zum Hauptinhalt
Die Radspur an der Kantstraße wird auch von Falschparkern gerne angenommen.

© Jörn Hasselmann

Aktivisten gegen Falschparker: „Im Schnitt rufe ich zehn Mal die Woche die Polizei“

Großstädte erhalten zehntausende Anzeigen, in denen Menschen andere Bürger wegen Parkverstößen melden. In Berlin waren es 45.000 in einem Jahr.

Mehrere Privat-Pkw blockieren eine Ladezone in der Hamburger Innenstadt. „DHL und Co. halten daher auf der Straße und behindern den Fließverkehr“, schreibt Pia Baconny auf Twitter und dokumentiert die Situation mit einigen Handyfotos. Pia heißt eigentlich Per und belässt es nicht bei den Fotos. Er ruft die Polizei, die ist nach 23 Minuten vor Ort und lässt die Fahrzeuge abschleppen. Per ist geübt in diesem Ablauf, auf seinem Account postet er jede Woche Fotos von Falschparker:innen und den Reaktionen der Polizei.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen von unseren Redakteuren ausgewählten, externen Inhalt, der den Artikel für Sie mit zusätzlichen Informationen anreichert. Sie können sich hier den externen Inhalt mit einem Klick anzeigen lassen oder wieder ausblenden.

Ich bin damit einverstanden, dass mir der externe Inhalt angezeigt wird. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr Informationen dazu erhalten Sie in den Datenschutz-Einstellungen. Diese finden Sie ganz unten auf unserer Seite im Footer, sodass Sie Ihre Einstellungen jederzeit verwalten oder widerrufen können.

Warum tut er das? „Ich bin letztes Jahr in eine neue Gegend gezogen und habe mir wieder ein Fahrrad zugelegt, ein Rennrad“, erzählt er am Telefon. „Da ist mir schnell klar geworden, wie gefährlich das Radfahren in der Stadt ist.“ Ein Grund aus seiner Sicht: falsch parkende Autos, die Sichtachsen verstellen oder Radwege blockieren.

„Im Schnitt rufe ich vielleicht so zehn Mal in der Woche die Polizei“, berichtet Per. Mal wähle er den Notruf, mal rufe er direkt im zuständigen Polizeikommissariat an. Er wisse, dass es höher priorisierte Einsätze gebe, meistens erstatte er deshalb nur digital eine Privatanzeige.

45.000 Privatanzeigen 2020 allein in Berlin

Damit ist er nicht allein. Im vergangenen Jahr zeigten Privatpersonen rund 45.000 Falschparker:innen allein in Berlin an. In anderen Großstädten sind es ebenfalls zehntausende – Tendenz steigend. In Köln erhöhte sich die Zahl der Anzeigen durch Dritte zwischen 2019 und 2020 um gut 15 Prozent, in Bielefeld verdoppelte sich die Zahl sogar.

Dass die Meldungen durch Bürger:innen immer zahlreicher werden, dürfte zwei Ursachen haben: zunehmende Organisation von Aktivist:innen und bessere technische Möglichkeiten. Auf Twitter versammeln sich Gleichgesinnte, beispielsweise unter Hashtags wie #RollestattKnolle, #Abschleppgruppe oder #RuntervomGehweg.

Ein falschgeparktes Auto wird von der Hauptstraße Schöneberg abgeschleppt.
Ein falschgeparktes Auto wird von der Hauptstraße Schöneberg abgeschleppt.

© Jörn Hasselmann

Online finden sich nicht nur die Erfolge leidenschaftlicher Abschlepp-Aktivist:innen, sondern auch Hinweise, wie man am besten vorgeht. Was genau man in Berlin sagen muss, wenn man wegen Falschparker:innen in Berlin die Polizei ruft, erklärt ein Leitfaden der sogenannten Abschleppgruppe.

[Wenn Sie alle aktuellen Nachrichten live auf Ihr Handy haben wollen, empfehlen wir Ihnen unsere App, die Sie hier für Apple- und Android-Geräte herunterladen können.]

Ein Gesprächsleitfaden mit dem Ziel: Abschleppen

Per wartet manchmal, bis die Kräfte vor Ort sind und beobachtet aus der Entfernung, wie die Beamt:innen entscheiden: Wird abgeschleppt, der Fahrzeughalter ermittelt oder ein Strafzettel verteilt? „Ich ärgere mich dann oft. Ein Strafzettel beseitigt die Gefährdung ja nicht.“ Inzwischen habe er ein Gefühl dafür bekommen, in welchen Fällen ein Anruf bei der Polizei dazu führe, dass ein Abschleppwagen anrolle. Der Anruf bei der Polizei ist jedoch zeitaufwendig, schneller geht es, digital Anzeige zu erstatten.

Um als Privatperson Falschparker:innen anzuzeigen, kann man neben dem Postweg auch E-Mail-Adressen der zuständigen Behörden nutzen. Letzteres vereinfachen Plattformen wie weg.li: Dort lassen sich Fotos von Verkehrssünder:innen hochladen. Je nach Handyeinstellungen werden Ort, Uhrzeit und Kennzeichen direkt aus dem Foto übernommen, ansonsten lassen sich diese Daten und die Beschreibung des Verstoßes manuell eingeben. Im Anschluss lässt sich die Anzeige einfach an die entsprechende Behörde abschicken. 

„Lastenralph“ liegt mit 2666 Anzeigen in diesem Jahr vorn

Die Bestenliste zeigt, dass „Lastenralph“ in diesem Jahr bisher vorne liegt, mit 2666 Anzeigen. Für die Städte entstehen durch Falschparker:innen-Anzeigen wie diese Einnahmen aus Bußgeldern. In Hamburg betrugen diese in den vergangenen Jahren jeweils mehr als 600.000 Euro, 2017 waren es sogar mehr als 800.000.

Mit dem neuen Bußgeldkatalog könnten die Einnahmen ab Herbst noch einmal deutlich zunehmen. Die Berliner Polizei teilt auf Anfrage mit, sie begrüße „jedes Engagement aus der Bevölkerung, das zu einer Verbesserung der Verkehrssituation und somit zu mehr Sicherheit auf den Straßen führt“.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen von unseren Redakteuren ausgewählten, externen Inhalt, der den Artikel für Sie mit zusätzlichen Informationen anreichert. Sie können sich hier den externen Inhalt mit einem Klick anzeigen lassen oder wieder ausblenden.

Ich bin damit einverstanden, dass mir der externe Inhalt angezeigt wird. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr Informationen dazu erhalten Sie in den Datenschutz-Einstellungen. Diese finden Sie ganz unten auf unserer Seite im Footer, sodass Sie Ihre Einstellungen jederzeit verwalten oder widerrufen können.

Auch der Architekt Leo Pröttel zeigte in Braunschweig jahrelang Falschparker:innen an. Die Motivation: seine Tochter. „Wenn ich mit ihr durch die Stadt gegangen bin, habe ich gemerkt, dass viele Wege für Kinder kaum benutzbar sind, weil die Wege so schmal oder unübersichtlich sind.“

Er dokumentierte falschparkende Pkw, schrieb Privatanzeigen. Eines Tages erhielt er eine Mail vom Ordnungsamt, dort hieß es: „Ich bitte Sie nach alledem erneut, Privatanzeigen künftig auf Einzelfälle zu beschränken.“ Pröttel ließ nicht locker, schlug der Verwaltung vor, wie man bestimmte Stellen entschärfen könnte. Mit Erfolg. Er bekam einen Termin mit Vertreter:innen von Polizei, Ordnungsamt und Stadt, besichtigte gefährliche Braunschweiger Orte.

An einigen Stellen habe sich seitdem etwas verbessert, beispielsweise seien Poller aufgestellt worden. Als Hilfssheriff fühlt er sich nicht: „Ich gehe nicht los und suche Leute. Aber wenn mich jemand stört, dann zeige ich den an.“ Inzwischen ist er aus Braunschweig weggezogen – auch, weil die Stadt so zugeparkt sei.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false