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Biber tauchen inzwischen an fast allen Berliner Gewässern auf. Ihr Bestand wird auf stadtweit etwa 120 Exemplare geschätzt.

© picture alliance / Thomas Warnac

Population am Limit: Etwa 120 Biber leben in Berlin – mehr geht kaum

Berlins Biber haben sich bis an ihre natürlichen Grenzen vermehrt. Mehrere wurden überfahren – und ein brutaler Mord beschäftigt die Justizbehörden.

Berlin ist am Limit – jedenfalls bibermäßig. Von „derzeit rund 60 bekannten Biberansiedlungen im Land Berlin“ berichtet die Umweltverwaltung in ihrer Antwort auf eine Anfrage der Abgeordneten June Tomiak (Grüne). Derk Ehlert, der Wildtierexperte des Senats, schätzt die Gesamtpopulation auf etwa 120 Tiere.

Viel mehr dürften es nach seiner Einschätzung auch nicht mehr werden: Nach den geeigneten Habitaten – zu denen fast alle größeren Gewässer zählen – würden zunehmend auch ungeeignete erobert, in denen Biber aber kaum dauerhaft zurechtkämen. Beispiele dafür seien der Spreekanal am Schloss, der Neuköllner Schifffahrtskanal und ein zeitweise fast trockengefallener Graben in Heiligensee.

Seit etwa zwei Jahren stagniere die Population, die sich ansonsten im Westen auf die Havel einschließlich verbundener Gewässer wie Tegeler See und Tegeler Fließ konzentriere und im Osten auf Dahme, Spree und Wuhle. Selbst Teltow- und Landwehrkanal hätten die Biber erobert, ebenso die maßgeblich aus dem Klärwerk Münchehofe gespeiste Erpe, die nahe dem Müggelsee in die Spree mündet.

In der Innenstadt haben es die Nager von Westen bis in den Tiergarten und von Osten bis etwa zur Oberbaumbrücke geschafft. Ihre Anwesenheit ist meist gut dokumentiert – in Gestalt angenagter Bäume an den Ufern.

Vor der Mercedes-Arena waren nach dem Bau eines für die Tiere lebensnotwendigen „Biberausstieges“ 2009 am Spreeufer sogar extra Weiden gepflanzt worden, um ausgestiegene Biber zu bemerken. Sechs Jahre später war es erstmals soweit: Naturfreunde jubelten angesichts einiger angeknabberter Reiser.

Auch der Schwund ist dokumentiert

Während in Brandenburg ausnahmsweise auch Biber getötet werden dürfen, wird in Berlin nicht eingegriffen: Man empfehle der Schifffahrtsverwaltung nur, die gefällten Bäume als Futter liegen zu lassen, sagt Ehlert. Und im Landschaftsschutzgebiet Buch habe man am Abfluss eines Teiches einen „Bibertäuscher“ – ein Abflussrohr im Bereich des ansonsten erhalten gebliebenen Biberdamms – installiert, weil der Teich auch als Pflanzenkläranlage dient und deshalb nicht zum Stausee werden soll.

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Auch der Schwund ist dokumentiert: 37 Totfunde von Bibern seien dem Senat aus den vergangenen sechs Jahren bekannt, heißt es in der Auskunft an Tomiak. In 16 Fällen sei die Todesursache unbekannt, drei Abgänge resultierten aus Krankheiten.

Die anderen Exemplare wurden getötet: zwölf im Straßenverkehr, zwei durch Schiffe, eines starb in einer Fischreuse, zwei durch „sonstiges stumpfes Trauma“.

Getötet im Straßenverkehr oder erschlagen vom selbst gefällten Baum

Nach Auskunft von Ehlert passiert es jungen Bibern vereinzelt, dass ein selbst gefällter Baum sie erschlägt. Ein anderer Fall beschäftigt die Staatsanwaltschaft: Im August 2020 wurde ein Biberweibchen – ausgewachsen und mit 27 Kilo gut genährt – am Biesdorf-Marzahner Grenzgraben erschlagen. Aufgeklärt wurde die Tat nicht.

Zur besonderen Brutalität dieses Falles kommt seine Sinnlosigkeit: Frei gewordene Habitate würden rasch wieder besiedelt, berichtet Ehlert.

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Sonst beschäftigen illegale Wildtiertötungen nur selten die Polizei. Sechs Ermittlungsverfahren waren es seit 2015 laut Senat: ein abgeschossener Star in Mitte, eine durch Nestzerstörung getötete Rauchschwalbe in Tempelhof-Schöneberg, zwei in Lichtenberg abgeschossene Habichte, mehrere durch illegale Baumaßnahmen getötete Knoblauchkröten, eine in Neukölln abgeschossene Waldohreule.

Dazu kommen mindestens 13 vergiftete Greifvögel, von denen allein elf auf dem Friedhof St. Elisabeth II. an der Wollankstraße verendet waren. Auch diese Tatserie wurde bisher nicht aufgeklärt.

Für die Abgeordnete Tomiak zeigt die Entwicklung der Biberpopulation, dass Berlin „diesen Schatz von Stadtnatur“ noch mehr als bisher pflegen und bewerben sollte – auch damit Bewusstsein und soziale Kontrolle Frevel verhindern.

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