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Auch nach dem Gewinnerentwurf für die neue Mühlendammbrücke wird der Neubau das Zentrum wie eine Schneise trennen.

© ARUP/COBE, SENUVK

Alternative zur Verkehrsschneise gefordert: Bündnis droht mit Klage gegen Neubau der Berliner Mühlendammbrücke

Viel zu groß falle der Neubau der Mühlendammbrücke aus, bemängeln Kritiker. Ein Bündnis bereitet daher rechtliche Schritte vor – und zeigt Alternativen.

Eine breite Schneise schlägt der Straßenzug um die Mühlendamm- und Neue Gertraudenbrücke durch Berlins Mitte und macht die Gegend zu einem unwirtlichen Ort. Daran ändere sich auch durch den geplanten Ersatzneubau der Brücken nichts, bemängelt ein Bündnis – und droht dem Senat mit Klage. Die ersten Schritte dafür leiten die Kritiker nun ein.

„Wir fordern den Senat auf, eine Umweltverträglichkeitsprüfung für den Neubau der Mühlendammbrücke nachzuweisen“, sagte Benedikt Goebel, Gründer und Sprecher der Planungsgruppe Stadtkern im Bürgerforum Berlin, das Teil des Bündnisses ist. „Wenn die nicht geliefert wird, klagen wir.“ Dazu geht dieser Tage zunächst ein Schreiben an die Senatsverkehrsverwaltung. Die Klageschrift sei bereits verfasst.

Worum es dem Bündnis aus Bürgerform, Umweltverband BUND, Changing Cities, dem Architekten- und Ingenieursverein zu Berlin-Brandenburg und der Interessengemeinschaft Leipziger Straße vor allem geht, ist eine ausreichende Bürgerbeteiligung bei dem Mammutvorhaben.

Der Senat will an die Stelle der maroden Brücken Ersatzneubauten setzen. Damit, so die Argumentation der Landesregierung, werde ein zeitaufwendiges Planfeststellungsverfahren umgangen. Der Preis dieses Vorgehens ist, dass die Brücken ihren monströsen Vorgängern großteils entsprechen müssen. Den zentralen Stadtraum neuzugestalten wird dadurch unmöglich.

„Der Skandal ist, dass man über Jahre ohne die Öffentlichkeit eine Brücke plant und alle Ideen abwehrt, die sagen, wie man es besser machen könnte, nur um ein Planfeststellungsverfahren zu vermeiden“, kritisierte Tilmann Heuser, Landesgeschäftsführer beim BUND Berlin. Stattdessen müsse man zwar zügig zu einer Entscheidung kommen – und zugleich aber Raum für Alternativen schaffen.

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Die hat das Bündnis bereits erarbeitet. Der Ersatzneubau der Mühlendammbrücke könne demnach mehrere Meter schmaler ausfallen, hat Stefan Lehmkühler, Grünen-Politiker und Aktivist bei Changing Cities, errechnet. Der geplante Ersatzneubau der Neuen Gertraudenbrücke könne den Plänen zufolge ganz entfallen. Stattdessen könne der Verkehr künftig über die parallel verlaufende Alte Gertraudenbrücke führen.

Heute wird der historische Bau nur von Fußgängern genutzt. Vor vielen Jahrzehnten lief jedoch der gesamte Tram- und Autoverkehr über die Brücke. Täglich 30.000 Autos seien es 1937 gewesen, sagte Hendrik Blaukat von der IG Leipziger Straße.

„Die Alte Gertraudenbrücke würde eigentlich die Zielgrößen des Senats aufnehmen können.“ Unter diesen Umständen das breite Stahlbrett der Neuen Gertraudenbrücke erneut zu bauen, hält Blaukat für fatal. „Wir wollen weniger motorisierten Individualverkehr. Warum baut man dann so eine Brücke wieder auf, die den Stadtraum für 80 bis 100 Jahre dominieren wird?“

Verzicht auf Ersatzneubau würde dutzende Millionen Euro sparen

Je nach Option könnte neben der historischen Spreekanalquerung ein schmaler zusätzlicher Steg für den Rad- und Fußverkehr nötig sein, sagte Lehmkühler. In jedem Fall würden anstelle der jetzigen Autobrücke große Flächen frei am Spittelmarkt. Drei landeseigene Grundstücke wären dann wieder unverbaut. Ihren Wert schätzt das Bündnis auf 46,5 Millionen Euro.

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Auch beim Brückenbau könne das Land viel Geld sparen, hat das Bündnis errechnet. Jeder Quadratmeter Brücke koste 33.000 Euro im Bau. Bezogen auf den Ersatzneubau der Neuen Gertraudenbrücke könnte der Senat 40 Millionen Euro sparen, wenn stattdessen die historische Brücke ertüchtigt würde. Würde die Mühlendammbrücke um ein Viertel schmaler ausfallen, verringerten sich die Kosten ebenfalls um 39,5 Millionen Euro, so Lehmkühler.

Die Verkehrsverwaltung hat diese Option bislang stets verworfen. Die Alte Gertraudenbrücke fasse nicht die täglich passierenden 48.000 Fahrzeuge, mit denen der Senat auch 2030 noch rechnet. Dem widerspricht Lehmkühler. Und auch die schweren Straßenbahnen, die künftig auf der Strecke wieder fahren sollen, könnten nach einer Sanierung wieder über die historische Brücke rollen.

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