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Für ihre Fahrten durch Berlin braucht die S-Bahn immer teureren Strom.

© imago images/Rüdiger Wölk

„Wir rutschen tief in die roten Zahlen“: Stromkosten der Berliner S-Bahn steigen um 100 Millionen Euro

Wegen steigender Energiepreise bekommt die Berliner S-Bahn Finanzprobleme. In zwei Jahren haben sich die Kosten verdreifacht. Drohen jetzt höhere Ticketpreise?

Mit Hunderten Wagen ist die Berliner S-Bahn täglich in der Stadt unterwegs. Entsprechend hoch ist der Stromverbrauch des Unternehmens, um die vielen Fahrzeuge mit einem Leergewicht von 236 Tonnen je Vollzug auf der Schiene anzutreiben: Insgesamt verbraucht die S-Bahn laut Unternehmensangaben 400 Gigawattstunden Strom pro Jahr.

Die steigenden Energiepreise in Deutschland führen daher nun zu großen finanziellen Problemen. „Durch die Stromkosten rutschen wir tief in die roten Zahlen“, sagte S-Bahn-Chef Peter Buchner. Allein für den Fahrstrom hätten sich die Kosten seit 2020 von 50 Millionen Euro auf voraussichtlich 150 Millionen Euro in diesem Jahr verdreifacht.

Einsparpotenzial gibt es dabei nicht, solange der öffentliche Personennahverkehr in Berlin laufen soll. Ein Problem, das viele Nahverkehrsunternehmen trifft. Doch wer trägt die zusätzlichen Kosten? Springt der Staat ein, oder werden die Fahrgäste über höhere Ticketpreise die Löcher stopfen müssen? Während bundesweit über neue Ticketmodelle diskutiert wird, laufen im Hintergrund schon Pläne für die neuen Tarife in Berlin und Brandenburg – und die Debatten, die Frage, wie sie finanziert werden sollen.

Holzhackschnitzel statt Gas

Für die Berliner S-Bahn ist der Strom nicht der einzige Kostentreiber. Erst vor knapp zehn Jahren hat das Unternehmen seinen Betriebshof in Schöneweide komplett auf die Versorgung mit Gas umgestellt. Die nun entstehenden Mehrkosten für Gas ließen sich noch nicht beziffern. Doch das Unternehmen will angesichts drohender Preissprünge aus der Abhängigkeit von dem fossilen Energieträger schnellstens raus. „Wir wollen jetzt mit Hochdruck weg vom Gas, aber das geht nicht so schnell“, sagte Buchner.

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Erst 2024 könne die gesamte Anlage mit Holzhackschnitzeln betrieben werden. Wie die Privathaushalte stößt jedoch auch das Nahverkehrsunternehmen an vielen Stellen auf steigende Kosten. „Die Inflation trifft uns überall“, sagte Buchner.

Auffangen könnte die Kosten zunächst der Mutterkonzern Deutsche Bahn, der in den vergangenen Jahren gut mit der Berliner S-Bahn verdient hat. 2020 erwirtschaftete das Unternehmen einen Gewinn von 46,8 Millionen Euro. Wegen bereits damals stark gestiegener Preise brach das Ergebnis 2021 ein, trotzdem blieb noch ein Plus von 10,7 Millionen Euro. Zumindest indirekt würde auch dann der Staat durch seine hundertprozentige Beteiligung die höheren Kosten tragen.
Auch die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) merken die steigenden Energiepreise, wenn auch deutlich weniger stark. Seit 2018 sind die Stromkosten von damals 44 Millionen Euro auf rund 58 Millionen Euro im vergangenen Jahr gestiegen – auch weil seither die E-Busflotte neu aufgebaut wurde. Zugleich sanken daher die Dieselkosten von 50 auf 43 Millionen Euro.

Aktuell sieht sich das Unternehmen gut aufgestellt. Die derzeitig starken Energiepreisanstiege könnten für die Jahre 2022 und 2023 gut aufgefangen werden, weil ein Großteil des Strom- und Dieselbedarfs bereits vorab zu niedrigeren Festpreisen eingekauft worden sei, erklärte ein BVG-Sprecher. Perspektivisch sei eine vollständige Kompensation der gestiegenen Energieaufwendungen aber „voraussichtlich nicht möglich“. Bei der Revision des Verkehrsvertrags im Jahr 2024 könnten die Ausgleichszahlungen durch das Land Berlin daher unter Umständen angepasst werden.

CDU-Chef Wegner für 365-Euro-Jahresticket

Dass die höheren Kosten zu steigenden Tickettarifen führen könnten, wird bereits seit einigen Monaten diskutiert. Schon im Frühjahr war der vom Verkehrsverbund Berlin-Brandenburg (VBB) errechnete Index aus der Entwicklung der Kraftstoff-, Strom- und Verbraucherpreise um 5,6 Prozent gestiegen. Der Wert dient als Grundlage bei der Erhöhung der Nahverkehrstarife – und spiegelt die neue Preisrealität mittlerweile schon längst nicht mehr wider. „Wir sind gerade nochmal dabei, den Index zu berechnen“, sagte ein VBB-Sprecher. Er dürfte deutlich höher ausfallen. Steigende Ticketpreise werden dadurch noch wahrscheinlicher. Zumindest die Stammkunden dürfe das nicht treffen, fordert Verkehrspolitiker Kristian Ronneburg (Linke): „Unser Ziel ist in erster Linie, die Abos stabil zu halten.“

Angesichts der drohenden Finanzlöcher sprach sich der Berliner CDU-Fraktionsvorsitzende Kai Wegner gegen steigende Ticketpreise aus. „Am Ende des Tages muss es jemand bezahlen, aber das können nicht die Kunden sein.“ Wegen der steigenden Preise dürften die Menschen nicht durch höhere Fahrkartenpreise vom Staat zusätzlich belastet werden. Wegner forderte stattdessen von der Berliner Landesregierung und dem Bund direkte Zuschüsse für die Nahverkehrsunternehmen.

In der Debatte um das Neun-Euro-Ticket wandte sich der Berliner CDU-Vorsitzende gegen eine Fortführung des Angebots. Stattdessen forderte er statt der heutigen Tarifzonen erneut die Einführung eines 365-Euro-Jahrestickets, das für den gesamten Raum Berlin-Brandenburg gültig sein solle.

Verkehrssenatorin Jarasch für 29-Euro-Ticket in Berlin in Brandenburg

Unabhängig von der laufenden Tarifanpassung diskutieren Politiker in Bund und Ländern längst über Nachfolgeangebote für das Ende August auslaufende Neun-Euro-Ticket.

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Zuletzt sprachen sich die Grünen im Bund für ein regional im Nahverkehr gültiges 29-Euro-Ticket aus. In der Hauptstadtregion würde es für Berlin und Brandenburg gelten. Für ein bundesweites Nahverkehrsticket schlägt die Partei 49 Euro vor.

Dem Vorstoß der Bundespartei schloss sich nun Berlins Verkehrssenatorin Bettina Jarasch (Grüne) an. Es handele sich um „ einen sehr guten Vorstoß.“ Jarasch ließ erstmals durchblicken, dass sich das Land Berlin an der nötigen Finanzierung einer solchen Lösung beteiligen könnte.

Zwar müsse das Geld dafür hauptsächlich vom Bund kommen, und dies dürfe nicht zu Lasten des dringend nötigen Ausbaus des öffentlichen Personennahverkehrs gehen. Dann jedoch sei „es richtig, dass auch die Länder einen Anteil für ein Nachfolgeticket leisten“.

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