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Nach tödlichen Verkehrsunfällen gedenken Aktivisten der verstorbenen Radfahrer regelmäßig mit "Geisterrädern". (Symbolbild)

© Hauke-Christian Dittrich/dpa

Update

89-Jähriger auf dem Fahrrad überrollt: Berliner Lkw-Fahrer erhält Geldstrafe nach tödlichem Abbiegeunfall

Theodor W. starb bei einem Abbiegeunfall. An der Schuld des reuigen Lkw-Fahrers gibt es keinen Zweifel. Der Richter mahnt – und verhängt 3600 Euro Geldstrafe.

Der 89 Jahre alte Radfahrer trat langsam in die Pedale, als die Ampel für ihn auf Grün schaltete. Theodor W. wollte geradeaus weiterfahren, doch ein Lkw-Fahrer bemerkte den Senior nicht. Ein Zusammenstoß, der tödlich endete – ein Rechtsabbiegerunfall.

„Es tut mir sehr leid“, sagte Berufskraftfahrer René M. am Montag im Prozess wegen fahrlässiger Tötung. Das Amtsgericht Tiergarten verhängte 3600 Euro Strafe. Der Richter warnte eindringlich: „Beim Abbiegen mit einem Lkw ist gefälligst Schrittgeschwindigkeit zu fahren.“

Es war kurz nach neun Uhr am Morgen, als W. am 8. Oktober 2020 an der Kreuzung Salvador-Allende-Straße/Pablo-Neruda-Straße in Köpenick an einer roten Ampel wartete. René M. stand mit seinem mächtigen Lkw daneben. Das Baufahrzeug sei in Ordnung gewesen – „technisch tadellos“, sagte ein Gutachter im Prozess. Der Radfahrer sei in den Spiegeln am Lkw „gut sichtbar“ gewesen.

René M., strafrechtlich nicht vorbelastet, wollte Baustoffe abholen. Als für ihn die Ampel auf Grün schaltete, habe er nach rechts gesehen und dann zur gegenüberliegenden Straßenseite, ließ der Angeklagte über seinen Anwalt erklären. Erst danach sei er langsam angefahren. Dann habe er „metallische Geräusche“ und Rufe von Passanten gehört. Er habe gestoppt – und sei entsetzt gewesen.

Der Lkw-Fahrer schrieb einen Brief an die Angehörigen

Ein anderer Autofahrer hatte den schrecklichen Unfall beobachtet. Erst hätten beide an der Ampel gestanden – „mindestens zehn Sekunden bei Rot“, sagte der 80-jährige Zeuge. Als beide langsam anfuhren und der Lkw nach rechts einschlug, habe er gedacht und gehofft: „Der Radfahrer schafft es.“ Doch Theodor W., der Vorfahrt hatte, wurde angefahren, dann überrollt. Er erlitt schwerste Verletzungen am gesamten Körper und verstarb am Unfallort.

[Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Fassung dieses Textes hieß es, der Radfahrer sei losgefahren, als die Ampel für ihn auf Rot schaltete. Tatsächlich fuhr der Mann bei Grün. Wir haben den Fehler korrigiert.]

Zeugen schilderten, M. habe nach dem Unfall verzweifelt gewirkt. Mit einem Schock kam er in ein Krankenhaus. Er habe später einen Brief an die Angehörigen geschrieben und sein Beileid bekundet. Über eine psychologische Behandlung sei es ihm gelungen, wieder in seinem Beruf zu arbeiten.

17 Radfahrer 2020 im Straßenverkehr ums Leben gekommen

50 Menschen sind im vergangenen Jahr im Berliner Straßenverkehr ums Leben gekommen – darunter allein 17 Radfahrer. Immer wieder lauert die Gefahr an Kreuzungen, immer wieder sind Lkw beteiligt. „Viel zu oft hören wir von solchen Unfällen – es müsste doch jedem Fahrer bekannt sein, dass man besser einmal mehr schaut“, sagte der Staatsanwalt im Prozess um den fünfzehnten Radfahrer, der 2020 in Berlin bei einem Verkehrsunfall starb. M. hätte den Unfall vermeiden können.

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Es gab laut Gutachten keine äußeren Sichtbehinderungen. „Der Radfahrer war gut erkennbar im Rampenspiegel – und ab 2,3 Sekunden vor der Kollision durchgehend sichtbar“, sagte der technische Experte. Theodor W. habe sich für den Lkw-Fahrer nicht im toten Winkel befunden. Doch M. sah nicht hin.

[Lesen Sie mehr: „Vision Zero“ in der Hauptstadt: Berlin ist von einem sicheren Straßenverkehr für alle weit entfernt (T+)]

„Wer so ein schweres Gerät fährt, für den gilt: minimalste Geschwindigkeit beim Abbiegen“, sagte der Richter. Er verhängte eine Geldstrafe von 90 Tagessätzen zu je 40 Euro. Auch Staatsanwalt und Verteidiger hatten auf Geldstrafen plädiert.

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