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Der Kochbuchautor und Anti-Corona-Aktivist befindet sich in der Türkei.

© dpa/Christophe Gateau

Update

„Maulwurf in den eigenen Reihen“: Berliner Justizmitarbeiterin versorgte Attila Hildmann mit Informationen

Sie nahm an „Querdenker“-Demos teil: Eine IT-Mitarbeiterin der Staatsanwaltschaft stach Interna an Attila Hildmann durch. Der sagt: „Das ist kein Einzelfall!“

Im Zusammenhang mit Ermittlungen gegen den rechtsradikalen Verschwörungsideologen Attila Hildmann verdächtigt die Berliner Staatsanwaltschaft eine ehemalige Mitarbeiterin, Interna verraten zu haben. „Wir müssen leider von einem Maulwurf in den eigenen Reihen ausgehen“, sagte Behördensprecher Martin Steltner am Montag in Berlin. Die Staatsanwaltschaft ermittle wegen des Verdachts der Verletzung des Dienstgeheimnisses und der versuchten Strafvereitelung.

Im Verdacht stehe eine frühere Mitarbeiterin der Generalstaatsanwaltschaft. Sie soll interne Informationen zu einem Haftbefehl an den rechtsradikalen Verschwörungserzähler Attila Hildmann weitergegeben haben. Damit bestätigte Steltner entsprechende Recherchen der ARD und des "Spiegel".

Aufgefallen sei die Frau bei einer Demonstration gegen Corona-Maßnahmen. Dort sei sie auffällig geworden und habe sich als Mitarbeiterin der Justiz zu erkennen gegeben. Die Überprüfung des Informationssystems habe ergeben, dass Daten zu Personen aus der rechtsextremistischen und „Querdenker“-Szene abgefragt worden seien. „Wir haben die Person daraufhin fristlos gekündigt im Mai“, so Steltner. Im Juli habe es bei der Frau Durchsuchungen gegeben. Daten seien sichergestellt worden.

Nach ARD-Informationen handelt es sich um die 32-jährige M. aus Berlin. Sie soll unter anderem auf Unterlagen zum Ermittlungsverfahren gegen Hildmann zugegriffen haben. Wie der "Spiegel" berichtet, soll sie auch Informationen zu dem rechtsextremen Videoblogger und selbsternannten "Volkslehrer" Nikolai Nerling abgerufen haben. Dem "Spiegel" zufolge soll sie auf Fotos in erster Reihe bei "Querdenker"-Demos zu sehen sein.

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Verdächtige besuchte Hildmann in der Türkei

Steltner hatte dem Sender zuvor schon bestätigt, dass es sich die Verdächtige als System-Administratorin in der IT-Abteilung der Behörde gearbeitet habe. Es habe strafrechtliche Konsequenzen für sie gegeben, teilte Berlins Justizsenator Dirk Behrendt (Grüne) der Deutschen Presse-Agentur am Montag mit.

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Neben der Weitergabe von Daten soll die Beschuldigte den in Deutschland gesuchten Hildmann auch Anfang des Jahres in der Türkei besucht haben. Dies behauptet ein ehemaliger Weggefährte von Hildmann, Kai Enderes, im ARD-Interview. Die Justizmitarbeiterin M. habe auch den Haftbefehl an Hildmann weitergegeben, erzählte Enderes demnach.

Infos der Mitarbeiterin angeblich nicht Ursache für Flucht

Diese Information soll allerdings nicht Ursache für dessen Flucht gewesen sein. Sie habe Hildmann "nur nachträglich Gewissheit über das tatsächliche Vorliegen eines Haftbefehls gegeben", sagte Behördensprecher Steltner. „Er hat sich bereits Ende Dezember letzten Jahres in die Türkei abgesetzt, die Vorgänge über die wir sprechen, die fanden im Februar diesen Jahres statt.“

Musste über ein Leck bei der Staatsanwaltschaft berichten: Behördensprecher Martin Steltner.
Musste über ein Leck bei der Staatsanwaltschaft berichten: Behördensprecher Martin Steltner.

© Paul Zinken/dpa

Enderes bestätigte diese Einschätzung: Bereits Ende 2020 sei er mit Hildmann aus Deutschland ausgereist - wegen der bloßen Vermutung, dass eine Festnahme zu erwarten sei.

[Lesen Sie hier zudem: „Er liebt Krieg, er liebt den Kampf“ – Vertrauter von Attila Hildmann packt aus (T+)]

Schon im September war bekannt geworden, dass Hildmann am 15. Dezember, also etwa zwei Monate vor Bekanntgabe des Haftbefehls der Berliner Staatsanwaltschaft im Februar, Deutschland in Richtung Polen verlassen haben soll. Von dort ist er angeblich über die Slowakei und Bulgarien mit dem Auto in die Türkei gereist.

Hildmann: „Ich war schon lange in Sicherheit in der Sonne“

Hildmann selbst reagierte am Montag bei Telegram auf die jüngsten Berichte. „Ich war schon lange in Sicherheit in der Sonne als mir ein angeblicher 'Informant' irgendwas zuspielte!“, prahlte er. „Täglich schicken mir BRD-Mitarbeiter Infos, das ist kein Einzelfall!“

Die Justiz will den Berichten zufolge nun Konsequenzen aus dem Datenskandal in der Generalstaatsanwaltschaft ziehen. Es soll demnach künftig umfassender erfasst werden, wer wann auf welche Dokumente zugegriffen hat. Außerdem prüft die Strafverfolgungsbehörde, wie Daten in sensiblen Ermittlungsverfahren besser vor unberechtigtem Zugriff geschützt werden können, sagte ein Sprecher der Berliner Justizverwaltung auf Anfrage.

Ranghohe Richterin: Auch Querdenker-Sympathisanten in der Justiz

Unterdessen zeigte sich eine ranghohe Richterin wenig überrascht von dem Fall. Der Anteil von Menschen, die Querdenkern und anderen verschwörungstheoretischen Gruppen näher stünden, sei in der Justiz nicht kleiner als im Rest der Gesellschaft, sagte die Richterin.

[Lesen Sie zudem: Hildmann, Naidoo, Nena – Der Schmerz, der bleibt, wenn die Helden der Jugend sich entzaubern (T+)]

Sie erinnerte an einen Fall aus dem vergangenen November, in dem eine Staatsanwältin an mitunter gewalttätigen Protesten der Querdenken-Bewegung teilgenommen und im Netz Verschwörungstheorien verbreitet hatte. Der Tagesspiegel hatte seinerzeit exklusiv über die Personalie berichtet.

Strafverfahren unter anderem wegen Volksverhetzung

Die ehemalige Justizmitarbeiterin M. wollte den Recherchen zufolge zu den Vorwürfen keine Stellung nehmen. Hildmann, der der ARD nach deren Angaben ein Interview gegeben hat, wollte sich demnach zu den konkreten Vorwürfen nicht äußern.

Gegen Hildmann laufen seit vergangenem Jahr Strafverfahren wegen wegen Volksverhetzung, Verdachts der öffentlichen Aufforderung zu Straftaten und Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte. In dem nun getätigten Interview habe der 40-Jährige eingestanden, dass er als Volksverhetzung strafbare Äußerungen getätigt habe.

Hildmann, der die deutsche und türkische Staatsangehörigkeit hat, soll sich derzeit in der Türkei aufhalten. Die Türkei liefert türkische Staatsangehörige nicht aus. In die Bundesrepublik werde er nicht zurückkehren, sagte Hildmann den ARD-Angaben nun. (Tsp, AFP, dpa)

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