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Sozialsenatorin Elke Breitenbach (Linke), aus deren Verwaltung der Gesetzentwurf stammt, und Senatskanzlei-Chef Christian Gaebler (SPD).

© Bernd von Jutrczenka/dpa

Heftiger Streit der Berliner Regierung: Die Migrantenquote legt die Sollbruchstelle von Rot-Rot-Grün frei

Das Ziel ist das Gleiche, um den Weg wird gekämpft. Der Wahlkampf beginnt mit dem ungünstigsten Thema dafür. Was sagt das über die Zukunft von Rot-Rot-Grün?

Politik ist, wie die Liebe, oft ein seltsames Spiel. Als erste deutsche Landesregierung diskutiert der rot-rot-grüne Senat in diesen Tagen über eine sogenannte Migrantenquote in der Verwaltung.

Der Anteil von Menschen mit Migrationshintergrund im öffentlichen Dienst soll genauso hoch sein wie in der Stadt. Das wären 35 Prozent. So eine massive Erhöhung der Vielfalt im Staatsapparat wäre, egal wie, historisch. Das politische Vermächtnis einer Regierung.

Jede Berliner Schulklasse, jedes Unternehmen ist heute diverser aufgestellt als weite Teile des öffentlichen Dienstes. Weil sich das seit Jahren – außer bei der Polizei – kaum ändert, holte Integrationssenatorin Elke Breitenbach (Linke) Mitte Januar die Brechstange raus. Die Quote soll es bringen. Verfassungsrechtlich ist das zwar umstritten, das ist das Paritätsgesetz aber auch: Natürlich ist es politisch legitim, den Versuch zu wagen.

Doch die Debatte ist heikel. Kritiker beschwören fälschlich den Abschied von der Bestenauslese. Rechte verbreiten obskure Verschwörungserzählungen über eine Unterwanderung des Staatsapparats.

Migrantenverbände dagegen wollen nicht länger bitten, nicht mehr vertröstet werden. Menschen, die seit Generationen in Berlin leben, fühlen sich nicht repräsentiert. Eine Art Staatsversagen.

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Umso unverständlicher erscheint der heftige Streit, der um die Quote in der rot-rot-grünen Koalition entbrannt ist. Erst ein halbes Jahr vor dem Wahltag legte die Integrationsverwaltung das Papier vor. Ungewöhnlich spät für ein solches Vorhaben. Ungewöhnlich auch, dass rechtliche Bedenken der Innenverwaltung mehrfach ignoriert worden sein sollen. So wird nun ein integrativ gedachtes Gesetz ins Gegenteil verkehrt: zum identitätspolitischen Marker im Wahlkampf.

Denn im Ziel ist sich die Koalition zwar weitgehend einig, der Kampf um den richtigen Weg dorthin wird aber erbittert geführt. Die Linken wollen die Migrantenquote unbedingt. Die Grünen wollen sie auch, nennen sie aber lieber nicht so. Die SPD lehnt die 35-Prozent-Regel geschlossen ab, will aber andere verbindliche Maßnahmen festschreiben.

Politischer Kampf, wo Fingerspitzengefühl gefragt wäre

Die Linkspartei wirft den Sozialdemokraten deshalb Ideenlosigkeit und Meckerei vor. Die Grünen erklären sogar, die SPD würde vom gemeinsamen Ziel abrücken, die Vielfalt in der Verwaltung zu erhöhen. Ein politischer Affront, wo Fingerspitzengefühl gefragt wäre.

Der Streit um die Quote mag auch juristischer Natur sein – und letztlich von Verfassungsrechtlern entschieden werden. Er legt aber vor allem eine Sollbruchstelle der rot-rot-grünen Koalition frei: Grüne und Linke legen größten Wert auf identitätspolitische Fragen. Auch Sprachregelungen wie der Verzicht auf das Wort Integration oder das Gendern sind für beide Parteien zentral.

Lebensweltlich unterscheiden sie sich damit gewaltig von vielen SPD-Parlamentariern, die über den Alles-oder-nichts-Kurs mit den Schultern zucken. Wenn die SPD die gefühlte Mehrheitsgesellschaft noch sanft in Richtung Vielfalt führen mag, hauen Grüne und Linke schon auf den Tisch.

Die Sozialdemokraten werden deshalb oft genau dort als ideenlos beschimpft, wo sie ihre Stärke als integrative Kraft entfalten könnten. Oft steht es in dieser Koalition aber 2:1. Zu gewinnen gibt es in der Rolle als Bremser eh wenig. Eine Liebesheirat, das zeigt der Streit um die Migrantenquote, ist diese Koalition längst nicht mehr. Aber die Liebe ist ja auch ein seltsames Spiel.

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