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Die Kritik ist entbrannt, weil die Schulräte mehrfach erst nach Presse-Berichterstattung Konsequenzen einleiteten.

© Kitty Kleist-Heinrich

Wenn die Schulaufsicht versagt: Berliner Koalition und Gewerkschaft fordern unabhängige Beschwerdestelle

Immer wieder kommt es in Berlin zu Fällen, in denen der Schulaufsicht Missstände entgehen. SPD, Grüne und die GEW wollen das nicht länger hinnehmen.

Einmal ist es die freundschaftliche Nähe zur Schulleitung, ein anderes Mal eine falsche Vorgabe der Behördenspitze oder schlicht Zeitmangel: Viele Gründe werden genannt, wenn die Schulaufsicht versagt. Jetzt wollen SPD, Grüne und die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) solche Missstände nicht länger hinnehmen, sondern die Strukturen ändern. Von der Kritik betroffen ist auch die Antidiskriminierungsarbeit der Senatsverwaltung für Bildung.

„Unsere Forderung dazu ist eine unabhängige Beschwerdestelle beim Parlament“, erläuterte SPD-Bildungsexpertin Maja Lasic. Das „Kompetenzspektrum“ einer solchen Institution sei umfassender und das Vertrauen der Bevölkerung größer als bei einer Ombudsstelle, wie es die Grünen fordern. Lasic wies am Montag darauf hin, dass auch die Migranten-Selbstorganisationen (MSO) eine solche Anlaufstelle seit Langem forderten.

Die Schulaufsicht ist in den vergangenen zwei Jahren immer wieder in den Fokus gerückt. Das prominenteste Beispiel war die Staatliche Ballettschule und Schule für Artistik, die wegen Kindeswohlgefährdung aufgefallen war. Es stellte sich während der monatelangen Aufklärungsarbeit heraus, dass die Schulaufsicht massiv versagt hatte. Und das galt nicht nur für den Bereich der Kindeswohlgefährdung, sondern auch für andere Missstände. So wurden jahrelang teure Auslandsreisen bezahlt – und auch dann noch finanziert, wenn sie nicht genehmigt waren.

Aufsehen erregte auch die Freie Schule am Elsengrund in Mahlsdorf, wo Leitungspersonal unter Rechtsextremismusverdacht geraten war. Am Freitag gab es zwei Rücktritte. Die Bildungsverwaltung hatte auch in diesem Fall lange geprüft, aber zunächst „keine Anhaltspunkte“ gefunden. Nach einem WDR-Bericht im Januar begann eine weitere Prüfung.

Zudem gab es einen Fall am Oberstufenzentrum KIM in Wedding, wo ein Lehrer Corona-Masken mit Hakenkreuzen verglichen und Verschwörungsideologien geäußert hatte. Dazu sagte der Vorsitzende der GEW, Tom Erdmann, dass die Bildungsgewerkschaft schon lange eine unabhängige Beschwerdestelle fordere, „um die Schutzlücke für Schüler:innen zu schließen“. Das solle nicht nur für die freien Schulen oder für die Berufsschulen, sondern „für den gesamten Schulbereich gelten“. Zuerst hatte der RBB über den Vorstoß der Gewerkschaft berichtet.

Nach dem Ballettschulskandal wurden die Zuständigkeiten geändert

Eine parlamentarische Anfrage der bildungspolitischen Sprecherin der Grünen im Abgeordnetenhaus, Marianne Burkert-Eulitz, erbrachte wenig Aufschluss über die Arbeit der Schulaufsicht. Sie sei darüber nicht erfreut, kommentierte die Grünen-Politikerin die lückenhaften Antworten. Sie werde weiter fragen. Auch Regina Kittler, bildungspolitische Sprecherin der Linken, sieht ein Problem bei der politischen Kontrolle der Schulkontrolleure, berichtet der RBB.

Die Schulaufsicht der zentral verwalteten Schulen wurde nach dem Ballettschulskandal umgebaut: Für die Eliteschulen ist jetzt wieder die Abteilung für die Berufliche Bildung zuständig. Zwischenzeitlich waren sie einer eigens eingerichteten Stabstelle zugeordnet worden, die aber personell unterbesetzt gewesen sein soll, berichten Fachleute übereinstimmend. Der Schulaufsichtsbeamte, der während und vor dem Skandal jahrelang zuständig war, wurde abgelöst.

Nur ein einziger Schulaufsichtsbeamter wurde in fünf Jahren belangt

Disziplinarische Konsequenzen wie Abmahnungen oder Kündigungen kommen aber praktisch nicht vor, sind juristisch auch nur schwer durchsetzbar. Auf die Frage von Burkert-Eulitz, wie oft Schulaufsichtsbeamte in den vergangenen fünf Jahren mit "Maßnahmen" belangt wurden, antwortete Bildungs-Staatssekretärin Beate Stoffers (SPD), dies sei nur "in einem Fall" passiert, heißt es in der Anfrage, die dem Tagesspiegel vorliegt (zum Nachlesen HIER).

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Im Hinblick auf die Forderung nach einer unabhängigen Beschwerdestelle verweist die Bildungsverwaltung laut RBB auf die bereits existierende Beschwerdeeinrichtung im eigenen Haus.

Auch das Beschwerdemanagement hatte versagt

Dies reicht den Koalitionären aber nicht, zumal diese Beschwerdestelle auch im Fall der Ballettschule versagt hatte: Zwei Lehrer der Ballettschule hatten sich vor Jahren vergeblich dorthin gewandt. Auch im Fall der Johanna-Eck-Schule, in der es vor zwei Jahren einen Skandal um die damalige Schulleitung gab, hatte die Beschwerdestelle offenbar nicht zur Lösung beigetragen. Auch in diesem Fall wurde erst auf mehrfache Medienberichte und massenhafte Kündigungen im Kollegium reagiert. Da war die Schule bereits zerrüttet.

Dervis Hizarci war bis September Antidiskriminierungsbeauftragter. Seitdem ist die Stelle frei.
Dervis Hizarci war bis September Antidiskriminierungsbeauftragter. Seitdem ist die Stelle frei.

© Doris Spiekermann-Klaas

Einen Antidiskriminierungsbeauftragten gibt es seit sechs Monaten nicht

Nur eingeschränkt arbeitsfähig ist zur Zeit die Stelle der oder des Antidiskriminierungsbeauftragten. Vorausgegangen waren zwei Rücktritte. Beide ehemaligen Beauftragten - zunächst Saraya Gomis, dann Dervis Hizarci - hatten das damit begründet, dass sie nicht genug Durchgriffsrechte hätten, um Missstände anzugehen. Die Stelle war seit September vakant. Das Stellenbesetzungsverfahren sei „im November abgeschlossen“ gewesen, teilte ein Verwaltungssprecher mit. Es habe "mehrere geeignete Bewerberinnen und Bewerber" gegeben.

Warum die Stelle dennoch nicht besetzt ist, und ob dies mit einer Konkurrentenklage zu tun hat, wollte der Sprecher mit Hinweis auf "Personaleinzelangelegenheiten" nicht sagen.

Zur Not helfen die Medien

Seitens des Landeselternausschusses gibt es keine Forderung nach einer neuen unabhängigen Beschwerdestelle, wie Koalition und GEW sie fordern. "Bei mir laufen immer wieder Fälle auf, bei denen ich Kontakt zur Schulaufsicht empfehlen. Das klappt in den allermeisten Fällen und die genannten Probleme werden gelöst", sagte Landeselternsprecher Norman Heise auf Anfrage. Die bekannten Fälle an der Ballettschule oder Elsengrund-Schule seien am Ende, "auch über die Medien bekannt und in Lösung gebracht worden".

Das sei dann auch die Empfehlung des Landeselternausschusses, "wenn alles andere nicht funktioniert hat". Heise gab zu bedenken, dass eine Ombudsstelle "am Ende auch nur vermittelt und prüft, ob recht- bzw. verhältnismäßig gehandelt wurde". Rechtliche "Handlungen" gingen davon nicht aus.

"Diesen Mangel haben wir ja in den letzten Jahren bei den beiden Antidiskriminisierungsbeauftragten der Senatsverwaltung für Bildung gesehen", sagte Heise. Einen "Mehrwert" sehe er im Moment nur in der Entlastung aller, die sonst in diese Prozesse involviert werden".

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