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Annalena Baerbock und die Schauspielerin Nora Tschirner sprechen bei einer Wahlkampfveranstaltung der Grünen.

© Christophe Gateau/dpa

Bela B., Nora Tschirner, Judith Holofernes, ...: Warum unterstützen so viele Berliner Kunstschaffende die Grünen?

Schauspielerin Nora Tschirner unterstützt Baerbock, Sänger Bela B. ruft auf, die Grünen zu wählen. Warum die Bildungsbürger-Partei Berliner Kreative begeistert.

Schauspielerin Nora Tschirner kontert den Kommentar aus dem Publikum sofort. „Impf' dich ins Knie, Nora“, ruft ein etwa 30-jähriger Mann aus der Menge in Richtung Podium, wo Tschirner sitzt. Zu ihrer Rechten lehnt Grünen-Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock, neben ihr Bettina Jarasch, grüne Spitzenkandidatin für das Berliner Abgeordnetenhaus.

Bei der Wahlkampfveranstaltung der Grünen am Minna-Flake-Platz in Pankow soll es am Dienstagnachmittag um die Zukunft der Bildung gehen. Doch es sind auch Leute gekommen, die lieber lautstark ihre Meinung zur Corona-Impfung kundtun wollen.

Kurz herrscht Stille. Dann entgegnet Tschirner dem Impfkritiker: „Soziale Kompetenzen muss man fördern, haben wir gerade gelernt. Ich wünsche Ihnen im Nachhinein auch eine ganz tolle Schule.“ Applaus. Im Publikum kommt es zu einem kurzen Gerangel zwischen dem schreienden Mann und einigen Publikumsgästen. Anwesende Polizeibeamte beenden die Auseinandersetzung schnell.

Doch auch einige Minuten später muss Schauspielerin Tschirner intervenieren. In den hinteren Reihen des Publikums haben sich mehrere Menschen ohne Masken versammelt, die die Diskussion mit Zwischenrufen und Getöse stören wollen, während Schüler:innen der Wilhelm-von-Humboldt Gemeinschaftsschule in Pankow Baerbock und Jarasch Fragen stellen.

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„Jetzt seid doch mal ruhig. Hier fragt eine Schülerin eine Frage und ihr könnt euch mit euren erwachsenen Köppen nicht mal eine Sekunde zusammenreißen? Was ist denn da los?“, pöbelt Tschirner die Gruppe in den hinteren Reihen an, sichtlich entnervt.

Nora Tschirner unterstützt die Grünen nicht nur mit ihrer Präsenz und Prominenz beim Wahlkampf in Berlin, an der Seite von Spitzenpolitikerinnen aus Bund und Land, sie setzt sich auch lautstark ein, um an diesem Dienstagnachmittag den Fokus des Publikums bei der Sache, bei den Redebeiträgen Baerbocks und Jaraschs zu behalten.

Schauspielerin Nora Tschirner klatscht Annalena Baerbock Beifall.
Schauspielerin Nora Tschirner klatscht Annalena Baerbock Beifall.

© imago images/Jan Huebner

Die beiden Grünen-Politikerinnen zeigen sich auf der Bühne einig, sprechen über eine Zusammenarbeit von Bund und Ländern in der Bildungspolitik, kommen überein, dass das Kooperationsverbot zwischen beiden Ebenen in der Bildungspolitik abgeschafft gehört und reißen an, wie der Bund langfristig Bildungsprojekte fördern kann. „Wir brauchen dauerhaft Mittel vom Bund, denn unsere Kinder haben das verdient“, sagt Jarasch in Richtung Baerbock. Diese lächelt, sie spielen sich den Ball hin und her.

Grüne genießen prominente Unterstützung von Rappern oder Schriftstellern

Nora Tschirner ist nicht die einzige, die sich im diesjährigen Bundestagswahlkampf auf die Seite der Grünen stellt. Henning May, Sänger der Band AnnenMayKantereit, trat vor der Podiumsdiskussion in Pankow mit einem eigens für die Veranstaltung komponierten Song auf. Diesen Montag veröffentlichte der „Ärzte“-Sänger Bela B. auf seiner Facebook-Seite einen offenen Brief zahlreicher Berliner Künstler:innen, in dem sie dazu aufrufen, bei dieser Bundestagswahl die Grünen zu wählen.

[Keine Ahnung, wen Sie wählen sollen? Alle Umfragen, Analysen und Hintergründe zur Berlinwahl finden Sie jetzt auf der interaktiven Wahlseite des Tagesspiegel.]

„Unsere Gründe sind gut: Klimaschutz, Menschenrechte, Umweltschutz“, schreiben die Künstler:innen. „Die Menschheit steht vor der größten Herausforderung ihrer Geschichte. Die Klimakatastrophe infolge der von Menschen verursachten globalen Erwärmung droht nicht, sie findet statt.“

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Unterschrieben haben den Brief unter anderem Sängerin Judith Holofernes, die Schriftsteller Sven Regener und Frank Schätzing, Rapper Fatoni und Musiker Wolfgang Niedecken.

Die Grünen seien aus ihrer Sicht die einzige Partei gewesen, die seit ihrer Gründung vor über 40 Jahren Länder wie Deutschland als Hauptverursacher der Klimakrise benannt hätten. Die Partei hätte in den vergangenen Jahrzehnten so viel Expertise zu Nachhaltigkeitsthemen angesammelt wie keine andere.

Klimaschutz und soziale Gerechtigkeit statt Lebenslauf-Skandale

Die Ära Merkel sei in Sachen Klimaschutz eine verpasste Chance gewesen. Den Künstler:innen gehe es bei dieser Wahl nicht um die Person Annalena Baerbock oder um „aufgehübschte Lebensläufe“, wie sie schreiben. Gemeint ist damit das große öffentliche Interesse, das Annalena Baerbocks falsche Angaben in ihrem Lebenslauf bekamen.

Auch für Schauspielerin Nora Tschirner sind offenbar andere Themen wichtiger. Warum unterstützt sie, zusammen mit vielen anderen Künstler:innen, die Grünen? „Ich finde einfach, dass wir wirklich einen Kulturwandel vor uns haben. Und dafür sehe ich die Kompetenzen, den Überblick und Weitblick, sowie die Empathie für das, was wir als Gesellschaft brauchen, bei dieser Partei.“

[Lesen Sie weiter bei Tagesspiegel Plus: Bettina Jarasch über „Deutschland-Koalition“ - „SPD, CDU und FDP passen nicht zu Berlin“]

Dabei habe Tschirner nicht gedacht, dass es noch mal dazu komme, dass sie sich einer Partei annähere, weil sie, wie sie sagt, ein „echt unabhängiger Mensch“ sei. Sie habe aber viel mit den Grünen in Kontakt gestanden - auch, wenn sie kein Parteimitglied ist, wie sie betont. Letztendlich sei sie davon überzeugt, dass diese Partei die zukunftsfähigste sei.

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Bei den Grünen sehe sie sowohl den Weitblick für dringliche Themen wie den Klimawandel, als auch die Fähigkeit, die Lebensrealität der Menschen in Deutschland nicht aus den Augen zu verlieren. „Die pflanzen nicht nur Bäume, sondern machen sich Gedanken darüber, wie Bildung finanziert werden kann und wie wir das sozial gerecht machen.“

Partei der Bedürftigen oder Partei des Bildungsbürgertums?

Damit spielt Tschirner zum Beispiel auf Forderungen Baerbocks an, eine Vermögenssteuer wiedereinzuführen und die Einnahmen in das Bildungssystem zu investieren. Oder bestehende Steuereinnahmen für Bildung so unter den Kommunen zu verteilen, dass ärmere Gemeinden entsprechend mehr Geld zur Verfügung bekommen.

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Auf dem Podium erzählt Kanzlerkandidatin Baerbock von ihrem kürzlichen Besuch in Wuppertal. Dort habe ihr der Oberbürgermeister gesagt, dass die Stadt eigentlich eine neue Grundschule bauen wollte. Doch nach den Überschwemmungen in Nordrhein-Westfalen müsse sich die Stadt entscheiden, ob sie Steuereinnahmen für Hochwasserschutz oder für die Grundschule ausgebe.

Annalena Baerbock (r) und Bettina Jarasch (l) beantworten Schüler:innen aus Pankow Fragen zu Bildungspolitik.
Annalena Baerbock (r) und Bettina Jarasch (l) beantworten Schüler:innen aus Pankow Fragen zu Bildungspolitik.

© imago images/Jan Huebner

„Es geht doch nicht, dass wir die Kinder dort am meisten unterstützen, wo die Menschen die meisten Steuern zahlen, sondern wir müssen dort unterstützen, wo die Kinder die meiste Hilfe brauchen“, folgert Annalena Baerbock.

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Tschirner widerspricht mit ihrer Einschätzung, die Grünen hätten den Blick für die Lebensrealität der Menschen in Deutschland nicht verloren, auch der häufig geäußerten Kritik an den Grünen, sie seien eine Partei des besserverdienenden Bildungsbürgertums, das in den Städten wohnt und die Belange der ärmeren oder ländlichen Bevölkerung ignoriert. Grüne Forderungen, wie teils autofreie Städte oder das Verbot von Kurzstreckenflügen, nähren diese Kritik.

„Ich glaube, dass die Künstler:innen, die sich geäußert haben, eine ähnliche Sicht auf die Welt teilen, wenn es darum geht, das große Ganze nicht aus den Augen zu verlieren. Ich weiß nicht, ob das für alle Künstler so ist. Aber die, die sich jetzt zeigen, gelten als sehr unabhängig und sind zum ersten Mal bereit, sich zu committen.“ Auch Tschirner gehört dazu.

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