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David Rothe war Domino’s-Pizzabote für einen Tag.

© Christoph M. Kluge

„Mach bloß keinen Ärger!“: Pizza-Lieferdienst Domino's feuert Fahrer wegen Nachfragen

Ein Berliner Ableger der Pizzakette Domino’s forderte von seinen Fahrern einen Teil des Mindestlohns zurück. Doch einer wollte das nicht akzeptieren.

Seit Wochen streiken Beschäftigte des Lieferdienstes Gorillas in Berlin. Andere Unternehmen der Branche sind bisher von Arbeitskämpfen verschont geblieben. Doch nun steht auch der Pizzadienst Domino’s in der Kritik. Ein entlassener Fahrer berichtet dem Tagesspiegel von fragwürdigen Geschäftspraktiken eines Berliner Lizenznehmers. Auch in Leipzig gibt es Proteste.

David Rothe fährt gern Motorroller. Auch deshalb habe ihn der Job als Pizzafahrer gereizt, sagt der 23-jährige Schauspielstudent. Anfang März habe er eine Teilzeitstelle gesucht. Auf der Website Ebay-Kleinanzeigen habe er ein Jobangebot einer Domino's-Niederlassung in Pankow entdeckt.

„Die Anzeige klang top“, sagt Rothe. Eine Beschäftigung zum Mindestlohn sei versprochen worden, dazu etwa 50 Euro an Trinkgeld pro Schicht, ein Rabatt von 50 Prozent auf alle Speisen und die freie Wahl zwischen Roller, Auto und Fahrrad. Doch die Wirklichkeit habe anders ausgesehen, sagt er.

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Nach seinem Anruf sei er bereits für den nächsten Tag zum Probearbeiten eingeladen worden. Dort habe man ihm einen klapprigen Motorroller gegeben. „Ich bin eine Tour gefahren. Der Schichtleiter war zufrieden.“ Für den darauffolgenden Tag sei er für seine erste Schicht eingeplant worden.

Fragwürdige Vertragsklauseln

Doch zu Hause beim Lesen der Vertragsdokumente sei er stutzig geworden, sagt Rothe. In einem Zusatzdokument zum Arbeitsvertrag, das dem Tagesspiegel vorliegt, heißt es: „Es werden für die Fahrerkasse pro Tour 0,35 Euro abgegeben.“ Die Beschäftigten sollten also einen Teil ihres Mindestlohn-Gehalts von damals 9,50 Euro an die Firma zurückzahlen. Rothe fragt: „Wie kann es sein, dass Personen, die zum Mindestlohn tätig sind, Abgaben zahlen müssen? Und wofür überhaupt?“

Er habe den Schichtleiter am nächsten Tag darauf angesprochen. Die Antwort: Es handle sich um eine „Trinkgeldpauschale“. Die Fahrenden müssten einen Teil ihres Trinkgeldes abgeben an die Servicekräfte im Laden. Das sei doch nur gerecht, habe der Schichtleiter gesagt.

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Doch David Rothe kam das seltsam vor. Er sprach mit den Servicekräften. „Die hatten davon noch nie etwas gehört“, sagt er, und demzufolge auch nie Geld bekommen. Sie hätten ihm aber auch geraten, bloß keinen Ärger zu machen.

David Rothe rechnet vor: „An meinem ersten Tag habe ich zwanzig Touren geschafft, musste also sieben Euro in diese Kasse einzahlen. Dabei habe ich nur drei Euro Trinkgeld bekommen. Die restlichen vier Euro musste ich also aus eigener Tasche zahlen.“

Er habe sich die Handynummer des Chefs geben lassen, um sich bei ihm zu erkundigen. Der Schichtleiter habe gesagt: „Wenn du den fragst, wirft er dich raus.“ Er habe das für einen Scherz gehalten, sagt Rothe und schüttelt mit dem Kopf.

Als Antwort kam die Kündigung

Doch tatsächlich: Am Abend schrieb er dem Chef eine Nachricht. Eine Antwort bekam er von ihm nicht, aber am nächsten Tag überreichte der Schichtleiter die fristlose Kündigung. Von seinem Gehalt seien ihm weitere 50 Euro abgezogen worden, mit fadenscheinigen Begründungen, sagt Rothe.

Eine Sprecherin der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) sagt dem Tagesspiegel: Solche Lohnabzüge seien „unzulässig“.

Wenn der Domino's-Chef zur Kasse bittet, zahlt man besser.
Wenn der Domino's-Chef zur Kasse bittet, zahlt man besser.

© Dean Pictures/Imago

Domino’s Pizza wurde 1960 in den USA gegründet. Heute liefert der Konzern nach eigenen Angaben in mehr als 80 Ländern aus, weltweit gibt es mehr als 14 000 Filialen. Zusammen backen sie täglich drei Millionen Pizzen. 2010 trat Domino’s in den deutschen Markt ein, 2017 wurde der Konkurrent Hallo Pizza übernommen.

Heute gibt es hierzulande 354 Domino’s-Filialen. Sie werden von Franchisenehmern betrieben, die vertraglich an den Konzern gebunden sind. In der Hauptstadt gibt es 38 Filialen. Die in Pankow wird von dem Berliner Unternehmer Tim Viets betrieben.

Domino's distanziert sich

Eine Domino’s-Sprecherin teilt dem Tagesspiegel mit, das Unternehmen habe von den Vertragsklauseln nichts gewusst: „Wir haben den Fall sofort ausführlich mit Tim Viets besprochen und ihn aufgefordert, zukünftig solche Verstöße gegen arbeitsrechtliche Bestimmungen und Grundsätze zu unterlassen, was wir auch stichprobenartig nachprüfen werden.“

Über ein Online-Formular hätten Mitarbeiter:innen zudem die Möglichkeit, die Deutschlandzentrale zu kontaktieren, „um Ideen mit uns zu teilen, aber auch eventuelle Missstände zu kommunizieren“, sagt die Sprecherin.

Beschäftigte des Supermarkt-Lieferdienstes Gorillas protestieren seit Wochen in Berlin gegen unfaire Arbeitsbedingungen. 
Beschäftigte des Supermarkt-Lieferdienstes Gorillas protestieren seit Wochen in Berlin gegen unfaire Arbeitsbedingungen. 

© Christoph M. Kluge

In Leipzig protestieren seit einigen Wochen Domino’s-Beschäftigte gegen unfaire Arbeitsbedingungen in Filialen eines anderen Lizenznehmers. Die Wut der Beschäftigten war durch die Entlassung eines beliebten Kollegen ausgelöst worden, wie bei den Gorillas-Protesten in Berlin. Auch in Leipzig unterstützt die anarchistische Gewerkschaft FAU die Protestierenden.

[Lesen Sie mehr: Warum der Berliner Express-Lieferdienst Gorillas jetzt unter besonders starkem Druck steht. (T+)]

David Rothe glaubt, dass viele Lieferfahrer:innen unzufrieden sind. Er selbst sehe sich als privilegiert an, sagt er, weil er Bafög erhalte und nicht auf das Gehalt angewiesen sei. „Doch die meisten Menschen, die dort arbeiten, brauchen das Geld. Ich kann verstehen, dass man da Angst hat, den Job zu verlieren.“

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