mit einer kleinen Portion Unsicherheit in die Zukunft. Niemand in Südtirol weiß, wann es wieder weiter geht. Daher freut er sich über gute Geister, die mit einem Voucher für Übernachtungen oder das Frühstück den Familienbetrieb unterstützen möchten.

Ottmangut, Verdistraße 18, Meran, Zimmer ab 127 Euro, ottmangut.it

Gleich neben dem Hauptbahnhof von Glasgow befindet sich das Grasshoppers.
Gleich neben dem Hauptbahnhof von Glasgow befindet sich das Grasshoppers.

© Promo

CLUB AM BAHNHOF
Designhotel – was früher ein Versprechen war, klingt heute oft nach einer Drohung: überall dieselbe unterkühlte Einrichtung. Was für eine angenehme Überraschung das Grasshoppers in Glasgow dagegen.

Versteckt im sechsten Stock eines alten Bahngebäudes, hat man das Gefühl, man fährt mit dem Aufzug hoch in einen Club. Die 30 hellen Zimmer liegen an langen Fluren, jedes ist anders eingerichtet. Eichendielen und wunderschön gemusterte Tapeten, warme Farben und moderne Möbel schaffen das Gefühl eines behaglichen Zuhauses. Wo man sogar die Fenster öffnen kann, um den Blick über Glasgow zu genießen.

Der Besitzer ist eigentlich Jurist, auch seine Mitarbeiter kommen fast alle aus anderen Branchen. Das ist Barrie Munn wichtig. Sie haben die besseren Ideen, findet er. Zum Beispiel das Nutella-Eis, das sich eine der Angestellten ausgedacht hat – der Renner.

Unter einer Glashaube warten dicke Makronen auf die Gäste, in der Wohnzimmer-Bibliothek steht Kuchen bereit, Tee und Kaffee macht jeder sich selbst, Gespräche ergeben sich von allein. Das Frühstück wird in einem lustigen, etwas klein geratenen Glaskasten von Küche serviert. Wer mag, lässt sich dort abends bekochen.

Im Moment hat das Hotel nur einen einzigen Gast, der im Krankenhaus arbeitet und umsonst hier wohnen darf. Aber Barrie Munn bastelt an neuen Ideen für das Grasshoppers. Buchungen für die Zukunft werden dankbar entgegengenommen.

Grasshoppers, 87 Union Street, Glasgow, Zimmer ab 60 Euro, grasshoppersglasgow.com

In einem ehemaligen Gutshaus liegt das Kavaliershaus am Finckenersee.
In einem ehemaligen Gutshaus liegt das Kavaliershaus am Finckenersee.

© Michael Pasdzior

WEIN AUF DEM BIEDERMEIERSOFA

Einer schaukelt auf der Hängematte über Hortensien, der andere döst unter Streuobstbäumen, inmitten von Gänseblümchen. Von der Scheune schallt das Klack-Klack Tischtennis spielender Kinder herüber, die Freunde rudern über den einsamen See.

Nachher treffen sich alle wieder, zum regionalen Drei-Gänge- Menü im Restaurant „Klassenzimmer“. Das Kavaliershaus im kleinen Fincken, gelegen an der Mecklenburgischen Seenplatte, war einst eine Dorfschule.

Beisammen und doch weit auseinander – so fühlte sich Urlaub dort schon immer an. Die Zimmer und Suiten haben eigene Aufgänge, sodass man sich als Familie ganze Flügel mieten kann, manche von ihnen bieten direkten Zugang zur Sauna.

Der Park, sechs Hektar groß, ist so gezielt verwildert, dass man sich trotz weiterer Gäste vorkommt, als sei’s das eigene Seegrundstück. Viele Zimmer haben Kochnischen, im Garten steht ein Grill, und abends kann man auf dem Biedermeiersofa im Keller die Weine aus der Bar des Vertrauens trinken.

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Die Berliner Architekten Johanne und Gernot Nalbach haben das Gebäude 2007 in zehn Minuten am Telefon ersteigert und es mit freistehenden Badewannen, Paravans und Bodenkissen in knalligen Farben eingerichtet. Jetzt haben sie sich ein Konzept für Urlaub in Zeiten von Corona überlegt – sobald sie wieder öffnen dürfen.

„Die Besucher haben Zeit, wir haben den Raum“, sagt Johanne Nalbach. Und kein Bundesland hat so wenig Infizierte wie Mecklenburg-Vorpommern. Frühstück aufs Zimmer oder am Tisch zu ganz unterschiedlichen Zeiten, besonders toll für Langschläfer!, das Büffet wird abgeschafft. Die Zimmerreinigung kann man sich gutschreiben lassen, so besucht einen tagelang niemand. Abendessen gibt’s im Park, Restaurant oder auf der Suite. Mit viel Abstand.

Kavaliershaus Schloss Blücher, Hofstraße 12, Fincken, Zimmer ab 105 Euro, kavaliershaus-finckenersee.de

Der Eingang des Hollmann Beletage mitten im Zentrum von Wien.
Der Eingang des Hollmann Beletage mitten im Zentrum von Wien.

© Promo

KLAVIERSPIEL IM WOHNZIMMER
So finster hat man Wien selten gesehen. Die Stadt in Trümmern, ihre Bewohner Denunzianten, wenn nicht gleich Verbrecher. Durch dunkle Gassen laufen die Gestalten in dem Film „Der dritte Mann“. Jeden Abend läuft der Nachkriegsklassiker im Mini-Kino des Hollmann Beletage.

Der Kontrast zum Film-Wien könnte nicht größer sein: Ein warmes Orange und Rot dominiert das charmante Altstadthotel, das, in einem Wohnhaus gelegen, nicht wie ein Hotel wirken will, sondern wie eine Wohnung, gemütlich und modern. Freilich luxuriöser als daheim, mit Garten und eigenem Spielezimmer.

Nachmittags können sich die Gäste Scheiben vom original Wienerischen Leberkäs aus Pferdefleisch abschneiden und ein Bier dazu zapfen, abends im Wohnzimmer Klavier spielen oder sich ein Buch aus dem Regal ziehen. Morgens im Frühstückzimmer mit dem Flair eines Kaffeehauses wird ein opulentes Menü serviert. Sensationell! Mit Palatschinken, den verschiedensten Eierspeisen und hausgemachten Marmeladen.

So war es bisher. Möglich, dass zumindest ein Teil der Gäste in naher Zukunft auf dem Zimmer speist, um anderen Besuchern nicht zu nah zu kommen. Robert Hollmann, Schauspieler und Koch, spielt mit der Idee einer Bentofrühstücksbox. Er hofft, dass im Mai der Betrieb wieder beginnt. Bis dahin bietet er Interessenten Gutscheine an.

Hollmann Beletage, Köllnerhofgasse 6, Wien, Zimmer ab 150 Euro, crazyhollmann.com

Vom Speisesaal des Nordlandet hat man einen spektakulären Blick über die Ostsee.
Vom Speisesaal des Nordlandet hat man einen spektakulären Blick über die Ostsee.

© Martin Smidt

MEERBLICK IN PASTELLFARBEN
Bornholm ist Skandinavien in klein. Jedenfalls landschaftlich. Umkurvt man die Ostseeinsel – sie ist gerade mal 40 Kilometer lang und 30 Kilometer breit – passiert man riesige Sanddünen, schlängelt sich durch dichten Laubwald, kommt an sanften Hügeln vorbei und einer schroffen Felsenküste im Norden.

Da thront auf einer Anhöhe das Nordlandet mit seinen 17 Zimmern und einer Terrasse mit Cinemascope-Blick über die Ostsee. Am Schönsten ist der abends, wenn die Sonne hinter den Felsen verschwindet und den Himmel in geschmackvolle Pastellarrangements färbt, die dem smarten Look des Boutiquehotels in nichts nachstehen.

Das Licht zog bereits viele Künstler nach Bornholm. Maler verbrachten ihre Sommer auf der dänischen Insel, aber auch der Architekt Karl Schliemann aus Charlottenburg. Dem gefiel es so gut, dass er 1910 das „Haus am Meer“ baute, das mit seinem Giebeldach wie aus Legosteinen aussah.

In den 1930er Jahren kam ein Anbau dazu, dann hieß das Etablissement Hotel Romantik. 2015 wurde das Gebäude von Grund auf saniert. Helles Holz, dunkle Wände und samtbezogene Sofas geben dem Nordlandet einen Touch von Mid-Century-Eleganz.

Gerade haben die Zimmer im zweiten Stock größere Fenster bekommen, die in der ersten Etage eine Terrasse, sagt Jonas Pedersen, der Hotelmanager. Doch statt der ersten Gäste kam der Shutdown. Den Start der Saison mussten sie um zwei Monate verschieben, am 1. Juni geht es voraussichtlich los.

Pedersen sagt, vor allem dänische Familien hätten sich angemeldet. Weil derzeit niemand weiß, wie die Sommerferien wirklich aussehen, hat das Haus vorsichtshalber die Regeln für Stornierungen gelockert.

Nordlandet, Strandvejen 68, Allinge, Zimmer ab 200 Euro, hotelnordlandet.com

Im Zürcher Signau House schauen die Gäste direkt in den angrenzenden kleinen Park.
Im Zürcher Signau House schauen die Gäste direkt in den angrenzenden kleinen Park.

© Ulf Lippitz

PARK MIT SEEROSEN
Ein Parkplatz! Wo heute wieder die Blumen im Garten hinterm Haus blühen, befand sich bis vor kurzem noch ein Abstellplatz für Autos. Den haben die drei Familien, die in der Zürcher Stadtvilla ein Hotel eingerichtet haben, zum Glück sofort verschwinden lassen. Das denkmalgeschützte zweigeschossige Haus wurde modernisiert und mit viel Geschmack verschönert.

Neun Zimmer und eine Suite können Gäste seit 2018 buchen, zum Frühstück gibt es frisch zubereitetes Granola und internationale Zeitungen, man kann draußen mit Blick auf den Seerosenteich sitzen oder drinnen vor der holzgetäfelten Wand auf dem Fischgrätenparkett. Vögel zwitschern in den Bäumen, der See ist nur 15 Minuten zu Fuß entfernt, die Altstadt ebenfalls.

Momentan wohnen noch wenige Gäste im Haus, „die in Zürich gestrandet sind“, sagt Geschäftsführer Moritz Staehelin. „Sie genießen die Ruhe.“ Wer mag, kann über die Website Gutscheine für die Zeit nach der Krise erwerben. Nichts würde sich der Hotelier mehr wünschen als deren Ankunft in besseren Zeiten. „Damit sich nicht nur die Enten über die Seerosen freuen.“

Signau House, Signaustraße 6, Zürich, Zimmer ab 235 Euro, signauhouse.com

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