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Handarbeit. Das „Beaufsichtigen“ der Selbsttests ihrer Schüler wird für viele Lehrer doch mehr als nur Gucken und Anweisen bedeuten, fürchtet die GEW.

©  Sven Hoppe/dpa

Gewerkschaft fordert medizinisches Personal: Berliner Lehrer sollen Schüler bei Selbsttests „altersgerecht“ anleiten

Die Schulsenatorin macht klare Ansagen: Lehrer sollten die Selbsttests beaufsichtigen und dabei „sensibel“ betreuen. Gerade an dieser Rolle gibt es Kritik.

Ab Montag sollen Berlins Schüler:innen sich nicht mehr selbst zu Hause testen, sondern zweimal wöchentlich verpflichtend in der Schule. In einem Begleitschreiben, das Schulsenatorin Sandra Scheeres (SPD) dazu am Mittwochabend an die Schulleitungen schicken ließ, heißt es: „Die Schülerinnen und Schüler können nur an schulischen Präsenzangeboten, auch Betreuungsangeboten, teilnehmen, wenn ein negatives Testergebnis vorliegt.“

Eine Ausnahme sind aber Prüfungen: Die Schulen sollen zwar vor Abitur- und anderen Klausuren Testmöglichkeiten bereitstellen, heißt es in dem Schreiben. Ein Corona-Test sei aber „keine Voraussetzung für die Teilnahme an einer Prüfung“.

Die Test-Prozedur stellt sich die Bildungsverwaltung so vor: „Die Testungen sind in den Schulalltag und zeitlich möglichst in die jeweils erste Unterrichtsstunde zu integrieren oder mit Beginn der Notbetreuung durchzuführen.“ Die Testräume sollten gut belüftet sein. Neben den Tests sollen Lehrer:innen auch die Einhaltung der Abstandsregeln beaufsichtigen.

Auch Tests im Freien seien möglich, heißt es in dem Schreiben. Das allerdings dürfte bei den Tests, die laut Hersteller bei Raumtemperatur durchgeführt werden sollen, derzeit nur schwer möglich sein. Während Kinder und Jugendliche sich dann Stäbchen in die Nase schieben, sollen Schulangestellte sie „altersangemessen“ anleiten – „also vom Abstrich bis zum Ablesen des Ergebnisses“, heißt es in dem Schreiben.

Ein negatives Ergebnis könne von den beaufsichtigenden Lehrkräften nun auch bescheinigt werden, teilte die Bildungsverwaltung mit. Dazu wurden den Schulen Musterformulare übersandt. Für den Fall, dass ein Schnelltest positiv ausfällt, soll das betroffene Kind vom Rest der Gruppe getrennt werden, bis es von einem Erziehungsberechtigten abgeholt wird. „Bitte stellen Sie sicher, dass die Schülerin oder der Schüler in dieser angespannten Situation nicht allein ist und sensibel begleitet wird“, steht in dem Brief an die Schulleitungen.

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Eltern müssen dann mit ihrem Kind und erwachsene Schüler:innen selbstständig beim Arzt oder in einem Testzentrum einen PCR-Test machen lassen. Erst wenn sie einen solchen negativen Test vorweisen können, dürfen sie wieder am Präsenzunterricht teilnehmen.

Tests zu Hause in Einzelfällen möglich

Eine Einverständniserklärung der Eltern müssen Schüler:innen der Schule für die Selbsttests nicht vorlegen. Die Bildungsverwaltung erklärt das in dem Schreiben mit der weiterhin ausgesetzten Präsenzpflicht – wer nicht möchte, dass sein Kind sich in der Schule selbst testet, muss es also zu Hause behalten.

Nur für Schüler:innen, die auch unter Anleitung nicht in der Lage sind, sich selbst zu testen, sind laut Bildungsverwaltung Ausnahmen möglich. Hier sollen sich Eltern individuell mit den Schulleitungen absprechen, um die Tests selbst zu Hause an ihren Kindern durchführen zu dürfen. Ursprünglich war das die Vorgabe für alle Berliner Schüler:innen – bis zum 8. April, als mit einem neuen Senatsbeschluss die Testpflicht an den Schulen eingeführt wurde. Laut Bildungsverwaltung war das auf vielfachen Wunsch aus der Berliner Schul-Community geschehen.

In der Tat gibt es viele Schulen, die die Tests lieber selbst beaufsichtigen, als sich darauf zu verlassen, dass Eltern die Tests zu Hause sachgerecht – oder überhaupt – durchführen. Die Vereinigung der Oberstudiendirektoren jedoch, in der 90 Prozent aller Berliner Gymnasialschulleiter organisiert sind, protestierte am Donnerstag erneut heftig gegen die Testpflicht an Schule. „Jeder Test zu Hause verhindert, dass ein positiv getestetes Kind überhaupt die Schule von innen sieht“, sagte der Vorsitzende Ralf Treptow.

Kritik an der Aufsichtsrolle der Lehrkräfte

Wie Treptow verwies auch die Bildungsgewerkschaft GEW darauf, dass die meisten Lehrkräfte in Berlin immer noch nicht geimpft sind. Die GEW forderte den Einsatz von externem Personal. Der Berliner Landesvorsitzende Tom Erdmann kritisierte, dass Lehrer:innen und Erzieher:innen die Tests in der Praxis eben nicht nur beaufsichtigen müssten. Gerade Grundschulkinder bräuchten viel Hilfe: „Es fängt beim Öffnen der Stäbchentasche und den Selbsttests und beim Verschließen der Röhren an. Bei manchen Tests müssen Lehrkräfte die Flüssigkeit in jedes einzelne Röhrchen einträufeln“, sagte Erdmann.

Wie berichtet hatte es auch in der SPD-Fraktion im Abgeordnetenhaus Unmut darüber gegeben, dass Lehrkräfte statt geschulter Externer für die Beaufsichtigung der Tests zuständig sind. Wie am Donnerstag zu hören war, tragen die Abgeordneten die Lösung nun aber doch mit – wegen „fehlender Umsetzungsoptionen“ und den guten Erfahrungen mit der Begleitung durch Lehrkräfte in anderen Ländern wie Österreich, hieß es.

Eine Möglichkeit, Lehrkräfte von der Zusatzbelastung zu befreien, könnte die Einbindung der Bundeswehr sein. Einen entsprechenden Antrag hatte die CDU am Donnerstag im Bildungsausschuss des Abgeordnetenhauses eingebracht. Das lehnen aber vor allem die Grünen vehement ab. Deren bildungspolitische Sprecherin Marianne Burkert-Eulitz erklärte im Ausschuss, das Aufstellen von Bundeswehr-Testzelten vor Schulen sei nicht kindgerecht.

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