zum Hauptinhalt
Und nun? Passagiere, die zum Flughafen wollten, mussten am Mittwoch auf die BVG oder das Taxi umsteigen.

© Tobias Schwarz/AFP

Das Chaos fällt aus: So lief der erste Tag des S-Bahn-Streiks in Berlin

Der Bahn-Streik traf am Mittwoch auch Berlin. Die Bahn fuhr mit stark eingeschränktem Angebot, manche Zügen vielen komplett aus. Trotzdem blieb die Lage weitesgehend entspannt.

Christiane Springwald will nach eineinhalb Jahren endlich ihre Tochter wiedersehen. Die wohnt im österreichischen Wörgl, knapp sieben Zugstunden von Berlin entfernt. Eigentlich wäre Springwald am Mittwochmittag schon dort gewesen – wäre der Streik nicht dazwischengekommen. „Ich bin für Streikrecht und habe schon einige Streiks mitgemacht“, sagt Springwald. „Aber so holterdipolter, das finde ich unfair.“

Der Bogen sei jetzt einfach überspannt. „Ein Bahnstreik in dieser Situation ist dreist und frech“, sagt Springwald. Alle Züge seien voll, Abstandhalten nicht möglich. Sie hatte ein Ticket erster Klasse gebucht, Reservierungen in ihrem Alternativzug seien weder dort noch in der zweiten Klasse möglich gewesen. Erst ab München habe sie einen Sitzplatz. Bis dahin sind es aber erst einmal einige Stunden. „Und das, obwohl ich eine 80-prozentige Behinderung habe“, sagt die ältere Frau. „Könnte ich ihn persönlich treffen, würde ich Weselsky eins auf die Ohren geben.“

Springwald und andere Fernreisende sind am Mittwoch in Berlin wohl am stärksten vom Streik der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) betroffen. Im Berliner Nahverkehr trifft der Streik hauptsächlich die S-Bahn. Die verkehrt seit 2 Uhr am Mittwoch nur noch im Notfahrplan, also mit stark eingeschränktem Angebot.

Emilie Schmidt arbeitet als Ingenieurin in Potsdam. Sie wurde vom Streik völlig überrascht. „Erst hieß es, gleich fährt eine S-Bahn, jetzt soll erst in einer Stunde eine gehen“, sagte sie am Mittwochmorgen. Eigentlich wollte sie am Morgen schon um kurz nach 7 Uhr bei der Arbeit sein, wann sie es tatsächlich dorthin schafft, war unklar. Ihr blieb nur „abwarten, weiterschauen und hoffen, dass vielleicht doch noch was kommt.“

„Praktisch keine überfüllten Fahrzeuge“

Im morgendlichen Berufsverkehr wichen viele auf die Busse und Bahnen der BVG aus. Dort gab des zunächst großes Gedränge. Nach Angaben der BVG war die Nachfrage in den Morgenstunden merklich größer als derzeit üblich, „es gab aber praktisch keine überfüllten Fahrzeuge“, teilte die Pressestelle mit. Am Ostkreuz standen morgens die Menschen auf den Bahnsteigen der Ringbahnen dicht an dicht, ohne Abstand und zum Teil auch ohne Mund-Nase-Bedeckung.

In den S-Bahnen entspannte sich die Lage im Laufe des Vormittags. Bei der BVG stiegen in der Zeit die Fahrgastzahlen, überfüllt sei jedoch nichts gewesen. „Nur ganz vereinzelt mussten bei der Straßenbahn und beim Bus Fahrgäste auf das nächste Fahrzeug warten“, hieß es in einem Statement der Pressestelle. Man habe keine Fahrgäste stehen lassen müssen, sagte ein Sprecher der BVG der Deutschen Presseagentur. Insgesamt sei der erste Streiktag aus Sicht der BVG „ruhiger als erwartet“ verlaufen. Das könnte auch daran liegen, dass mehr Menschen von zu Hause aus gearbeitet haben.

Sehr ruhig ging es auch auf den Bahnsteigen an den Regionalgleisen zu, die größtenteils menschenleer blieben. Am Bahnhof Friedrichstraße, am Zoo oder am Gesundbrunnen fuhren dort entweder gar keine oder nur sehr wenige Regionalzüge.

[Wenn Sie alle aktuellen Nachrichten live auf Ihr Handy haben wollen, empfehlen wir Ihnen unsere App, die Sie hier für Apple- und Android-Geräte herunterladen können.]

Private Anbieter wie die Niederbarnimer Eisenbahn (NEB) und die Ostdeutsche Eisenbahngesellschaft (ODEG) blieben vom Streik größtenteils verschont, waren zwischenzeitlich aber vom Streik in der Leitstelle der Stadtbahn beeinträchtigt. Ihre Züge fuhren zwar, zum Teil aber mit Verspätungen und auf einer anderen Route. Die Halte Alexanderplatz, Hauptbahnhof und Zoo entfiel teilweise.

Bei der Deutschen Bahn streikte fast ausschließlich das Zugpersonal. Das teilte das Unternehmen am Nachmittag mit. In Berlin habe es nur eine Ausnahme gegeben, nämlich einen Fahrdienstleiter in einer Leitstelle. Deswegen konnten am Morgen die Züge der RE2 nicht über die Stadtbahn fahren, sondern mussten über den Nordring umgeleitet werden. 

Der Bahn gelang es, einen anderen Mitarbeiter zu finden, der die Arbeit übernahm. Ab 11 Uhr konnten wieder Regionalzüge über die Stadtbahn fahren. Ein Bahnsprecher sagte, dass wie angekündigt 40 Prozent der Regionalzüge unterwegs gewesen seien. Die Züge, die fahren, seien stark besetzt.

Mit dem Auto zum Flughafen

Neben S-Bahnen und Regionalzügen fiel auch der Flughafen-Express aus. Das überraschte besonders Tourist:innen, die vom Streik zuvor nichts mitbekommen hatten oder sich auf ihre Recherche vom Vorabend verließen. „Gestern haben wir nachgeschaut, da sollte die S9 noch von der Friedrichstraße abfahren“, sagt Jasmin Lorenz.

Die Studentin wollte mit ihren Freundinnen Saliha Hille, Lina Riese und Jasmin Lorenz nach Portugal fliegen, zur Belohnung für die überstandene Prüfungsphase. Von der Friedrichstraße kamen sie nur schwer zum Flughafen, also versuchten die drei Freundinnen, Hilles Tante zu erreichen. Würde die sie mit dem Auto fahren, könnte es mit dem Urlaub doch noch klappen.

Auf den Straßen habe es für einen Mittwochmorgen erstaunlich viele Staus gegeben, sagte ein Sprecher der Verkehrsinformationszentrale (VIZ) Berlin der Deutschen Presse-Agentur. Laut VIZ waren große Straßen im Berliner Stadtgebiet überdurchschnittlich gefüllt – etwa die Fankfurter und Landsberger Allee in Richtung Zentrum und die Leipziger Straße in beiden Richtungen. Am Vormittag beruhigte sich der Verkehr nach Angaben der VIZ wieder größtenteils.

Auch am Donnerstag streikt die GDL. Für Berlin bedeutet das ähnliche Einschränkungen wie am Mittwoch: Der Weg zum Flughafen bleibt umständlich. Die meisten Regionalzüge, der Flughafenexpress, die Ringbahn, die Linien S26, S45, S47 sowie die S75 fahren weiterhin nicht. Die meisten anderen Linien verkehren im 20-Minuten-Takt, zu späteren Zeiten fahren manche Bahnen auch mit 40 Minuten Abstand. Dabei könne es jedoch „auch sehr kurzfristig zu Ausfällen kommen“, gab die S-Bahn bekannt.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false