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Bei dem Zusammenstoß zwischen einer Regionalbahn und einem Auto in Brandenburg sind am Samstagmittag zwei Menschen ums Leben gekommen.

© Philipp Neumann/dpa

Update

Triebwagen schleift Pkw 100 Meter mit: Mutter und Sohn sterben bei Unfall an Bahnübergang in Brandenburg

Am Sonnabend sind auf einem Bahnübergang im Löwenberger Land Mutter und Sohn ums Leben gekommen. Der Übergang ist technisch ungesichert

Die beiden Menschen, die am Sonnabend bei einem Unfall zwischen Auto und Zug starben, sind nun identifiziert. Am Sonntag teilte die Polizei mit, dass in dem Mercedes eine 65-jährige Frau und ihr 31-jähriger Sohn saßen. Sie starben auf einem Bahnübergang nahe dem Ort Grieben (Oberhavel). Dieser Übergang hat keine technische Sicherung, also weder Schranken noch rote Warnlichter. Der Transporter vom Typ Mercedes Vito wurde 100 Meter mitgeschleift und völlig zerfetzt. Es ist nicht der erste Unfall dort.
Nach Angaben der Deutschen Bahn sind etwa 65 Prozent ihrer Übergänge technisch gesichert. Doch die Strecke von Löwenberg nach Rheinsberg gehört seit mehreren Jahren zum Netz der privaten Firma „Regio Infra Nord-Ost“. Teilweise fahren nur einzelne Güterzüge dort. Auf den Strecken von Regio Infra ist der Anteil der ungesicherten Querungen deutlich höher, Zahlen gibt es nicht.
Die Kriminalpolizei ermittelt jetzt, wie schnell die 65-Jährige fuhr. Triebwagen und Transporter wurden für die weiteren Ermittlungen beschlagnahmt. Die Datenschreiber aus Triebwagen und Transporter werden jetzt ausgewertet. Die Kreuzung mit dem Gleis ist gut einsehbar, zudem gilt Tempo 30. Nach Angaben der zuständigen Polizeiinspektion stammen die Getöteten nicht aus der Nähe des Unfallortes, es sei also offen, ob sie den Bahnübergang kannten. Hier quert die Kreisstraße 6512 von Grieben nach Glambeck eine wenig befahrene Eisenbahnstrecke von Löwenberg nach Rheinsberg. Erst seit 2019 fahren hier ganzjährig wieder Züge, zwölf pro Tag. Zuvor hatte es auf der Ausflugsstrecke von Berlin nach Rheinsberg nur Ausflugsverkehr in der Sommersaison gegeben.
Die Linie RB54 wird von der privaten Niederbarnimer Eisenbahn im Auftrag des regionalen Verkehrsverbunds (VBB) betrieben. Die Strecke ist für Tempo 80 zugelassen. Lokführer sind verpflichtet, vor diesem Übergang ein lautes Pfeifsignal abzugeben. An anderen Bahnübergängen wurde nach Unfällen ein Tempolimit für Züge angeordnet, doch dies bremst die Bahn aus und macht sie unattraktiv.
Immer wieder unterschätzen Autofahrer die Gefahren an Bahnübergängen. Auf genau diesem Übergang mit der Kreisstraße 6512 hatte es 2016 innerhalb weniger Tage sowie 2019 insgesamt drei Unfälle mit Verletzten gegeben. 2020 war auf der Strecke bei Lindow ein Autofahrer getötet worden.
Die Rechtslage ist klar: Das Andreaskreuz gewährt der Bahn immer Vorfahrt. Die Art der Sicherung hängt von der Art der Strecke (Hauptbahn oder Nebenbahn) sowie der Geschwindigkeit des Zuges und der Verkehrsstärke auf der Straße ab, teilte die Bahn mit. Seit Jahrzehnten wird über eine bessere Sicherung diskutiert, doch das ist teuer. Die Kosten müssen sich Bahn, Gemeinde und der Eigentümer der Straße teilen, dies ist so vereinbart. Nebenstrecken bis Tempo 80 dürfen ungesichert sein, oft sind es nur Feld- oder Waldwege. Alleine an der Strecke zwischen Löwenberg und Rheinsberg gibt es 41 Übergänge, fast alle sind ungesichert. Schranken hat zum Beispiel die stark befahrene Bundesstraße 96 in Löwenberg an dieser Strecke. Erst ab einem Streckentempo von über 160 Kilometer pro Stunde sind Übergänge grundsätzlich verboten, Straßen müssen dann per Tunnel oder Brücke kreuzen.

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Nach Angaben der Deutschen Bahn werden mehr als 95 Prozent der Unfälle durch „Leichtsinn, Ungeduld und Unkenntnis“ verursacht, heißt es in der letzten Jahresbilanz. Im Jahr 2018 ereigneten sich an technisch gesicherten Bahnübergängen fast dreißig Prozent mehr Unfälle als an ungesicherten Bahnübergängen. 63 Mal wurden gesenkte Halbschranken bundesweit umfahren – purer Leichtsinn, wie es bei der Bahn heißt. In Brandenburg gibt es alleine im DB-Netz 882 Übergänge. In Berlin sinkt deren Zahl seit Jahren. 2016 nannte die Bahn noch 19. Vier davon werden derzeit beim Ausbau der Dresdner Bahn durch Tunnel oder Brücken ersetzt. Zuletzt starben 2018 zwei Männer an der Stadtgrenze bei Hoppegarten: Sie wollten trotz geschlossener Schranke eine haltende S-Bahn erreichen – und wurden von einem Regionalzug erfasst..

Nach Angaben der Polizei blieben der Triebwagenführer und die vier Fahrgäste unverletzt, sie wurden durch Rettungskräfte und Notfallseelsorger betreut. Der Sachschaden beträgt etwa 100.000 Euro.

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