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Eine Strafanzeige des Regierenden Bürgermeisters Michael Müller (SPD) war am Mittwoch Thema im Rechtsausschuss.

© Markus Schreiber/dpa

Nach rechtswidriger Hausdurchsuchung: Berliner Oberstaatsanwalt verteidigt Michael Müller

Eine Strafanzeige des Regierenden Bürgermeisters war am Mittwoch Thema im Rechtsausschuss. Der leitende Oberstaatsanwalt sieht sie nicht als ungewöhnlich.

Mit dem Fall der Strafanzeige des Regierenden Bürgermeisters Michael Müller (SPD) gegen eine Frau aus Zehlendorf, die zu einer Hausdurchsuchung führte, hat sich am Mittwoch der Rechtsausschuss des Abgeordnetenhauses befasst. Auf Antrag der Opposition stellte sich der Leitende Oberstaatsanwalt Jörg Raupach den Fragen der Abgeordneten.

Der Fall, den die „Welt“ öffentlich gemacht hatte, ist brisant. Nach Müllers Anzeige wurde gegen die Frau wegen übler Nachrede und Beleidigung ermittelt. Obwohl die Ermittler ihre Identität längst kannten, wurde die Wohnung der Frau durchsucht, Handys und Tablets wurden beschlagnahmt – eine rechtswidrige Razzia, erklärte das Landgericht später. Das Verfahren musste eingestellt werden.

Anlass für die Durchsuchung war ein Post der Frau auf Facebook aus dem April 2019. Darin hatte sie ein Foto des Regierenden Bürgermeisters verfälscht. Müller hatte mit dem Schild im Januar 2019 für die Nummer des Kältebusses der Obdachlosenhilfe geworben. Nun stand in der Montage auf dem Schild: „Alle nach #Berlin“. Die Frau veröffentlichte die Montage auf Facebook, begleitet von der Aussage, Müller wolle alle auf dem Mittelmeer geretteten Bootsflüchtlinge nach Berlin holen.

Der reagierte darauf selbst: „Strafantrag des Dienstvorgesetzten“ heißt es im Betreff eines Schreibens Müllers mit dem Briefkopf des Regierenden Bürgermeisters an den Leitenden Oberstaatsanwalt Raupach. Damit stellte er neben der Bitte auf Prüfung zugleich einen Strafantrag, wie bei Antragsdelikten nötig, damit diese verfolgt werden.

Im Ausschuss erklärte Raupach, dass daran nichts ungewöhnlich sei. „In der Regel richten viele Behörden die Schreiben an mich direkt. Das ist ein völlig üblicher Weg.“ Er habe den Brief dann an den für den Bereich zuständigen Abteilungsleiter weitergeleitet. Danach hätten sich seine Kollegen zu diesem Fall nicht mehr an ihn gewandt. „Das war das erste und einzige Mal bis letzte Woche, dass ich von diesem Vorgang Kenntnis erlangt habe“, sagte Raupach.

Justizsenator: „Ich bin nicht verantwortlich für die Senatskanzlei“

Der Oberstaatsanwalt verteidigte auch die Hausdurchsuchung. Die war von einem Ermittlungsrichter am Amtsgericht auf Antrag der Staatsanwaltschaft genehmigt worden. Doch das Landgericht befand später: Nicht einmal der nötige Tatverdacht habe vorgelegen, der für einen Durchsuchungsbeschluss – immerhin ein schwerer Grundrechtseingriff – nötig ist.

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Raupach sagte: Wenn man an erst an Beschuldigte herantrete und zu einem solchen Vorfall befrage, könne man sich alle weiteren Untersuchungen sparen, da die technischen Geräte anschließend gesäubert würden. Man müsse daher die Posts auf den Geräten sichern, so sei seine mehr als 30-jährige Erfahrung als Staatsanwalt. Es sei daher ein „wenn auch nicht alltägliches, doch kein absonderliches Verhalten“, erklärte Raupach.

Justizsenator Dirk Behrendt (Grüne) erklärte auf Fragen der Opposition, nicht in den Vorgang eingeweiht gewesen zu sein. „Ich habe davon Kenntnis erlangt durch die Berichterstattung in den Medien. Vorher war ich nicht damit befasst und die Staatsanwaltschaft hat vorab auch nicht über diesen Fall berichtet.“ Ob das Vorgehen der Senatskanzlei im Fall der Anzeige „gefühlte Praxis“ sei, wollte er nicht beantworten: „Ich bin nicht verantwortlich für die Senatskanzlei.“ Wie die Praxis anderer Häuser sei, wisse er nicht.

Senatskanzlei sieht keinerlei Fehlverhalten bei Müller

Während die Senatskanzlei eine Stellungnahme in den vergangenen Tagen zu dem Fall abgelehnt hatte, ging das Haus vor der Ausschusssitzung am Mittwoch über den RBB in die Offensive. Senatssprecherin Melanie Reinsch verwahrte sich dagegen, dass suggeriert werde, dass „auch nur im Ansatz ein Fehlverhalten“ des Regierenden Bürgermeisters vorliege. In Zeiten von Hatespeech und Fake News sei es nicht nur legitim, sondern auch „politisch geboten“, sich zu wehren.

Zugleich zitierte der Sender aus einem Schreiben des renommierten Medienanwalts Christian Schertz. Der Jurist war bereits in früheren Fällen für Müller tätig. Nun kommt er dem RBB zufolge zu dem Schluss, dass die Bildmanipulation die Persönlichkeitsrechte des Regierenden Bürgermeisters verletzt. Bei der Sache von einem Justizskandal oder Amtsmissbrauch zu sprechen, sei weder nachvollziehbar noch gerechtfertigt.

Und Innensenator Andreas Geisel (SPD) sprach laut RBB sogar von einer „Attacke gegen Michael Müller und die SPD“. Dabei hatte Müller, damals noch SPD-Landeschef, die Anzeige als Regierungschef erstattet – und nicht als Genosse. Auf Tagesspiegel-Anfrage wollte sich die Senatskanzlei auch am Mittwoch erneut nicht äußern.

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