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Schwerelosigkeit. Die folgen müssen auf der Erde geübt werden.

© picture alliance/dpa/Nasa

Die Sparkolumne von Andreas Austilat: Lockdown im Liegen

Wer gar nicht mehr vor die Tür möchte, für den warten 11.000 Euro für einen Job in der Forschung.

Von Andreas Austilat

Das Angebot klingt ziemlich verlockend: 11 000 Euro dafür, dass man eiserne Bettruhe hält. Eine Menge Geld gewissermaßen im Schlaf verdient. Und zwar im Dienste der Wissenschaft. Das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt sucht für eine Studie im Auftrag der Nasa Probanden, die bereit sind, sich für längere Zeit hinzulegen. Allein. Zwei Durchgänge sind für 2021 geplant, jeder dauert zwei Monate.

Zwei Monate extremer Lockdown also. Zwei Monate, in denen man keinen Cent ausgeben kann. Kein Kino, kein Restaurant, keine Bar, nichts. Eigentlich wie jetzt. Viele werden sagen, „kenn’ ich“. Und nicht nur Sparfüchse fangen an zu rechnen. Ob ich zwei Monate zu Hause bleibe, um mich nirgends anzustecken oder mich für die Forschung und 11 000 Euro wegschließen lasse, macht ja kaum einen Unterschied.

Die Zeit läuft

Das Interesse ist dem Vernehmen nach groß, alle Plätze für den ersten Durchgang von April bis Juni sind schon weg. Für den zweiten von September bis November kann man sich aber jetzt beim DLR in Köln bewerben. Vorher sollte man sich allerdings über das Kleingedruckte informieren.

Ziel des Unternehmens ist es, Erkenntnisse über körperliche Veränderungen im Weltraum zu gewinnen. Astronauten, die sich irgendwann einmal auf den Weg zum Mond oder sogar zum Mars machen, riskieren nämlich fortschreitenden Muskelabbau. Das bringt die Schwerelosigkeit so mit sich, in der es bekanntlich so etwas wie den aufrechten Gang nicht gibt. Die Folge sind schlappe Beine und zu viel Blut im Kopf, weil es nicht mehr wie gewohnt nach unten fließt. In allerlei Experimenten soll geklärt werden, was dagegen hilft.

Einfach nur im Bett bleiben

Und wie simuliert man so etwas auf der Erde? Ganz einfach: Indem die Probanden liegen bleiben. Nicht vollkommen eben, sondern mit dem Kopf schräg nach unten, das Bett wird um sechs Grad Richtung Erde geneigt. Die Freiwilligen sollen für 30 Tage im Bett bleiben, sämtliche Aktivitäten im Liegen verrichten, einschließlich Duschen, Essen und Toilettengang, heißt es in der Auftragsbeschreibung. Einzige Abwechslung werden die Experimente sein, an denen man sich zweimal täglich beteiligen muss. Die Eingewöhnung zuvor dauert 15 Tage, abschließend ist eine 14-tägige Erholung vorgesehen. Macht 59 Tage.

Okay, Kopf schräg nach unten klingt jetzt nicht so toll, aber sechs Grad sind bestimmt auszuhalten. Und wer die letzten Wochen nur zwischen Schreibtisch und Couch gependelt ist, der weiß, wie Muskelabbau geht und wird sich davon nicht schrecken lassen.

Besucher müssen draußen bleiben

Vielleicht hätte man die nötige Zahl an Freiwilligen billiger mit Werbespots ködern können, frei nach dem Motto „Werde auch du ein Held, indem du zwei Monate faul bist wie ein Waschbär“. Das hat allerdings schon beim Lockdown für alle nicht so gut funktioniert. Vielleicht hätte es die Bundesregierung also wie das Kölner Raumfahrtzentrum machen sollen und, statt Geld für Spots auszugeben, jedem, der zu Hause bleibt, eine Prämie zu zahlen. Das wäre angesichts der Summen, mit denen hantiert wurde, bestimmt drin gewesen und hätte möglicherweise geholfen. Zu spät.

Natürlich hat die Sache aber noch einen Haken. Genau genommen sogar mindestens zwei. Wer sich an der Nasa-Studie in Köln beteiligt, verpflichtet sich, keinen Besuch zu empfangen. Aber ob jetzt einer kommen darf oder gar keiner mehr, ist das nicht auch egal?

Gravierender ist der zweite Punkt: Hoffentlich ist die Pandemie im September vorbei. Und dann ist zumindest mein Bedarf an Experimenten dieser Art gedeckt. Jedenfalls sehne ich den Tag herbei, draußen wieder ein wenig Geld ausgeben zu dürfen.

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