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Berliner Gewerbetreibende fühlen sich durch die Razzien stigmatisiert.

© Paul Zinken/dpa

„Unverhältnismäßig und stigmatisierend“: Neuköllner Shishabar-Betreiber kritisieren Gewerbekontrollen

Die Betreiber von Shishabars und Spätis im Norden des Berliner Bezirks Neukölln werfen Bezirksamt und Senat vor, sie mit unverhältnismäßigen Kontrollen als kriminell zu brandmarken. 

Zum Teil über 100 Einsatzkräfte, Straßenabsperrungen, schwere Montur: 24 Neuköllner Betreibende von Shishabars und anderen Gewerbebetrieben haben einen Offenen Brief an Neuköllns Bezirksbürgermeister Martin Hikel und die Berliner Innensenatorin Iris Spranger (beide SPD) gerichtet, in dem sie „unverhältnismäßige Gewerbekontrollen“ kritisieren. 

Der implizite Vorwurf: Rassismus und die Stigmatisierung von Menschen mit Migrationsgeschichte. Unterzeichnet wurde der Brief unter anderem von Späti- und Shishabarbetreibern aus dem Norden Neuköllns.

„Als Neuköllner Gewerbetreibende stehen wir für Shisha- und Essenskultur, Gastfreundschaft und gutes Zusammenleben im Bezirk“, heißt es in dem Brief, der dem Tagesspiegel vorliegt.

Allerdings würden die Betreiber:innen seit 2018 eine Entwicklung beobachten, die sie für kritikwürdig halten: So würden regelmäßig migrantische Bars, Bäckereien, Spätis und andere Gewerbe in aus ihrer Sicht unverhältnismäßigem Ausmaß von Polizei und anderen Behörden kontrolliert.

Diese Kontrollen würden dann als „Razzien gegen Clankriminalität“ bezeichnet, wodurch die Gewerbetreibenden sich stigmatisiert fühlen. Es entstehe der Eindruck, dass die Betreiber:innen aller kontrollierten Gewerbe kriminell seien. Dies würde noch dadurch verstärkt, dass häufig schwer bewaffnete Polizist:innen und auch Pressevertreter:innen die Kontrollen begleiten würden. 

[Dieser Text stammt aus dem Neukölln-Newsletter vom Tagesspiegel. Den kompletten Newsletter gibt es kostenlos unter leute.tagesspiegel.de]

„Unsere Nachbarn werden durch dieses Vorgehen verunsichert, unsere Gäste bleiben weg. Wir empfinden das als Schikane“, heißt es in dem Brief. Und weiter: „Wir haben Verständnis dafür, dass Gewerbe kontrolliert und Regeln überprüft werden. Aber wir möchten nicht vorverurteilt und ohne Beweise als Kriminelle dargestellt werden.

Wir erwarten, dass unsere Gäste von Polizei und Ordnungsbehörden wie alle anderen Menschen behandelt werden – mit Fairness und Respekt. Ermitteln sie gerne gegen Kriminalität, bringen Sie Straftäter vor Gericht. Aber verdächtigen Sie dafür nicht die migrantischen Läden eines ganzen Stadtteils.“

[Lesen Sie mehr mit Tagesspiegel-Plus: Der Neuköllner Shisha-Bar-Streit: Drogen, Waffen, Geldwäsche – das bringen die Berliner Verbundkontrollen]

Bezirksbürgermeister Martin Hikel wies den Vorwurf, dass sich die Kontrollen gezielt gegen „migrantisches Gewerbe“ richten würden, auf Nachfrage zurück. Auch sei der Begriff „Razzia“ nicht korrekt. „Gewerbekontrollen sind Gewerbekontrollen“, sagte Hikel. Das Bezirksamt gehe „Hinweisen auf mögliche Unrechtmäßigkeiten“ nach. 

Den Vorwurf, dass etwa die Zahl der Einsatzkräfte übertrieben sei, ließ Hikel hingegen unkommentiert und verwies stattdessen auf Projekte der Neuköllner Wirtschaftsförderung, die „gezielt migrantische Betriebe beraten“ würden. „Das migrantische Gewerbe ist Ausdruck der Neuköllner Vielfalt, auch und gerade rund um die Sonnenallee“, sagte Hikel weiter.

Er kündigte an, sich gerne mit den Gewerbetreibenden zu einem gemeinsamen Dialog treffen zu wollen – allerdings nicht „über eine öffentliche Diskussion“. Innensenatorin Iris Spranger ließ die Nachfrage des Tagesspiegels bislang unbeantwortet. 

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