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Demonstrierende stehen gegenüber der Bereitschaftspolizei.

© imago images/Achille Abboud

Gegen Wiederholungs-Hetzer  : Berliner CDU fordert Unterbindungsgewahrsam für bekannte Antisemiten

Die Berliner CDU-Fraktion hat einen Zehn-Punkte-Plan für den Kampf gegen Antisemitismus beschlossen. Darin fordert sie teils drastische Schritte.

Nach den Erfahrungen der vergangenen Wochen mit Anti-Israel-Hetze bei Demonstrationen und einer steigenden Zahl antisemitischer Vorfälle hat die CDU-Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus einen Zehn-Punkte-Plan vorgelegt.

Darin fordern die Christdemokraten teils drastische Schritte, um den Antisemitismus zu bekämpfen – darunter auch Unterbindungsgewahrsam.

„Der Worte sind genug gewechselt – nur konkrete Maßnahmen helfen unseren jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürgern“, heißt es in dem am Sonntag von der Fraktion beschlossenen Positionspapier.  Dazu zählt für die CDU auch, „stadtbekannte Antisemiten“, die wiederholt durch Hass und Hetze gegen Juden aufgefallen sind, vor relevanten Ereignissen wie Demonstrationen, in Gewahrsam zu nehmen.

Bereits jetzt lässt das Berlins Sicherheits- und Ordnungsgesetz Gewahrsam zu, „um die unmittelbar bevorstehende Begehung oder Fortsetzung einer Ordnungswidrigkeit von erheblicher Bedeutung für die Allgemeinheit oder einer Straftat zu verhindern“. Dies sei rechtssicher und nach Anordnung eines Richters möglich, wenn ein Wiederholen der Taten „überwiegend wahrscheinlich“ sei, erklärt die CDU-Fraktion.

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Dazu schlägt sie noch eine Klarstellung im Gesetz vor, um Antisemiten, die bereits mehrfach das Versammlungsrecht missbraucht haben, zu erkennen und mindestens bis zum Ende des Tages nach dem Ergreifen in Gewahrsam zu behalten. Der Rechtsstaat müsse alle seine Möglichkeiten ausschöpfen, heißt es in dem Papier.

Bei den bekannten Tätern, die keine deutschen Staatsbürger sind, müssten auch ausländerrechtliche Sanktionen bis hin zur Ausweisung geprüft werden. „Antisemitisches Gedankengut gehört nicht nach Deutschland, egal, wer dieses Gedankengut in Deutschland verbreitet“, heißt es in dem Papier.

Der Begriff „öffentliche Ordnung“ soll wieder ins Versammlungsrecht

Die CDU möchte per Bundesratsinitiative zudem das Strafrecht erneuern. Demnach sollen antisemitische Beweggründe grundsätzlich strafverschärfend wirken. Auch über den Bundesrat sollte Berlin für ein Verbot von Terrororganisationen wie der Volksfront zur Befreiung Palästinas (PFLP) oder der Hamas eintreten, ebenso der BDS-Bewegung, die für einen Israelboykott eintritt. Zumindest sollte Berlin ein Verbot von BDS-Veranstaltungen erwägen.

Daneben soll das von SPD, Grünen und Linken Anfang 2021 in Kraft gesetzte, laut CDU aber „handwerklich schlecht gemachte“ Versammlungsfreiheitsgesetz überprüft werden. Es habe dazu geführt, dass Journalisten im April unter den Augen der Polizei vom Leiter einer Anti-Israel-Demo ausgeschlossen wurden und nicht berichten konnten. 

Zudem will die CDU den Begriff „öffentliche Ordnung“, der von der Koalition gestrichen wurde, wieder ins Versammlungsrecht zurück. Der Begriff meint die ungeschriebenen Normen, die die Mehrheit für ein gedeihliches Zusammenleben für nötig hält. Die Koalition schränkte die Möglichkeit, Demonstrationen zu verbieten und aufzulösen, darauf ein, dass die „öffentliche Sicherheit“ gefährdet sein muss, also Straftaten begangen werden oder wahrscheinlich sind.

Die CDU sieht darin eine Regelungslücke, weil nicht jede antisemitische Hetze gleich strafbar ist, aber doch gegen die öffentliche Ordnung verstößt, etwa wenn gegen Juden und Israel demonstriert werde. „Das Existenzrecht und die Sicherheit Israels sind deutsche Staatsräson“, heißt es dazu im CDU-Papier.

„Der offene Judenhass auf unseren Straßen ist ein Anschlag auf das liberale und weltoffene Berlin“, sagte CDU-Fraktionschef Kai Wegner. „Jeder judenfeindliche Vorfall ist einer zu viel, und die Häufung solcher Geschehnisse in jüngster Zeit ist umso besorgniserregender.“ Wer zum Hass gegen Juden aufruft, verdiene die ganze Härte des Strafgesetzbuches.

„Wenn der Antisemitismus unverhohlen seine Fratze zeigt, zwingt uns das zum Handeln“, sagte Wegner. Dazu zähle auch Prävention, die könne aber nur gelingen, wenn die Erscheinungsformen und Tätergruppen klar benannt werden.

„Werteinitiative – jüdisch-deutsche Positionen“ lobt das Programm

Tatsächlich sieht das CDU-Papier nicht nur repressive Maßnahmen vor, wie auch Elio Adler, Vorstandschef des Vereins „Werteinitiative – jüdisch-deutsche Positionen“, dem Tagesspiegel sagte. Er lobte das Programm ausdrücklich, weil es Antisemitismus in seiner ganzen Komplexität begreife und Maßnahmen dagegen aufzeige. Es müsse „unser aller Anspruch sein“, heißt es in dem Papier, das Juden nach den Gräueln des Dritten Reiches in Deutschland unbehelligt von jeder Form von Antisemitismus leben können. 

Die Schulen sind dem Papier zufolge ein Schlüssel für die Bekämpfung von Antisemitismus. Antisemitismusprävention müsse daher verbindlicher Teil der Ausbildung von Lehrern und Erziehern werden. An jeder Schule müsse es einen Antisemitismusbeauftragten geben, der Nahostkonflikt im Rahmenlehrplan der Oberstufe fest verankert und der Besuch an Gedenkorten der NS-Diktatur Pflicht werden. Die CDU schlägt zudem wegen der starken Symbolkraft eine Städtepartnerschaft mit Jerusalem vor.

Die Förderung von Initiativen und Vereinen, die sich gegen Antisemitismus engagieren, sollte verstetigt werden, heißt es in dem Papier. Bislang erhalten viele eine Projektförderung für zwei Jahre, diese müsse dauerhaft gesichert werden. So könnte auch der Landesbeauftragte gegen Antisemitismus langfristig mit einem Budget ausgestattet werden, um freie Träger zuverlässig zu finanzieren.

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Träger, die Staatsgeld bekommen wollen, sollen sich nach dem Willen der CDU aber zum Grundgesetz und zum Existenzrecht Israels bekennen müssen – auch für ihre Kooperationspartner. Die CDU will damit verhindern, dass Projekte gefördert werden, die mit der BDS-Kampagne zusammenarbeiten. Der Bundestag hatte bereits 2019 die BDS-Bewegung und ihre Boykottaufrufe gegen Israel verurteilt. Jedwede Hetze – verfassungsfeindlich, antisemitische oder fremdenfeindlich – dürfte es unter dem Deckmantel staatlicher Förderung nicht geben, heißt es nun im CDU-Papier. 

Eine Loyalitätscheck fordert die CDU auch für Sprachmittler oder Dolmetscher. Nachträglich sollten deren Übersetzung von antisemitischen Demonstrationen untersucht werden, heißt es in dem Papier. „Es wäre nicht zu tolerieren, wenn bei Versammlungen, bei denen in arabischer Sprache Israelhetze verbreitet wird, die Übersetzer der Polizei dies nicht mitteilten.“

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