zum Hauptinhalt
Auf Handys von Berliner Polizeibeamten sind Chatgruppen mit rechtsextremen Inhalten entdeckt worden.

© dpa

Ermittlungen gegen Rechtsextremismus: Berlins Polizei prüft Datenabfragen und Kontakte verdächtiger Beamter

Bei Ermittlungen zu möglicherweise rechtsextremen Umtrieben von Beamten prüft die Berliner Polizei nun auch, ob ein Netzwerk dahinter steht.

Im Zusammenhang mit mutmaßlich rechtsextremen Chats und Nachrichten von Polizisten laufen derzeit zwölf Strafermittlungsverfahren bei der Polizei Berlin. Das sagte Innensenator Andreas Geisel (SPD) am Montag im Innenausschuss des Abgeordnetenhauses.

Zwei Verfahren seien abgeschlossen und an die Staatsanwaltschaft abgegeben worden. Disziplinarverfahren gegen Beamte könnten sich jeweils folgen. Zudem gebe es sechs weitere Fälle, bei denen Disziplinarmaßnahmen geprüft würden. Zugleich weitet die Polizei ihre Vorgehen gegen Beamte aus, die im Verdacht rechtsextremer Umtriebe stehen. So werde jetzt neuerdings auch geprüft, welche Informationen verdächtige Beamte in den Datensystemen der Polizei abgerufen haben.

Die sogenannten Protokollabfragen würden auf Auffälligkeiten untersucht, ebenso die Kontakte der Beamten sagte der Vizechef des Berliner Landeskriminalamtes (LKA), Stefan Redlich. Damit versuche die Polizei zu erkunden, ob es sich um Einzelfälle handelt oder Netzwerke dahinter stehen.

Neben der internen Ermittlungseinheit für Straftaten von Beamten beim LKA ist auch die im Frühjahr 2021 gegründete Ermittlungsgruppe „Zentral“ damit betraut, die für Fälle von politisch motivierte Kriminalität Polizisten zuständig ist.

Chatgruppe "Die Eierköppe" erst 2021 entdeckt

Redlich ging zudem auf Kritik der Linke-Fraktion ein, die bemängelt hatte, dass die Ermittlungen teils sehr lange dauerten. Konkret geht es um eine rechtsextreme Chatgruppe, an der vier Polizisten beteiligt waren.

Obwohl das Handy des Beamten Detlef M. bereits im April 2020 in einem anderen Verfahren wegen Geheimnisverrats beschlagnahmt worden war, dauerte es bis Juni 2021, dass die Ermittler die Chatgruppe „Die Eierköppe“ entdeckt haben.

[Wenn Sie alle aktuellen Nachrichten live auf Ihr Handy haben wollen, empfehlen wir Ihnen unsere App, die Sie hier für Apple- und Android-Geräte herunterladen können.]

Zu Verzögerungen komme es etwa wegen der großen Datenmengen, sagte Redlich. "Die digitale Beweisflut stellt die Polizei vor erhebliche Herausforderungen", sagte er. Auf dem beschlagnahmten Handy von M. seien mehr als 200 000 Messenger-Nachrichten, 123 000 Webverläufe, 32 000 Bilddateien und hunderte Kontakte gefunden worden. Beschlagnahmt wurde das Handy wegen Hinweisen auf Verrat von Dienstgeheimnissen.

M. soll im Dezember 2016 kurz nach dem Terroranschlag von Anis Amri am Breitscheidplatz Polizeiinterna über einen anderen Chat verraten haben. In diesem ersten Chat waren vornehmlich AfD-Mitglieder beteiligt, darunter auch einer der Hauptverdächtigen in der rechtsextremen Anschlagsserie von Neukölln.

Auf dessen 2018 beschlagnahmtem Handy war der Chat mit dem mutmaßlichen Geheimnisverrat von M., der bei der AfD aktiv war, gefunden worden. Zwei Jahre später wurden Geräte beim Beamten M. sichergestellt, ein weiteres Jahr brauchte es bis zum Fund der Chatgruppe „Eierköppe“.

In dem Chat sollen rechtsextreme Inhalte geteilt worden sein - wie auf diesem Symbolfoto.
In dem Chat sollen rechtsextreme Inhalte geteilt worden sein - wie auf diesem Symbolfoto.

© Tsp

Nach der Überprüfung des Handys wegen Geheimnisverrats sei die nötige Genehmigung für die zusätzliche Auswertung wegen des Extremismusverdachts bei der Staatsanwaltschaft im November 2020 beantragt worden und im März 2021 erfolgt, sagte Redlich.

„Das alles musste mit einer gewissen Gründlichkeit geprüft werden. Das dauert seine Zeit“, sagte der LKA-Vizechef. Es spreche für die gründliche Arbeit des Staatsschutzes im LKA, dass aus hunderttausenden Nachrichten eine verdächtige und aus tausenden Bildern 19 verdächtige Dateien gefunden worden seien.

Insgesamt zwölf Personen zählten zu den rechten „Eierköppen“, davon sind vier Mitarbeiter der Polizei. Bei den Durchsuchungen im Juli war noch von fünf Polizisten die Rede. Bei den Beamten sind Handys und andere Beweismittel beschlagnahmt worden.

Die dritte rechtsextreme Chatgruppe

Ermittelt wird gegen sie wegen Volksverhetzung und Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen. Die rechten „Eierköppe“ sollen von September 2017 bis Ende November 2019 Nachrichten mit „menschenverachtenden Inhalten“ verschickt haben, darunter Bilder, Karikaturen, rassistische Inhalte und verfassungsfeindliche Symbole.

Die „Eierköppe“-Chatgruppe ist bei der Berliner Polizei die dritte größere Gruppe, in der rechte Inhalte geteilt wurden.

  • So gab es eine im Oktober 2020 aufgedeckte Chatgruppe von Polizeischülern mit 26 Mitgliedern, von denen mehrere laut Staatsanwaltschaft Nachrichten mit rassistischen Inhalten oder Hakenkreuzen austauschten. Gegen sieben Polizeischüler wurde ermittelt, sechs davon mussten die Ausbildung abbrechen.
  • Ebenfalls im Herbst 2020 ist eine weitere Chatgruppe von 25 Beamten einer Dienstgruppe bekannt geworden, in der Muslime als „fanatische Primatenkultur“ bezeichnet, Flüchtlinge mit Vergewaltigern oder Ratten gleichgesetzt und Neonazis als mögliche „Verbündete“ bei linken Demonstrationen genannt worden sein sollen. Das Problem bei diesem Fall: Zwei Beamte hatten sich dem WDR offenbart, doch nicht gegenüber der Polizei selbst. Die Ermittler tappen deshalb im Dunkeln.
  • Bereits im Februar 2020 war ein Polizist aufgeflogen, der 2019 aus Hessen nach Berlin gewechselt war. Die hessischen Ermittlungsbehörden warfen ihm vor, Wortführer einer Chatgruppe gewesen zu sein, in der Gewaltdarstellungen und rechtsextreme Inhalte ausgetauscht worden sein sollen.

Ein Großteil der Debatte im Innenausschuss am Montag über den „Eierköppe“-Fall und rechtsextreme Chats bei der Polizei war vom Streit der Fraktionen im Innenausschuss geprägt. Linke und Grüne forderten ein höheres Tempo bei den Ermittlungen zu rechtsextremen Chats in der Polizei und mehr Aufklärung.

Linke-Innenexperte Niklas Schrade beklagte, die meisten Fälle seien Zufallsfunde, auch der „Eierköppe“-Fall sei nur ein Beifang. Daher seien weitere Fälle zu befürchten, die erst wie in einem Schnellballsystem aufgedeckt werden könnten.

[Mehr aus der Hauptstadt. Mehr aus der Region. Mehr zu Politik und Gesellschaft. Und mehr Nützliches für Sie. Das gibt's nun mit Tagesspiegel Plus: Jetzt 30 Tage kostenlos testen.]

Es gebe eine erhebliche Zahl an sogenannten Einzelfällen, sagte Grünen-Innenexperte Benedikt Lux. „Da muss man sich fragen, ob das ein strukturelles Problem ist.“ Lux erinnerte an nicht wenige Mord an Polizisten, die von Rechtsextremisten verübt worden waren.

Innensenator Geisel hingegen wies den Vorwurf eines Strukturproblems zurück und sprach von einem "überschaubaren Kreis" an Fällen angesichts von rund 25.000 Mitarbeitern bei der Polizei. Jeder Fall sei einer zu viel. Die Häufung in den vergangenen Jahren sei aber nicht darauf zurückzuführen, dass es viele rechtsextreme Vorfälle gegeben hätte, sondern sie seien „Ergebnis unserer Arbeit“ und verstärkter Aufklärung und Ermittlungen.

Die Verfahren seien auch den Selbstreinigungskräften bei der Polizei zu verdanken. „Eine Behörde wie die Polizei verdient nur das Vertrauen der Öffentlichkeit, wenn sie gegen Fehlentwicklungen vorgeht“, sagte der Innensenator.

Auch SPD-Innenexperte Frank Zimmermann ging auf Distanz zu seinen Koalitionspartnern. „Ich warne davor, strukturelle Probleme herbeizureden.“ CDU-Fraktionschef Burkard Dregger kritisierte in einer emotionalen Rede vor allem Linke und Grüne scharf. Die beiden Regierungsparteien wollten mit der Debatte über Rechtsextremismus in der Polizei die rechtsstaatlichen Institutionen der Bundesrepublik und Berlins destabilisieren und die Durchsetzung des demokratischen Rechts behindern.

Senat und Polizei hätten „kein Interesse, etwas unter den Teppich zu kehren“, sagte Dregger. Grüne und Linke dagegen wollten geradezu, dass es ein strukturelles Problem gibt. Sie würden die Polizei unter Generalverdacht stellen. Es gebe keine neuen Hinweise dafür, dass es systemischen oder strukturellen Rechtsextremismus in der Polizei gibt.

Zur Startseite